2.3. Die Ergebnisse aller Teilnehmer einer Studie sollten in den ursprünglichen Gruppen ausgewertet werden

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Dies ist der 15. Beitrag einer Blogserie zu einer Zusammenstellung von „Schlüsselkonzepten zur besseren Bewertung von Aussagen zu Behandlungen“, die im Rahmen des Informed Health Choices (ICH) Projektes erarbeitet wurde. Jeder der insgesamt 36 Blogbeiträge befasst sich mit einem der Schlüsselkonzepte, die als wichtig dafür erachtet werden, Aussagen zu Wirkungen von Behandlungen besser verstehen und einordnen zu können.

Stellen Sie sich vor, Sie lesen eine Studie und stellen fest, dass die Teilnehmer zwei Behandlungsgruppen zufällig („randomisiert“) zugeteilt wurden. Eine Gruppe wird einer operativen Behandlung zugeteilt, die andere einer medikamentösen. Großartig, denken Sie, die Teilnehmer wurden zufällig zugeteilt: dies hilft sicherzustellen, dass die Gruppen in ihren Eigenschaften vergleichbar sind. Das ist aber nicht alles. Einige Teilnehmer erhalten aus verschiedenen Gründen möglicherweise die ihnen zugeteilte Behandlung nicht. Zum Beispiel können sich Teilnehmer gegen die Behandlung entscheiden.

Es ist wichtig, dass – soweit möglich – alle Patienten, die den beiden Gruppen zugeordnet wurden, nachbeobachtet und in der Hauptanalyse der Gruppe erfasst werden, der sie ursprünglich zugeteilt wurden. Selbst wenn Teilnehmer – und dies mag auf den ersten Blick widersinnig erscheinen – die zugeteilte Behandlung tatsächlich nie erhalten haben. Der Grund hierfür ist, dass Teilnehmer, die nicht behandelt werden oder die Behandlung nicht einhalten, sich möglicherweise in ihren Eigenschaften von denjenigen, die die Behandlung einhalten, unterscheiden. Wenn Teilnehmer, die ihre Behandlung nicht eingehalten haben, aus der Analyse ausgeschlossen werden, bedeutet dies möglicherweise, dass der Behandlungsvergleich nicht mehr fair ist. Das heißt, es wird nicht mehr Gleiches mit Gleichem verglichen.

Der Einschluss von Teilnehmern in die Analyse unabhängig davon, ob diese die ihnen zugeteilte Behandlung tatsächlich erhalten haben, wird als „Intention-to-treat-Analyse“ (ITT-Analyse) bezeichnet

Fisher et al. (1990) erläutern: „In der ITT-Analyse werden alle randomisierten Patienten in den Gruppen erfasst, denen sie zufällig zugeteilt wurden, unabhängig von der Einhaltung der Eingangskriterien, unabhängig von der Behandlung, die sie tatsächlich erhaltenen haben, und unabhängig von späteren Behandlungsabbrüchen oder Abweichungen vom Protokoll“.

Die Intention-to-treat-Analyse wird üblicherweise als „einmal randomisiert, immer analysiert“ beschrieben.

Zum Beispiel sollten bei einem Vergleich zwischen operativen und medikamentösen Behandlungen Teilnehmer, die während der Wartezeit auf die Operation versterben, in der operierten Gruppe erfasst werden, obwohl sie tatsächlich nicht operiert wurden. Geschieht dies nicht, wird nicht mehr Gleiches mit Gleichem verglichen.

Mit einer Intention-to-treat-Analyse wird eine Überbewertung der Wirksamkeit und/oder Sicherheit einer Behandlung vermieden, zu der es kommen könnte, wenn Teilnehmer, die die Behandlung nie erhielten, ignoriert würden. Der Grund hierfür ist, dass durch diese Analyse akzeptiert wird, dass mangelhafte Compliance und Nicht-Einhaltung von Behandlungen in der klinischen Praxis sehr wahrscheinlich sind, bzw., dass die Wirksamkeit einer Behandlung nicht allein durch ihre tatsächlichen biologischen Wirkungen bestimmt wird, sondern auch von der Fähigkeit des Patienten, die Behandlung einzuhalten und/oder der Fähigkeit des Behandlers, die angedachte Behandlung zu verabreichen. Nur wenn alle Patienten, für die eine bestimmte Behandlung vorgesehen ist, in ihrer ursprünglichen Gruppe verbleiben, können Wissenschaftler und medizinische Fachkräfte unvoreingenommen eine unverzerrte Schätzung des Effekts einer Behandlung im Vergleich zu einer anderen erhalten.

Schauen wir uns ein Beispiel an.

Stellen Sie sich vor, Sie vergleichen zwei verschiedene Intensitäten eines Krebsmedikaments (eine hohe und eine geringe Intensität). In der Gruppe mit hoher Intensität entscheiden sich 10 von 50 Teilnehmern wegen der unangenehmen Nebenwirkungen des Medikaments gegen die Behandlung. In der Gruppe mit geringer Intensität sind die Nebenwirkungen weniger drastisch, und nur drei von 50 Teilnehmern entscheiden sich gegen die Behandlung. Stellen Sie sich sodann vor, Sie würden nur die 40 Patienten, die das Medikament mit hoher Intensität weiterhin eingenommen haben, mit den 47 Patienten, die die Behandlung in der Gruppe mit geringer Stärke fortgesetzt haben, vergleichen. Ein solcher Vergleich wäre irreführend, weil Sie die Verträglichkeit der Behandlung nicht berücksichtigen würden, obwohl die Verträglichkeit einer Behandlung ein sehr bedeutsamer Faktor ist.

Schauen wir uns ein anderes Beispiel an.

Die Abbildung und das Beispiel unten verdeutlichen weiter, warum es wichtig ist, eine Intention-to-treat-Analyse durchzuführen:

Patienten, mit einem teilweisen Verschluss von das Gehirn versorgenden Blutgefäßen, die unter Schwindel leiden, tragen ein überdurchschnittlich hohes Risiko für einen Schlaganfall. Wissenschaftler haben untersucht, ob eine Operation zur Behebung des Verschlusses das spätere Auftreten von Schlaganfällen reduziert.

Verglichen wurden alle Patienten, die der Operation zugeteilt waren, unabhängig davon, ob sie den Eingriff überlebten, mit allen Patienten in der Vergleichsgruppe, die nicht operiert wurden. Wäre die Häufigkeit des Auftretens von Schlaganfällen nur bei denjenigen Teilnehmern erfasst worden, die die unmittelbaren Auswirkungen der Operation überlebt hatten, wäre die wichtige Tatsache, dass der Eingriff selbst zum Schlaganfall und Tod führen kann, verpasst worden. Wenn alle anderen Dinge gleich wäre, käme es also bei den überlebenden Patienten in dieser Gruppe zu weniger Schlaganfällen. Dies wäre ein unfairer Vergleich, weil die Risiken der Operation selbst berücksichtigt werden müssen.

Wie in der Abbildung oben gezeigt, sind die Ergebnisse (d. h. die Überlebensrate) der operativen im Vergleich zur medikamentösen Behandlung tatsächlich gleich. Hätte man aber die beiden Patienten, die der Operation zugeteilt wurden, jedoch vor der Operation gestorben waren, außer Acht gelassen (d. h. aus der Analyse ausgeschlossen), wäre der Vergleich der beiden Gruppen verzerrt. Die Ergebnisse würden darauf hindeuten, dass der operative Eingriff der Vergleichsbehandlung überlegen ist, obwohl das tatsächlich nicht stimmt.

Was bedeutet das alles für das Lesen einer Studie oder eines Reviews?

Leider sind Wissenschaftler häufig nicht gut darin, Intention-to-treat-Analysen durchzuführen und/oder Berichte in Fachzeitschriften enthalten oft unzureichende Angaben darüber, ob eine solche Analyse durchgeführt wurde. Es ist aber wirklich wichtig, sich in Acht zu nehmen unc vorsichtig zu sein, bevor man sich auf die Ergebnisse von Behandlungsvergleichen verlässt, wenn die Ergebnisse nicht in den ursprünglich zugeteilten Gruppen erfasst werden. Denn das beste Vorgehen ist: „einmal randomisiert, immer analysiert“.

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Text: Sam Marks

Übersetzt von: Katharina Jones

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