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Bedroht schlechter Medizinjournalismus unsere Gesundheit?

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Eine aktuelle Studie hat rund 1000 Medienberichte analysiert und zeigt: Nur knapp elf Prozent aller Berichte sind in Einklang mit der wissenschaftlichen Studienlage. Kurz gesagt: Die Medien berichten stark verzerrt über Gesundheitsthemen.

Dass Medien gelegentlich übertreiben ist keine große Überraschung. Wie stark jedoch selbst auf dem heiklen Gebiet der Gesundheit die Berichterstattung verzerrt ist, macht dann doch Kopfzerbrechen. Denn egal ob ein bestimmtes Risiko oder der Erfolg einer bestimmten Therapie übertrieben wird, die Folge sind immer schlechte Gesundheitsentscheidungen.

Wie die Ergebnisse der Studie im Detail aussehen und welche Ursachen die verzerrte Berichterstattung hat, stellen die Wissenschaftler in einer Presseaussendung dar, die wir hier im Volltext wiedergeben.

Nur 11 Prozent der Gesundheits-News stimmen

Plattform Medizin-transparent.at der Donau-Universität Krems analysierte Wahrheitsgehalt von 990 Medienartikeln.

Krems (kpr). „Grüner Tee schützt vor Krebs“, „Schlafmangel verursacht Übergewicht“ – Schlagzeilen wie diese halten oft nicht ein, was sie versprechen. WissenschaftlerInnen der Donau-Universität Krems zeigen in einer kürzlich veröffentlichten Studie, wie wenig faktenbasiert österreichische Medien zu Gesundheitsthemen berichten: 60 Prozent der Medienartikel sind stark übertrieben, nur 11 Prozent berichten korrekt. Dabei gibt es nur wenige Unterschiede zwischen einzelnen Medien.

„Der Gesundheitsjournalismus in Österreich ist in schlechter Verfassung“, resümiert Gerald Gartlehner, Professor für Evidenzbasierte Medizin an der Donau-Universität Krems, die Ergebnisse der kürzlich veröffentlichten Studie. Für die Faktencheck-Plattform www.Medizin-Transparent.at analysierte sein Team den Wahrheitsgehalt von 990 Medienartikeln zu Gesundheitsthemen. Die WissenschaftlerInnen überprüften Print- und Web-Artikel in relevanten österreichischen Tageszeitungen, Wochenmagazinen und Online-Medien. 60 Prozent der Artikel berichten stark übertrieben über die Wirksamkeit von Behandlungen und Medikamenten oder die Aussagekraft von Studien. Lediglich 11 Prozent der analysierten Artikel stimmen mit der aktuellen wissenschaftlichen Studienlage überein.

„Die Studienergebnisse sind ernüchternd und bestätigen die Wichtigkeit von unabhängigen Stellen mit objektiver Information wie medizin-transparent.at. Denn Laien können nicht abschätzen, ob das was in der Zeitung oder im Internet steht, auch tatsächlich der Wahrheit entspricht. Der Faktencheck durch medizin-transparent.at zeigt, was wirklich hinter diesen Schlagzeilen steckt “, so Landeshauptmann-Stellvertreter und -Vorsitzender des Niederösterreichischen Gesundheits- und Sozialfonds NÖGUS, Mag. Wolfgang Sobotka.

Geringe Unterschiede zwischen einzelne Medien

Printmedien berichten genauso häufig übertrieben wie Nachrichtenseiten im Internet. Langmeldungen verzerren die Fakten genauso oft wie Kurzmeldungen. Boulevard-Zeitungen haben mit 64 Prozent zwar den größten Anteil an stark übertriebenen Artikeln, bei Qualitätszeitungen sind es jedoch mit 52,4 Prozent nur unwesentlich weniger.

Themen, die am häufigsten falsch berichtet werden

An der Spitze der Realitätsverzerrung mit 97,6 Prozent stehen Artikel zu kosmetischen Behandlungen oder Methoden zur Gewichtsreduktion. Behauptungen wie leichtes Frieren würde das Gewicht reduzieren, Coenzym Q10 könne die Haut verjüngen oder Cremes und enge Kleidungsstücke Cellulite bekämpfen sind wissenschaftlich nicht belegt.

70,5 Prozent der Medienmeldungen zu angeblich gesundheitsfördernden Wirkung von Nahrungsergänzungsmitteln und Behandlungen, die auch Nicht-MedizinerInnen vornehmen dürfen sind stark übertrieben. Die Palette reicht von elektromagnetischen Wundergeräten oder Nahrungsergänzungsmitteln zur Therapie von Gelenksbeschwerden bis zu Wandfarben, die angeblich Allergien bessern.

41,1 Prozent der Behauptungen zur Wirkung zulassungspflichtiger Medikamente und Behandlungen, die nur durch Ärzte durchgeführt werden dürfen, sind stark übertrieben.

Zeitmangel als Grund für Medienübertreibungen

„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die meisten Medien PR-Meldungen von kommerziellen Anbietern weitgehend ungeprüft übernehmen“, so Bernd Kerschner, Hauptautor der Studie. „Dass Anbieter von Medikamenten, Nahrungsergänzungsmitteln und medizinischen Behandlungen die Fakten zu ihren Gunsten übertreiben, sollte nicht verwundern.“ Tatsächlich zeigt eine französische Untersuchung, dass übertriebene Presseaussendungen in vielen Fällen auch zu übertriebenen Medienberichten führen. „Viele Journalisten haben zu wenig Zeit für eine tiefgehende Recherche und sind davon abhängig, verlässliche Informationen von vertrauenswürdigen Quellen zu bekommen.“

Über Medizin-Transparent.at

Der Online-Service Medizin-Transparent.at überprüft Gesundheitsmythen aus Medien, Werbung und dem Internet auf ihren wissenschaftlichen Wahrheitsgehalt. Die seit 2011 existierende Plattform beantwortet Leseranfragen. Oberstes Ziel ist es, eine wissenschaftlich fundierte, von der Gesundheitsindustrie unbeeinflusste Informationsquelle zu medizinischen Fragen zu bieten. Dahinter steht die an der Donau-Universität Krems ansässige Organisation Cochrane Österreich, eine Zweigstelle der internationalen Non-Profit-Vereinigung unabhängiger, kritischer Mediziner. Gefördert wird Medizin-Transparent.at vom Niederösterreichischen Gesundheits- und Sozialfonds sowie der Bundesgesundheitsagentur.

Zur Studie im Volltext: http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1865921715001087

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