Psychologie

Wer hilft wie bei psychischen Gesundheitsproblemen?

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Dieser Beitrag wurde von Kai Nitschke, einem deutschen Psychologen, verfasst und bezieht sich auf die Lage in Deutschland.

In Deutschland leidet beinahe jeder* Dritte an einer psychischen Krankheit [1]. Demnach kommt fast jeder im Laufe seines Lebens auf die eine oder andere Art entweder direkt oder indirekt mit psychischen Störungen in Kontakt. Trotz der Allgegenwärtigkeit dieser Störungen herrscht oft Unklarheit über den richtigen Ansprechpartner bei psychischen Problemen.

Den meisten Menschen ist klar, dass sie bei Atemwegserkrankungen einen Hals-Nasen-Ohren-Facharzt oder bei Zahnschmerzen einen Zahnarzt aufsuchen. Bei psychischen Problemen ist für sie der richtige Ansprechpartner nicht ganz so eindeutig. Verschiedene Berufsgruppen wie Psychiater, Psychologen und Psychotherapeuten klingen zwar ähnlich, weisen aber andere Schwerpunkte, Ausbildungshintergründe und Kenntnisse auf.

Im Film „Reine Nervensache“ erhält der Patient und Mafiaboss (Robert de Niro) Gesprächstherapie im Rahmen einer Psychotherapie von seinem Psychiater (Billy Crystal).

Vor allem Medien wie z. B. Spielfilme tragen zu dieser Verwirrung bei. Dort verschreibt ein Psychologe mal schnell ein paar Medikamente, was in Deutschland so nicht möglich ist. Die Berufsbezeichnungen können hierdurch zu Recht als verwirrend wahrgenommen werden. Umso wichtiger ist es, die Unterschiede, Hintergründe und Schwerpunkte von Psychiatern, Psychologen und Therapeuten zu kennen, damit Betroffene und Angehörige besser informierte Entscheidungen treffen können.

Berufsbild Psychiater

Psychiater sind Ärzte. Das bedeutet, dass sie zunächst ein Medizinstudium an einer Universität durchlaufen, in welchem das komplexe Zusammenspiel der physiologischen Prozesse des Körpers im Mittelpunkt steht. Innerhalb der ersten beiden Jahre werden die Medizinstudenten in Grundlagenfächern der Vorklinik unterwiesen (z.B. Chemie, Anatomie). Anschließend folgt das klinische Studium, in der innerhalb von drei Jahren 22 Fachgebiete und 14 Querschnittsbereiche unterrichtet werden. Zwei dieser Fachgebiete sind die Psychiatrie und Psychotherapie sowie Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Ebenfalls müssen angehende Ärzte ein vier monatiges medizinisches Praktikum (Famulatur) durchlaufen, um die ärztliche Patientenversorgung kennenzulernen. Zum Abschluss des Studium muss noch ein praktisches Jahr (PJ) abgeschlossen werden, in dem Studenten in innere Medizin, Chirurgie und einem Bereich ihrer Wahl, z.B. in der Psychiatrie, ihre Erfahrungen sammeln. Unter Supervision werden hier ärztliche Tätigkeiten durchgeführt und erlernt.

Wenn sie danach Interesse haben, entscheiden sich Mediziner nach dem Abschluss ihres Medizinstudiums für eine fünf-jährige Weiterbildung als Fachärzte in der Psychiatrie und Psychotherapie. Dort fangen sie als Assistenzärzte an. In dieser Weiterbildung müssen sie zwei Jahre in der stationären psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung verbringen sowie ein Jahr in der Neurologie. Die restliche Ausbildungszeit wird in psychiatrienahen Feldern absolviert. Erst nach dem Abschluss dieser Zeit darf sich ein Mediziner Psychiater nennen.
Nach dem Abschluss dieser Ausbildung dürfen Psychiater Psychotherapie anbieten und diese mit der Krankenkasse abrechnen. Darüber hinaus dürfen sie sich als Ärztliche Psychotherapeuten bezeichnen. Da Ärzte sich in ihrem Studium und ihrer Ausbildung vor allem dem komplexen Zusammenspiel des Körpers widmen, dürfen nur sie Medikamente verschreiben, und nähern sich den psychischen Störungen oftmals von der organischen Seite.

Berufsbild Psychologe

Psychologen sind Personen, die das Studium der Psychologie abgeschlossen haben. Das bedeutet, dass sie ca. fünf Jahre lang (für Diplom bzw. Bachelor + Master) an einer Universität das menschliche Verhalten und die menschliche Psyche in verschiedenen Anwendungs- und Lebensbereichen studiert haben. Eines dieser Fächer ist (je nach Institutsausrichtungen und gewählten Schwerpunkten) die klinische Psychologie, welche sich mit den psychischen Krankheiten und deren Behandlung beschäftigt. Dort werden die Charakteristika psychischer Störungen und verschiedene Therapieverfahren – vor allem theoretisch – gelehrt.

Das Fach der klinischen Psychologie genießt zumeist eine besondere Gewichtung im Studium. Allerdings ist es auch möglich, sich auf Fächer wie z. B. Arbeits- und Organisationspsychologie, Sozialpsychologie oder biologische Psychologie zu spezialisieren. Obwohl sich die meisten Psychologen mit dem Wesen und der Behandlung psychischer Krankheiten beschäftigt haben, sind sie keine Therapeuten und dürfen keine Therapien anbieten, die durch die Krankenkassen abgerechnet werden. Hierfür ist eine weitere Ausbildung nötig (siehe psychologischer Psychotherapeut). Psychologen ist es nicht erlaubt, Medikamente zu verschreiben.

Berufsbild: Psychologischer Psychotherapeut

Psychologischer Psychotherapeut (PP) ist eine geschützte Berufsbezeichnung. Diese wurde 1999 im Psychotherapeutengesetz festgestetzt. Wer in Deutschland als psychologischer Psychotherapeut Therapien anbieten möchte, muss eine Ausbildung zum PP absolvieren. Um für die Ausbildung zum PP (für Erwachsene) zugelassen zu werden, muss ein absolviertes Psychologiestudium vorgewiesen werden. Wer eine Ausbildung zur Kinder- und JugendtherapeutIn durchlaufen möchte, muss entweder Psychologe, Pädagoge oder Sozialpädagoge sein.

Arten der psychologischen Psychotherapie

In Deutschland werden drei Therapiearten anerkannt, die Verhaltenstherapie (VT bzw. kognitive Verhaltenstherapie, KVT), die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TP) und die analytische Psychotherapie (auch als Psychoanalyse bekannt). Welche Schule für welche Störung bei welchem Patienten die effektivste ist, bleibt Gegenstand aktueller Forschung.

Obwohl in den Medien meistens der Psychoanalytiker porträtiert wird, gehören in Deutschland nur wenige Therapeuten (4 %) der rein analytischen Schule an [2]. Wesentlich häufiger sind Verhaltenstherapeuten (mit 49%) und rein tiefen-psychologische Therapeuten (33 %). Die restlichen 14 % gehören sowohl der tiefenpsychologischen als auch der analytischen Schule an.

Während sich die Ausbildungsinhalte für die drei Therapiearten unterscheidet, ist ihnen gemein, dass die Ausbildungszeit mindestens drei Jahre Vollzeit beträgt (600 Theorie, 600 Stunden Praxis und 1800 Stunden praktische Tätigkeit). Die Auszubildenden heißen PIAs (Psychotherapeut in Ausbildung). Da die Ausbildung für angehende PPs keine ausreichende organische Unterweisung umfassen kann, ist es ihnen nicht erlaubt Medikamente, zu verschreiben.

Abgrenzung zum Berufsbild des Heilpraktiker

In Deutschland bieten auch Heilpraktiker Psychotherapie an. Die Berufsbezeichnung des Heilpraktikers ist nicht geschützt. Um als Heilpraktiker arbeiten zu können, muss eine Prüfung abgelegt werden. Bei dieser Prüfung handelt es sich nicht um eine Fachprüfung, sondern um eine Unbedenklichkeitsprüfung, womit ausgeschlossen werden soll, dass angehende Heilpraktiker Schaden an der Gesundheit ihrer Klienten verursachen. Vor der amtlichen Prüfung findet in der Regel eine ein- bis dreijährige Ausbildung zum Heilpraktiker statt. Die Qualität der Ausbildung ist staatlich nicht geregelt. Heilpraktiker dürfen keine rezeptpflichtigen Medikamente verschreiben und ihre Kosten werden nicht standardmäßig von vielen Krankenkassen übernommen.

Alle Klarheit beseitigt?

Soweit zur Lage in Deutschland. Nebst den oben aufgeführten Studienberufen schafft die Existenz vom Berufsbild Heilpraktiker für Psychotherapie sowie Psychologischer Beratern (nicht geschützte Bezeichnung, somit nicht zwingend Psychologen), zusätzliche Verwirrung. Zu beachten ist, dass die Ausbildung und Arbeitserlaubnis im Fachbereich Psychologie und Psychotherapie in vielen Ländern unterschiedlich geregelt ist. Die Grundzüge sind meist ähnlich: Psychiater verschreiben Medikamente und bieten zusammen mit Psychotherapeuten Psychotherapie an. Psychologen arbeiten in einer Vielzahl von Bereichen, in denen Menschen eine Rolle spielen, sei es als Mitarbeiter oder als Kunden.

Text: Kai Nitschke

Kai Nitschke ist Diplom-Psychologe und arbeitet seit Dezember 2017 als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Cochrane Deutschland. Zuvor arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Neuropsychologe, Dozent, Methodiker und Statistiker vorrangig in der Forschung und Lehre an der Universität Freiburg und der Universitätsklinik Freiburg. Kai ist kein Psychotherapeut.

*Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beiderlei Geschlechter.

Quellen
[1] BPtK. (n.d.). Bevölkerungsanteil mit psychischen Erkrankungen in Deutschland nach Geschlecht und Altersgruppe im Jahr 2011. In Statista – Das Statistik-Portal. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/221496/umfrage/psychische-erkrankungen-in-der-deutschen-allgemeinbevoelkerung/.
[2] Schulz, H., Barghaan, D., Harfst, T., & Koch, U. (2008). Herausgeber: Robert Koch-Institut. Psychotherapeutische Versorgung. Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 41.

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