Bisher war es ein großes Problem, dass viele durchgeführte Studien nie veröffentlicht wurden. Studienregister sollen Abhilfe schaffen und ein umfassendes Bild über alle geplanten, laufenden und abgeschlossenen Studien liefern. Studienverantwortliche können darin kostenlos eine Kurzbeschreibung und weitere wichtige Eckdaten zu ihren Studien hinterlegen. Das globale Ziel ist, dass wichtige Informationen über alle Studien der Öffentlichkeit transparent zur Verfügung gestellt werden.
Stellen Sie sich vor, Sie leiden an einer Krankheit und werden eingeladen an einer Studie teilzunehmen, die ein neues, vielversprechendes Medikament zur Behandlung Ihrer Erkrankung testet. Es soll untersucht werden, ob das neue Medikament wirksamer ist und weniger Nebenwirkungen verursacht als die Standardtherapie.
Bei einer Studie mitzumachen bedeutet neben dem Risiko, das man auf sich nimmt, weil man ein noch nicht zugelassenes Medikament testet, auch Mehraufwand. Sie müssten sich Zeit nehmen für Voruntersuchungen, Behandlungen und Nachbesprechungen während der Studienlaufzeit und hätten unter Umständen auch noch weite Strecken zum Studienzentrum zurückzulegen. Das alles nehmen Sie in Kauf, weil Sie zum einen darauf hoffen, dass Sie von dem neuen Medikament profitieren, zum anderen gehen Sie auch davon aus, dass Sie damit anderen Menschen, die auf eine wirksame Behandlung der gleichen Krankheit hoffen, helfen. Sie stellen sich also in den Dienst der Wissenschaft.
Nach Studienende, werden Ihre Daten zusammen mit denen der anderen Studienteilnehmer ausgewertet. Dann zeigt sich, ob das untersuchte Medikament wirksamer war als die Kontrollintervention (Standardmedikament). Sie als Studienteilnehmer sind in diesen Teil der Studie nicht mehr aktiv involviert – Sie werden jedoch sicher gespannt sein, wie das Ergebnis der Studie lautet. Schließlich wollen Sie wissen, wie Ihr Beitrag zur Forschung die weitere Behandlung Ihrer Krankheit beeinflusst hat.
Mangelnde oder fehlende Veröffentlichung von Studienergebnissen
Viele ehemalige StudienteilnehmerInnen haben den gleichen Wunsch. Leider sieht die Realität oft so aus, dass viele Studienergebnisse nicht, oder nur sehr spät oder unvollständig, veröffentlicht werden. Wenn Studienergebnisse nicht veröffentlicht werden, können Sie auch nicht für weitere Entscheidungen im Gesundheitswesen herangezogen werden und anderen Betroffenen helfen. Der ganze Aufwand und die Risiken, die Sie durch Ihre Teilnahme an der Studie auf sich genommen haben, wären umsonst gewesen.
Untersuchungen haben gezeigt, dass circa 50 % aller beendeten Studien niemals publiziert werden. Das Zurückhalten von Daten ist ein häufig beobachtetes Phänomen, vor allem wenn negative Ergebnisse (d. h. das Medikament zeigte keine Überlegenheit) oder nicht gewünschte Ergebnisse (z. B. Nebenwirkungen) nicht an die Öffentlichkeit geraten sollen (Antes et al. 2015). Ingrid Töws beschreibt dieses Phänomen eindrücklich in ihrem kürzlich veröffentlichten Wissen Was Wirkt-Artikel zu Disseminationsbias.
Diese Unterschlagung von Ergebnissen kann dazu führen, dass untersuchte Therapien zu optimistisch bewertet werden, da wichtige Nebenwirkungen oder Ergebnisse nicht berichtet werden. Dies wiederum kann zu Fehlverhalten in der Gesundheitsversorgung sowie bei Entscheidungsträgern oder Krankenversicherungen führen, indem beispielsweise weniger wirksame bzw. mit vielen Nebenwirkungen behaftete Therapien angewandt werden.
Registrierung von klinischen Studien: die Grundlage für einen schnellen Transfer von der Forschung in die medizinische Praxis
Eine unterstützende Maßnahme, um Daten und Ergebnisse aus klinischen Studien nutzbar zu machen und das bewusste Vorenthalten von Studienergebnissen zu verhindern, ist die Registrierung von Studien vor Studienbeginn, also bevor der erste Teilnehmer eingeschlossen wird. So wird sichergestellt, dass alle durchgeführten Studien bekannt sind und es kann überprüft werden, ob sich die Studienverantwortlichen an ihre geplante Methode halten und alle Ergebnisse veröffentlichen.
Studienregister sind für viele Interessensgruppen nützlich, so z. B. für:
- WissenschaftlerInnen: Ein Studienregister kann dabei helfen die Erstellung von Systematischen Reviews mit Meta-Analysen zu erleichtern, indem Studiendaten zu einer Fragestellung recherchiert und kostenlos verwendet werden können. Des Weiteren können somit nicht publizierte Studien gefunden und in die Analysen integriert werden. Außerdem geben Register einen Überblick über die Forschungsaktivität, Expertise und wissenschaftlichen Schwerpunkte eines Standortes. Dies kann im Rahmen von Forschungsförderung oder bei der Anbahnung neuer Kooperationen eine wichtige Rolle spielen
- PatientenInnen und behandelnde Ärzte und Ärztinnen: Klinische Studien können neue Therapieansätze, die noch nicht in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen sind, untersuchen. Gerade bei Betroffenen, bei denen die bisher verfügbaren Therapien sich als wirkungslos erwiesen haben, bilden derartige neue Therapieansätze eine letzte Hoffnung. Auch wenn die behandelnden ÄrztInnen einen solchen Wunsch auf Einsatz einer noch in Erprobung befindlichen Therapie unterstützen, werden die Kosten durch die Krankenkassen erst übernommen, wenn das Medikament einer umfangreichen Prüfung nach sehr strengen Kriterien standhält. Die Teilnahme in einer Studie könnte dann eine Möglichkeit sein, den Betroffenen Zugang zur Therapie zu vermitteln. Register beiten bieten die Möglichkeit, schnell zu prüfen, ob es geeignete Studien gibt.
Durch die Registrierung von Studiendaten und deren Ergebnissen werden diese für die Öffentlichkeit transparent und tragen dazu bei, eine optimale Patientenversorgung zu gewährleisten, die auf vollständig berichteten Studienergebnissen basiert. In der Schweiz zum Beispiel ist die Studienregistrierung für alle Studien am Menschen seit 2014 gesetzlich vorgeschrieben.
Weltweites Netzwerk von nationalen Studienregistern hilft, den Überblick zu behalten
Unter Koordination der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich mittlerweile ein weltweites Netzwerk von nationalen Studienregistern entwickelt. Das Register für Deutschland ist das Deutsche Register Klinischer Studien (DRKS). Das DRKS arbeitet an einer möglichst vollständigen Eintragung sämtlicher Studien und bietet Betroffenen und behandelnden Ärzten und Ärztinnen einen uneingeschränkten und nicht vorselektierten Zugang auf diese Eintragungen. Dazu wird den Studienverantwortlichen ermöglicht, Angaben zu ihren Studien, wie den Ein- und Ausschlusskriterien, dem Studienziel, der Behandlungsform, u. v. a. im Register zu dokumentieren und damit der Öffentlichkeit Informationen zu laufenden, geplanten oder bereits abgeschlossenen Studien zu liefern. Eine Dokumentation aller Studien in einem Studienregister dient allen im Gesundheitsbereich Tätigen sowie den Patienten und Patientinnen. Nur durch eine vollständige Offenlegung aller Daten und Ergebnisse wird die bestmögliche Gesundheitsversorgung gewährleistet sein.
Auf der kostenlosen und öffentlich zugänglichen Internetseite des DRKS können durch Suchanfragen Studien zu bestimmten Themen gefunden werden. Der Rekrutierungsstatus einer Studie kann abgefragt werden, sodass PatienteInnen und ÄrztInnen direkt Teilnahmemöglichkeiten an geeigneten Studien feststellen können. Die Inhalte sind in deutscher und in englischer Sprache verfügbar. Zudem wird eine Kurzbeschreibung in allgemein verständlicher Sprache zu den eingetragenen Studien angeboten.
Das DRKS gehört seit dem 1. Juli 2017 dauerhaft zum Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) in Köln, im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Zuvor war das Register seit der Gründung am Institut für Medizinische Biometrie und Statistik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg angesiedelt.
Text: Katharina Kunzweiler
Katharina Kunzweiler ist seit 2015 als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Cochrane Deutschland tätig. Zuvor war sie zuständig für Öffentlichkeitsarbeit am Deutschen Register Klinischer Studien (DRKS). Sie ist ausgebildete Physiotherapeutin und hat einen Master-Abschluss in Public Health/Gesundheitswissenschaften. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt im Bereich Wissenstransfer und –synthese für nicht-ärztliche Gesundheitsberufe sowie medizinische Laien.