Dies ist der dritte einer Reihe von über 30 Blog-Artikeln, der sich auf die Schlüsselkonzepte zur besseren Bewertung von Aussagen zu Behandlungen bezieht, die vom IHC-Projekt (Informed Health Choices) entwickelt wurden. Jeder Blog-Artikel erklärt eines dieser Schlüsselkonzepte, um Aussagen zu Wirkungen von Behandlungen besser verstehen und einordnen zu können.
Mit Bestimmtheit sagen zu können, ob ein Ergebnis direkt durch eine Behandlung bedingt ist, oder ob es nur zufällig aufgetreten ist, ist schon immer problematisch gewesen.
Häufig ist es schwierig, einen kausalen Zusammenhang nachzuweisen. Ein Effekt wird dann oft einer Intervention oder Maßnahme zugeschrieben, obwohl die Evidenz dafür nicht ausreicht. Es gibt viele Beispiele, bei denen eine Assoziation fälschlicherweise als kausaler Zusammenhang betrachtet wurde. Daher ist es wichtig, dass zur Bewertung der Evidenz einer ursächlichen Wirkung methodische präzise Studien durchgeführt werden, um andere Faktoren oder Variablen ausschließen zu können.
Scheinkorrelationen: Essen Sie Käse und Sie verheddern sich in Ihren Bettlaken…
Es gibt viele Zufälle im Leben, bei denen zwischen zwei anscheinend beliebigen Faktoren Assoziationen festgestellt werden können. Es ist unwahrscheinlich, dass eine Sache die andere bedingt, also kausal ist, dennoch denken manche Leute vielleicht, dass dem so ist. Zum Beispiel gab es eine Übereinstimmung zwischen dem Käsekonsum in den USA in den Jahren 2000 bis 2009 und der Anzahl an Todesfällen durch das Verheddern von Personen in ihren Bettlaken [2]. Bedingt jedoch einer dieser Faktoren den jeweils anderen? Wahrscheinlich nicht.
Scheinkorrelationen: Sehen Sie sich einen Film mit Nicholas Cage an und Sie werden in einem Pool ertrinken…
Auch die Anzahl von Personen, die zwischen 1999 und 2009 in einem Pool ertranken, korrelierte mit der Anzahl an Filmen, in denen Nicholas Cage mitspielte, und die in diesem Zeitraum ins Kino kamen [3]. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Nicholas Cage die Ursache für das Ertrinken in Pools ist (obwohl manche Menschen, nachdem sie einen Film mit Nicholas Cage gesehen haben, vielleicht mal kurz die Lebensfreude verlieren), dennoch stimmen die Zahlen fast vollständig überein.
Beobachtungsstudien: Alkoholkonsum und Sterberaten
Beobachtungsstudien sind Studien, bei denen Gruppen von Menschen beobachtet werden. Man kann vergleichen, wie sich die Gesundheit von Personen entwickelt, die eine Behandlung erhalten oder einem Risikofaktor ausgesetzt sind und jenen, die diesen Faktoren nicht ausgesetzt sind. Beobachtungstudien können einen starken Hinweis auf eine Assoziation zwischen Faktoren bieten. Dennoch können sie nicht mit absoluter Sicherheit für einen Nachweis verwendet werden, dass die untersuchten Faktoren in einem kausalen Zusammenhang zueinander stehen. Denn eventuell wurden unbekannte Variablen nicht berücksichtigt, die das Ergebnis beeinflussen könnten.
1997 wurde im New England Journal of Medicine [4] eine sehr umfassende Bevölkerungsstudie veröffentlicht, die (neben anderen Variablen) den Alkoholkonsum und die Sterberaten betrachtete. Sie zeigte sehr deutlich, dass das Trinken geringer Mengen alkoholischer Getränke (1-2 Gläser pro Tag) mit einem Rückgang der Sterberate insgesamt, insbesondere der Sterberate aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, assoziiert wurde, und dies sogar im Vergleich zu Personen, die überhaupt nicht tranken.
Zweifellos besteht hier eine Assoziation, jedoch kann man nicht mit Sicherheit sagen, dass der Alkoholkonsum an sich eine gesteigerte Lebenserwartung verursachte. Denn es könnten auch andere Faktoren, die den Unterschied erklären, eine Rolle spielen. Was wäre beispielsweise, wenn Personen, die sich ein Gläschen pro Tag gönnen, einfach entspannter sind? Es besteht eine Assoziation zwischen Stress und einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das Ergebnis könnte also hierdurch bedingt sein. Eine weitere mögliche Erklärung wäre, dass Personen, die nur in Maßen Alkohol trinken, dies in Gesellschaft tun, mehr soziale Kontakte haben, und sich dieser Sachverhalt positiv auf die Lebenserwartung auswirkt – man weiß, dass Einsamkeit mit einer kürzeren Lebenserwartung einhergehen kann [5].
Beispiel 2: Rauchen und Krebs
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war es nur sehr schwer festzustellen, ob Zigaretten gesundheitliche Probleme verursachten. Tabakhersteller, bei denen Interessenkonflikte bestanden, machten sich für die Idee stark, dass die Zunahme von Lungenkrebserkrankungen in dieser Zeit auf die zunehmende Asphaltierung von Straßen und Luftverschmutzung zurückzuführen ist.
Einer der ersten, der einen Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs herstellte, war Sir Richard Doll (tatsächlich war der Deutsche Fritz Lickint wahrscheinlich der erste. Seine Ideen haben die Nationalsozialisten für sich beansprucht.) Sir Doll stellte Patienten mit Lungenkrebs viele Fragen zu ihrem Leben, darunter auch zu ihrem Tabakkonsum. Erstaunlicherweise war die größte Assoziation, die er feststellte, die zwischen Lungenkrebszahlen und Tabakkonsum. Diese Assoziation konnte wiederholt nachgewiesen werden, selbst bei der Untersuchung unterschiedlicher Personengruppen mit unterschiedlichen Hintergründen, darunter auch Ärzte. Im Laufe der Zeit zeigten immer mehr Studien eine solche Assoziation, und die Gesamtevidenz ergab starke Hinweise darauf, dass Lungenkrebs ursächlich mit Tabak in Zusammenhang stand. In Tierstudien wurde nachgewiesen, dass „Tabaksaft“ die Krebszahlen bei Ratten anstiegen ließ. Zellstudien ergaben, dass Zigarettenrauch die feinen Haarzellen in unseren Luftröhren „abtötet“, und so Schadstoffe in die Lunge eindringen können. Mehr und mehr Daten aus Beobachtungsstudien setzten die Regierung zunehmend unter Druck, sodass sie schließlich die Empfehlung herausgab, mit dem Rauchen aufzuhören.
Dies ist ein Beispiel dafür, wie ein Zusammenhang in verschiedenen Bevölkerungsgruppen sehr eng korreliert und reproduzierbar ist, und schließlich hinreichende Evidenz vorliegt, um Maßnahmen zu ergreifen. Dennoch kommt so etwas sehr selten vor, und Probleme entstehen dann, wenn Assoziationen fälschlicherweise als kausale Zusammenhänge dargestellt werden.
Eine randomisierte, kontrollierte Studie ist die beste Methode, einen definitiven Zusammenhang nachzuweisen, insbesondere bei Arzneimitteln oder anderer Maßnahmen.
Prüfung auf einen kausalen Zusammenhang in einer randomisierten kontrollierten Studie (RCT)
Eine randomisierte kontrollierte Studie ist eine Studie, bei der Personen rein zufällig auf verschiedene Gruppen aufgeteilt werden. Jede Gruppe erhält dann eine Intervention bzw. eine Vergleichsintervention und anschließend werden die Gesundheitsergebnisse in den Gruppen betrachtet. Hierbei werden die Gruppen so ausgewählt, dass Störfaktoren möglichst keinen Einfluss auf das Ergebnis haben.
Nehmen wir einmal an, Faktor 1 ist eine Behandlung, und Faktor 2 ist die Anzahl an Personen, die unter einem bestimmten Symptom leiden. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Gruppen ist, ob die Teilnehmer die Behandlung (Faktor 1) erhalten oder nicht. Idealerweise stimmen die Gruppen in allen weiteren Punkten vollkommen überein: ihrem Alter, ihrem Geschlecht, ihrer Ethnizität, ihrem langfristigen Gesundheitszustand, ihrer Ernährung, der Zeit, zu der sie aufstehen, ihren persönlichen Beziehungen, einfach in allem (das kann man durch Randomisierung – also die rein zufällige Verteilung der Studienteilnehmer auf die Gruppen erreichen). Dadurch wüssten wir, dass jede Veränderung bei Faktor 2, d.h. jede Veränderung bei ihren Symptomen, nur durch die Wirkung von Faktor 1 herbeigeführt werden könnte, nicht durch irgendeinen anderen Faktor, dessen Wirkung die Ergebnisse derart beeinflussen könnte, wie wir es eben nicht wollen.
Aber wir leben nun einmal nicht in einer idealen Welt. Wir leben in einer Welt, in der jeder anders ist, und es unmöglich ist, mit absoluter Sicherheit festzustellen, dass kein weiterer äußerer Faktor eine Veränderung in Faktor 2 verursacht. Um dieses Problem aus dem Weg zu schaffen, müssen wir sicherstellen, dass sich die Personen in jeder Gruppe so ähnlich wie möglich sind, sodass die vielen Unterschiede zwischen den Personen gleich verteilt sind – und sich so gegenseitig aufheben. Dann versuchen wir, die Wirkung äußerer Faktoren zu minimieren, indem wir sicherstellen, dass der einzige Unterschied zwischen den Gruppen in der Zuordnung zur Intervention oder Vergleichsintervention liegt.
Indem wir sämtliche Faktoren außer der Variablen, die wir untersuchen möchten, kontrollieren, können wir mit entsprechender Sicherheit sagen, dass tatsächlich ein kausaler Zusammenhang zwischen den beiden Faktoren besteht.
Daher seien Sie vorsichtig mit Behauptungen, dass ein Ergebnis von einer Behandlung verursacht wird…
Misstrauen Sie stets einem Artikel, der besagt, dass eine Behandlung oder ein Lifestyle-Faktor mit besseren Ergebnissen verbunden ist. Die Personen, die eine Behandlung wünschen oder erhalten, sind vielleicht gesünder und haben bessere Lebensbedingungen, als diejenigen, die nicht behandelt werden. Daher sieht es vielleicht nur so aus, dass die Personen, die die Behandlung erhalten, hiervon einen Nutzen haben. Tatsächlich könnte der Unterschied zwischen den Ergebnissen jedoch nur dadurch bedingt sein, dass sie gesünder sind und bessere Lebensbedingungen haben. Es gibt Dutzende von Möglichkeiten, wie äußere Faktoren experimentelle Ergebnisse beeinflussen können, selbst bei einer klinischen Studie.
Die Unterscheidung von kausalem Zusammenhang und Assoziation ist schwierig. Man muss schon sehr mutig sein, um zu behaupten, dass man definitiv belegen kann, dass ein Faktor einen anderen bedingt. Was Sie hieraus lernen sollten ist: eine gesunde Dosis Skepsis. Wenn Sie auf jemanden treffen, der behauptet, dass eine bedingt das andere, gehen Sie erst einmal davon aus, dass er Unrecht hat, bevor Sie vom Gegenteil überzeugt werden.
Fragen Sie sich: Liegt ein statistischer oder ein kausaler Zusammenhang vor? Wie wurde dieser untersucht? Handelte es sich bei der Studie um eine RCT? Wie wurde gewährleistet, dass alle weiteren Variablen gleichmäßig verteilt waren?
Wenn es um eine Behandlung geht, denken Sie daran: Auch wenn eine Studie eine Assoziation zwischen der Behandlung und dem Ergebnis herstellen kann, muss die Behandlung noch lange nicht die Ursache sein.
Text: John Castle
Übersetzt von: Brita Fiess
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