Der Beckenboden besteht aus Muskeln und Bindegewebe und stabilisiert die Organe im Becken. Ein geschwächter Beckenboden kann sich durch ungewollten Harnverlust bemerkbar machen. Dann hilft ein Beckenbodentraining, bei dem die Beckenbodenmuskulatur im Inneren des Körpers gezielt wahrgenommen und gekräftigt wird. Welche der zahlreichen Formen des Beckenbodentrainings Frauen mit Inkontinenz am besten helfen, hat ein aktueller Cochrane Review erforscht.
Der Beckenboden ist eine Muskelplatte, die gemeinsam mit einer Bindegewebsschicht den Bauchraum und die Beckenorgane von unten stützt und abschließt. Ein kräftiger Beckenboden gibt den untere Bauchorganen Halt und unterstützt die Schließmuskeln der Blase und des Afters.
Bei einer Schwächung dieser Muskelplatte kann insbesondere bei Frauen ungewollt Urin abgehen, vor allem wenn Druck auf dem Bauchraum lastet, beispielsweise beim Husten oder Niesen oder beim Heben schwerer Lasten. Frauen sind von der sogenannten Belastungsinkontinenz sehr viel häufiger betroffen als Männer. Sie haben durch ihre Anatomie und durch Schwangerschaften und Geburten ein erhöhtes Risiko für einen geschwächten Beckenboden.
Auch wenn der Leidensdruck groß sein kann, sprechen viele Betroffene aus Scham nicht darüber. Hilfe ist jedoch verfügbar: Ob in Physiotherapiepraxen, bei Volkshochschulen, über Hebammen oder andere Anbieter – Beckenbodentraining wird an vielen Stellen angeboten. Dass ein gezieltes Training der Beckenbodenmuskulatur ungewollten Urinverlust reduzieren kann, ist erwiesen. Dabei lernt man, die Muskeln des Beckenbodens gezielt zu bewegen und dadurch zu kräftigen und zu stabilisieren.
Vielfältige Ansätze im Beckenbodentraining
Für das Beckenbodentraining existiert eine Vielzahl an unterschiedlichen Trainingsansätzen und Übungen. Um diese Vielfalt systematisch zu untersuchen, wurden in einem aktuellen Cochrane Review sämtliche verfügbare Studien analysiert. Ziel war es, verschiedene Übungsformen, Trainingsintensitäten und Vermittlungsmethoden miteinander zu vergleichen. Insgesamt flossen 63 Studien mit 4.920 überwiegend mittelalten Frauen in die Analyse ein. Die meisten Teilnehmerinnen waren mehrfach schwanger gewesen und litten infolge einer geschwächten Beckenbodenmuskulatur unter Stress- und/oder Dranginkontinenz. Die Studiendauer betrug in den meisten Fällen drei Monate. Fragebögen, die unter anderem die Häufigkeit und das Ausmaß des unwillkürlichen Urinverlusts sowie die dadurch bedingten Einschränkungen im Alltag erfassten, dienten dazu, die Wirksamkeit der Trainingsprogramme zu ermitteln.
Für einige Ansätze und Übungen gibt es nicht genug Daten, um ihre Wirksamkeit miteinander zu vergleichen. Zum Beispiel lässt sich bislang nicht eindeutig feststellen, ob ein Beckenbodentraining mit maximaler Anspannung der Beckenbodenmuskulatur wirksamer ist als ein Training mit weniger intensiven Kontraktionen. Ebenso ist unklar, ob Beckenbodenübungen mit einem Widerstandsgerät (z.B. einem Vaginalkonus) bessere Ergebnisse liefern als Training ohne derartige Hilfsmittel. Auch die Frage, ob das Training im Sitzen oder im Liegen effektiver ist, bleibt offen. Das liegt daran, dass es für viele Fragen nur eine Studie oder mehrere sehr kleine Studien mit widersprüchlichen Ergebnissen gab.
Einige praxisrelevante Aussagen zu Anleitung, Übungsform und Intensität des Beckenbodentrainings lassen sich jedoch aus dem Cochrane Review ableiten.
Beckenbodentraining in der Gruppe ebenso wirksam wie Individualtraining
Ob die Anleitung für das Beckenbodentraining in Einzelbetreuung oder in der Gruppe erfolgt, hat offenbar keinen wesentlichen Einfluss auf die Wirksamkeit. Die Anzahl der Inkontinenzepisoden pro Tag unterschied sich nicht signifikant zwischen individuell betreutem Training und Gruppenkursen (basierend auf 5 Studien mit 544 Frauen). Hat man die Übungen gelernt, lassen sie sich auch gut zu Hause machen.
Bei der Vermittlung über Schulungsmaterialien zeigen digitale Medien möglicherweise Vorteile gegenüber rein schriftlichen Anleitungen. Apps oder Online-Programme könnten etwas wirksamer sein als klassische Broschüren oder Handouts (basierend auf 3 Studien mit 328 Frauen).
Es muss kein reines Beckenbodentraining sein
Ein Training, das zusätzlich andere Muskelgruppen wie Gesäß, Rücken und Oberschenkel einbezieht und dabei gezielt die Beckenbodenmuskulatur aktiviert, kann die Lebensqualität im Zusammenhang mit Inkontinenz möglicherweise etwas deutlicher verbessern als reines Beckenbodentraining (8 Studien mit 356 Frauen). Eine typische Übung dafür ist die „Brücke“: In Rückenlage werden die Beine aufgestellt und das Becken angehoben, bis eine gerade Linie von Schultern bis Knien entsteht.
Im Vergleich dazu verbessern indirekte Trainingsformen – etwa Yoga oder Pilates, bei denen der Beckenboden nur beiläufig angespannt wird – die inkontinenzbezogene Lebensqualität offenbar weniger wirksam (4 Studien mit 170 Frauen).
Trainingsfleiß scheint sich auszuzahlen
Ergebnisse einer Studie mit 68 Frauen deuten darauf hin, dass sich regelmäßiges Training auszahlt: Frauen, die das Training täglich in ihren Tagesablauf einbauten, profitierten in dieser Studie stärker als jene mit nur drei Trainingstagen pro Woche. Zur Frage der optimalen Trainingshäufigkeit und -intensität fehlen jedoch noch Studien.
Fazit
Egal ob im Einzel- oder Gruppentraining – wie man Beckenbodentraining erlernt, beeinflusst die Wirksamkeit nicht. Die Wahl zwischen Einzel- oder Gruppentraining kann also ganz nach persönlicher Vorliebe erfolgen. Wichtig ist, dass der Beckenboden aktiv in die Übungen einbezogen wird. Es muss jedoch kein reines Beckenbodentraining sein – auch andere Muskelgruppen dürfen mittrainiert werden.

Text: Dr. Birgit Schindler
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