Bei älteren Menschen mit Bluthochdruck werden die Behandlungsziele oft nicht so streng angesetzt wie bei jüngeren. Entscheidende Faktoren sind dabei Alter, gesundheitlicher Zustand und die zu erwartende Lebensdauer. Von einer Einstellung des Blutdrucks auf Zielwerte unter 140/90 mmHg profitieren aber auch über 65-Jährige, so das Ergebnis eines aktualisierten Cochrane Reviews.
Balance zwischen Nutzen und unerwünschten Wirkungen
Ein dauerhaft erhöhter Blutdruck steigert das Risiko für Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Nierenschäden. Kontrovers diskutiert wird jedoch seit Jahren, wie stark der Blutdruck gesenkt werden sollte. Denn blutdrucksenkende Medikamente haben auch Nebenwirkungen – und ihr Nutzen ist nicht für alle Menschen gleich, sondern hängt vom persönlichen Risiko für Folgeerkrankungen ab.
Bei jüngeren Menschen spielt die Vermeidung der Langzeitschäden von Bluthochdruck eine besonders große Rolle. Mit zunehmendem Alter können hingegen unerwünschte Wirkungen der blutdrucksenkenden Medikamente wie Schwindel (und ein damit verbundenes erhöhtes Sturzrisiko) schwerer ins Gewicht fallen. Zudem sind Ältere oft auf eine Vielzahl von Medikamenten angewiesen. Eine intensivierte Hochdrucktherapie kann die medikamentöse Belastung erhöhen und das Risiko von Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Arzneimitteln steigern.
Wissenschaftliche Evidenzlage zu einem niedrigeren Blutdruckziel
Ein aktualisierter Cochrane Review sichtete alle Studien, die eine Behandlung bei über 65-Jährigen mit Bluthochdruck mit einem weniger intensiven Ziel (im Bereich von unter 150 bis 160 mmHg systolisch bzw. 95 bis 105 mmHg diastolisch) mit einem herkömmlichen Blutdruckziel (unter 140/90 mmHg) verglichen. Das Autorenteam fand vier Studien, an denen 16 732 Menschen über 65 Jahren über einen Zeitraum von knapp drei Jahren teilgenommen hatten.
Das niedrigere Blutdruckziel verhinderte Schlaganfälle effektiver. Dieses Ergebnis gilt als sicher. Wahrscheinlich senkt das niedrigere Blutdruckziel auch das Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Ereignisse insgesamt. Dazu zählen neben Schlaganfällen auch verschiedene Herz- und Gefäßerkrankungen sowie Nierenschäden. Konkret: Wenn 1000 Personen fast drei Jahre lang behandelt werden, erleiden voraussichtlich 39 von ihnen ein schwerwiegendes Herz-Kreislauf-Ereignis, wenn ihr Blutdruck streng gesenkt wird – gegenüber 48 Personen, deren Blutdruckziele weniger streng waren.
Zur Sterblichkeit bisher keine klare Antwort
Unklar bleibt die Auswirkung auf die Sterblichkeit. Die bisherigen Daten lassen nicht den Schluss zu, dass das niedrigere Blutdruckziel, das Risiko zu sterben, senkt. Sicher auszuschließen ist das aber derzeit auch nicht. Gleichzeitig scheint die Wahl des angestrebten Blutdruckziels keinen wesentlichen Einfluss darauf zu haben, ob die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen abgebrochen wird.
Eine wichtige Einschränkung ist, dass sich die Evidenz zwar auf ältere Erwachsene ab 65 Jahren bezieht, drei der vier Studien jedoch Menschen ab 80 bzw. 85 Jahren ausschlossen. Es bleibt also unklar, welche Wirkungen niedrigere Blutdruckziele bei sehr alten oder gebrechlichen Menschen haben.
Niedrigere Blutdruckeinstellungen sind förderlich
Fazit: Auch Menschen ab 65 Jahre profitieren von einer Blutdruckeinstellung auf Werte unter 140/90 mmHg. Sie senkt bei ihnen nachweislich das Schlaganfallrisiko. Es fehlen aber noch Daten für Menschen ab 80 Jahre. Für den optimalen Zielblutdruck spielen neben dem Alter auch andere individuelle Voraussetzungen wie Lebenserwartung, Gebrechlichkeit, Verträglichkeit der blutdrucksenkenden Medikamente oder Belastung durch Polymedikation eine wichtige Rolle. Es bleibt also eine individuelle Entscheidung, wie „gut“ der Blutdruck eingestellt werden soll.

Text: Dr. Birgit Schindler
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