Eine ältere Person steht in einer Küche und hält eine durchsichtige Medikamentenflasche mit verschiedenen Tabletten in den Händen. Auf der Arbeitsfläche und im Hintergrund sind weitere Medikamentenbehälter zu sehen.

Sichere Anwendung von Arzneimitteln bei älteren Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen

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Ältere Menschen mit Demenz oder anderen kognitiven Beeinträchtigungen kämpfen nicht selten damit, ihre Arzneimittel korrekt zu nehmen – sei es, weil die Erinnerung fehlt oder die regelmäßige Einnahme oder Anwendung schlicht überfordert. Häufig springen dann pflegende Angehörige ein, um den Überblick zu behalten und bei der sicheren Anwendung von Arzneimitteln zu unterstützen.

Was können alle Beteiligten tun, um die Arzneimitteltherapie für diese besonders gefährdete Gruppe älterer Menschen mit kognitiven Einschränkungen sicher und alltagstauglich zu gestalten? Genau an dieser Fragestellung setzt das vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Projekt „AMäP“ am Uniklinikum Heidelberg an – ausgeschrieben: Arzneimitteltherapiesicherheits-Maßnahmen bei älteren Patient*innen mit kognitiven Beeinträchtigungen.

Beteiligung von Betroffenen an der Evidenzsynthese zur sicheren Anwendung von Arzneimitteln

Ziel des Projekts ist es durch systematische Recherchen herauszufinden, welche Maßnahmen eine sichere Anwendung von Arzneimitteln bei Menschen mit Demenz oder anderen kognitiven Beeinträchtigungen tatsächlich verbessern können – und zwar ganz konkret im Alltag. Denn obwohl es zahlreiche Empfehlungen für eine sichere Anwendung von Arzneimitteln gibt, weiß bislang niemand so genau, welche davon für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen auch wirklich praktikabel und effektiv sind.

Was AMäP besonders macht: Die Perspektiven von Betroffenen und Angehörigen werden von Anfang an aktiv einbezogen. So entsteht eine möglichst realitätsnahe Einschätzung: Was hilft wirklich? Was lässt sich umsetzen? Und wo liegen bislang übersehene Potenziale?

Ein Interview mit Theresa Terstegen

Theresa Terstegen ist Apothekerin und koordiniert als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Uniklinikum Heidelberg das AMäP-Projekt.

Birgit Schindler: Ältere Menschen mit kognitiven Einschränkungen müssen oft mehrere Medikamente gleichzeitig einnehmen. Daher ist eine sichere Anwendung von Arzneimitteln bei ihnen besonders herausfordernd. Wie sieht die Beteiligung der Betroffenen im AMäP-Projekt konkret aus?

Theresa Terstegen: Die Betroffenenbeteiligung findet in Form einer Fokusgruppe statt, die sich zu mehreren Zeitpunkten im Verlauf des Projektes immer wieder trifft. Die Gruppe besteht aus pflegenden Angehörigen sowie Pflegefachkräften. Außerdem gibt es noch einen interdisziplinären Projektbeirat, an dem auch Cochrane Deutschland beteiligt ist. Dieser setzt sich zum einen aus Fachkräften der Heilberufe mit Schwerpunkt in Altersmedizin und Demenz (Ärzt*innen, Apotheker*innen und Pflegefachkräften) zusammen. Zum anderen gehören dem Beirat Expert*innen mit methodischer Kompetenz in systematischer Literaturrecherche und der Erstellung von Übersichtsarbeiten an.

Birgit Schindler: Wie entstand der Kontakt zu den Betroffenen?

Theresa Terstegen: Hierfür haben wir zunächst auf unser bestehendes Kooperationsnetzwerk aus Fachgesellschaften und verwandten Organisationen zurückgegriffen. Zusätzlich haben wir aber auch die „klassischen“ Rekrutierungswege wie Zeitungsannoncen oder Informationsveranstaltungen genutzt.

Birgit Schindler: Wie liefen die Treffen mit den Betroffenen ab?

Theresa Terstegen: Beim ersten Treffen haben wir zunächst das Projekt und seine Ziele vorgestellt. Wir wollten sicherstellen, dass wir die Zielgruppe, also ältere Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, ausreichend in unserer Strategie für die Literatursuche abbilden. Das bedeutet, dass alle relevanten Eigenschaften vorkommen müssen, ohne jedoch die Suche zu breit zu gestalten. Ähnlich war es bei den Maßnahmen für eine sichere Anwendung von Arzneimitteln. Es ist uns besonders wichtig, keine relevante Maßnahme oder Herausforderung zu vergessen – dazu braucht es einfach die Betroffenensicht. Wir haben also gemeinsam relevante Schlagwörter für die Suchstrategie unseres Reviews gesucht. So wurden z. B. noch “information need“ (= Informationsbedarf) oder „access to treatment“ (= Zugang zu Behandlungen) identifiziert und in die Suche aufgenommen.

Zum Ende des Projekts möchten wir die in den Studien untersuchten Maßnahmen für eine sichere Anwendung von Arzneimitteln aus Sicht der Betroffenen erneut kritisch prüfen lassen. Dabei soll erfragt werden, ob diese Maßnahmen aus ihrer Perspektive tatsächlich relevante Herausforderungen adressieren. An welchen Stellen im Alltag fehlen noch wirksame Maßnahmen für eine sichere Anwendung von Arzneimitteln? Sind die in den Studien beschriebenen Ansätze aus Sicht der Betroffenen überhaupt alltagstauglich?

Birgit Schindler: Worum ging es bei den Treffen des interdisziplinären Projektbeirats?

Theresa Terstegen: Ähnlich wie in der ersten Fokusgruppendiskussion wurde auch im ersten Treffen des Projektbeirats die entwickelte Suchstrategie eingehend besprochen und optimiert. Alle relevanten Schlagwörter im Zusammenhang mit unserer Zielgruppe sowie den Maßnahmen für eine sichere Anwendung von Arzneimitteln sollten erfasst werden. Das beinhaltete zum Beispiel weitere, bisher noch nicht berücksichtigte Demenzformen und Herausforderungen auf der Seite der Heilberufler*innen. Das haben wir ergänzt.

Im zweiten Treffen haben wir erste Ergebnisse unseres Literatur-Screenings vorgestellt. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir uns bereits über 10.000 Abstracts von Studien angeschaut. Mit fortschreitender Recherche zeigte sich immer klarer, wie vielfältig die in Studien untersuchten Maßnahmen zur sicheren Anwendung von Arzneimitteln sind.

Birgit Schindler: Gibt es darüber hinaus schon erste Erkenntnisse?

Theresa Terstegen: Die Vielzahl an Treffern bei der Literatursuche zeigt, dass das Thema intensiv beforscht wird. Wir sehen ein breites Spektrum an Maßnahmen – von Medikationsanalysen bis zu Unterstützungsangeboten für pflegende Angehörige.

Die partizipativen Elemente haben sich bisher als sehr bereichernd erwiesen. Der Einbezug von Betroffenen lenkt den Fokus auf die für die Patient*innen und ihre Pflegenden wirklich relevanten Fragestellungen. Insbesondere kurz nach der Diagnosestellung scheint ein Zeitpunkt zu sein, an dem Unterstützung und Orientierung benötigt wird.

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Das Projekt

Das vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte AMäP-Projekt wird am Universitätsklinikum Heidelberg in enger Zusammenarbeit von zwei Einrichtungen umgesetzt:
– Die Kooperationseinheit Klinische Pharmazie (Abt. für Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie) übernimmt die Projektleitung und bringt ihre Expertise in den Bereichen Arzneimitteltherapiesicherheit sowie interprofessionelle Zusammenarbeit ein.
– Das Geriatrische Zentrum widmet sich vorrangig der praxisnahen Forschung zur Optimierung der medizinischen Versorgung älterer Patient*innen im Klinikalltag.


Theresa Terstegen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kooperationseinheit Klinische Pharmazie der Abteilung für Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie am Universitätsklinikum Heidelberg und koordiniert das Projekt.


Text: Dr. Birgit Schindler



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