Wer in die Medien kommen will, braucht eine gute Geschichte; das gilt auch für wissenschaftliche Studien. Das Problem: Die Geschichte ist wichtiger als die Beweise.
Manche Themen gehen immer: Rauchen, Ernährung, Kinder. Mit neuen Studien zu diesen Themen schafft man es höchst wahrscheinlich in die Medien. Das gilt natürlich auch für Cochrane Reviews, wie in den Kommunikations-Workshops beim Cochrane Colloquium in Wien besprochen wurde.
Mit dieser Tatsache lässt sich arbeiten: Am meisten medialen Wiederhall fanden 2015 bisher die Arbeiten über Portionsgrößen und über Rauchentwöhnung mit Hilfe von e-Zigaretten. Die Kommunikationsleute von Cochrane hatten im Bewusstsein der zu erwartende Aufmerksamkeit eine jeweils zum Thema passende Medienstrategie geplant und umgesetzt; darunter Pressekonferenzen mit Experten zum Thema, Radio- und Fernsehinterviews frühzeitig vermittelt und natürlich hilfreiche Unterlagen vorbereitet.
Die Cochrane-spezifische Gefahr
Das ist nichts anderes als professionelle Medienarbeit. Doch ausgerechnet für Cochrane besteht in guten Geschichten auch eine Gefahr: Den Medien ist die Geschichte oft wichtiger als die Beweislage. Diese aufzuarbeiten und klar darzustellen ist jedoch die Kernkompetenz von Cochrane.
Ob eine Studie den Weg in die Medien findet, hängt leider nicht von ihrer Qualität ab, sondern von ihrer Geschichte. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele: Die Seralini-Studie mit dem krebserregenden Genmais ging um die Welt, obwohl sie so schlecht war, dass sie zurückgezogen werden musste. Eine Studie darüber, dass der BH gesundheitsgefährdend sei, wurde ebenfalls international diskutiert, obwohl die Studie noch gar nicht veröffentlich war.
Auch die Medientauglichkeit eines Cochrane-Reviews hängt nicht oder nicht nur von seinem Ergebnis ab. Es ist nicht entscheidend, wie viele Studien eingeschlossen wurden und wie zuverlässig das Ergebnis ist, so lange es eine gute Geschichte ergibt und das Thema viele Menschen berührt. Ist das Thema nicht medientauglich, ist die beste Beweislage uninteressant.
So ist die Beweislage beispielsweise bei der Rauchentwöhnung mit e-Zigaretten nur schwach; es ist eine ziemliche Herausforderung für Redakteure dafür zu sorgen, dass sich diese Tatsache auch in einem Medienbericht widerspiegelt.
Cochrane erzählt Geschichten
Cochrane hat sich zum Ziel gesetzt, viele Menschen mit klaren, unabhängigen Informationen zu erreichen, um informierte Entscheidungen zu unterstützen. Medienpräsenz ist dafür notwendig. Also professionalisieren wir unsere Medienarbeit, treten als Blogger auf und berichten von Erfolgsgeschichten, in denen gut aufgearbeitete Evidenz etwas bewirkt hat. Das klappt ganz gut, die Medienpräsenz steigt und die sozialen Netzwerke erreichen eine nennenswerte Reichweite, vor allem im englischsprachigen Raum.
Aber gerade Cochrane hat die Verantwortung, sich nicht zu sehr von den vermeintlich guten Geschichten verführen zu lassen – und wenn doch den Kompromiss zwischen komplexen Inhalten und einfacher Kernbotschaft zu schaffen.