Durchfall: Schneller wieder gesund mit Probiotika?

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Probiotika gelten als einfache Mittel, um der Darmgesundheit auf die Sprünge zu helfen. Zur Wirksamkeit von Probiotika bei infektiösem Durchfall gibt es sogar viele Studien. Doch Verzerrungsrisiko und mangelnde Standardisierung machen es schwierig, den wahren Effekt abzuschätzen.

Infektiöse Durchfallerkrankungen sind häufig. Erwachsene erwischt es ungefähr ein Mal pro Jahr, Kinder noch öfter. Auslöser von akutem Durchfall sind weltweit rund 20 verschiedene Parasiten, Viren und Bakterien, darunter Noroviren, Rotaviren, Salmonellen und Kolibakterien. Die typischen Beschwerden einer Darminfektion, also ungewöhnlich häufiger und wässriger Stuhlgang, gehen üblicherweise innerhalb weniger Tage von selbst wieder zurück.

Manchmal muss man handeln

Akute Durchfälle können aber auch zu einem hohen Verlust von Wasser, Salzen (Elektrolyte) und Nährstoffen führen. Dies ist vor allem für kleine Kinder, Ältere und geschwächte Menschen gefährlich und macht eine rasche ärztliche Behandlung notwendig.

Therapien gegen Durchfall haben zum Ziel, der Austrocknung (Dehydrierung) entgegenzuwirken, die Erholung zu beschleunigen und auch die Zeit zu verkürzen, in der ein Betroffener ansteckend ist. Als Therapie kommen beispielsweise Rehydrierungslösungen in Frage, um verlorene Flüssigkeit und Elektrolyte zu ersetzen. Sie finden sich auch auf der Liste der „unentbehrlichen Arzneimittel“ der Weltgesundheitsorgansation WHO.

Theoretisch wirksam

Auch Probiotika sollen dabei helfen, Durchfall rascher zu überwinden. Probiotika sind spezielle Mikroorganismen wie Milchsäurebakterien, Bifidobakterien und Hefen, die natürlicherweise den Darm besiedeln. Man kann sie aber auch als sogenannte Probiotika kaufen, etwa in Kapsel- und Pulverform oder in speziellen Lebensmitteln wie Joghurts. Beworben werden sie mit diversen Versprechen, Stichwort „gesunde Darmflora“.

Die Mikroben aus den Probiotika sollen, so die theoretische Hoffnung, Konkurrenz für die durchfallauslösenden Krankheitserreger sein und diese aus dem Darm verdrängen. Ihre Einnahme könnte zudem die Immunantwort verbessern und Entzündungen hemmen.

Systematische Suche nach Belegen

Funktioniert das aber auch im wahren Leben und sind Probiotika wirklich eine Hilfe bei Durchfallerkrankungen? Dieser Frage ging ein internationales Forschungsteam im Rahmen eines Cochrane-Reviews nach. Sie suchten dafür nach Evidenz, ob sich die Beschwerden durch Einnahme von Probiotika tatsächlich schneller bessern. Die sieben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollten auch wissen, wie sicher die Einnahme von Probiotika ist und ob sie das Risiko bzw. Dauer eines Spitalsaufenthaltes verringern, wie er in schweren Fällen notwendig werden kann.

Im Dezember 2019 durchsuchten sie dafür Literaturdatenbanken und andere Quellen umfassend nach Studien zu diesem Thema. Nach genauer Bewertung blieben 82 aussagekräftige Studien übrig, veröffentlicht zwischen 1981 und 2019. Ziel war es, möglichst viele dieser Studien zu poolen, sie also auch statistisch zusammenzufassen, um einen aussagekräftigen Gesamteffekt zu erhalten.

Die Studien im Detail

  • Die Studien enthielten die Daten von 11.526 Kindern und 412 Erwachsenen sowie 189 Personen ohne Altersangabe. Alle hatten zu Studienbeginn akuten infektiösen Durchfall.
  • Zwischen den Studien gab es viele Unterschiede, zum Beispiel in Bezug auf das Alter der Teilnehmenden, Krankheitserreger, Art des Probiotikums oder die Schwere der Erkrankung. Auch die geografischen Regionen variierten, einige Studien wurden auch in Niedrigeinkommensländern mit hoher Kindersterblichkeit durchgeführt.
  • Alle Teilnehmenden wurden nach dem Zufallsprinzip (randomisiert) Probiotika- und Kontrollgruppen zugeordnet. Sie erhielten also entweder Probiotika, meist Milchsäurebakterien und Bifidobakterien. Oder sie bekamen ein Placebomittel bzw. gar keine Behandlung. In manchen Studien gab es für beide Gruppen noch eine zusätzliche Therapie wie Antibiotika oder Zink.

Wahrscheinlich keine Verkürzung

Obwohl die Autor*innen viele Einzelstudien über Probiotika bei akutem infektiösem Durchfall finden konnten, war die Vertrauenswürdigkeit in die Ergebnisse eingeschränkt. So war beispielsweise oft unklar, ob die Zuteilung zu den Gruppen wirklich streng nach Zufall erfolgt war. Oder das Studienpersonal war nicht verblindet, wusste also, welche Patient*innen in der Studie Probiotika erhielten oder „nur “ in der Vergleichsgruppe waren. Dies könnte zu Verzerrungen geführt haben. Das Autorenteam entschied sich deshalb, nur die aussagekräftigsten Studienergebnisse in die Hauptanalyse einfließen zu lassen. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Analyse sind:

  • Laut zwei gut gemachten Studien mit 1170 Kindern dauert eine Durchfallserkrankung mit Placebo bei ungefähr 54% der Betroffenen mindestens 48 Stunden.
  • Mit Probiotikum dauert der Durchfall bei etwa 49% bis 58% der Betroffenen mindestens 48 Stunden.

Demnach hat das Probiotikum offenbar keinen deutlichen Einfluss auf das Abklingen der Erkrankung bei Kindern. Diese Einschätzung gilt als ziemlich gut abgesichert, die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz liegt im mittleren Bereich (GRADE -Bewertung: „moderat“). Einschränkungen der Aussagekraft gibt es unter anderem, weil die Studien nur in Ländern mit hohen Einkommen (Kanada, USA) durchgeführt wurden und nur zwei verschiedene Probiotika gegen Durchfall zum Einsatz kamen. Daher ist beim Verallgemeinern eine gewisse Vorsicht geboten.

Viele Daten, wenig Klarheit

Trotz der vielen Daten ließen sich die zahlreichen weiteren Studien, die teils auch Qualitätsmängel hatten, aufgrund der großen Unterschiede kaum sinnvoll miteinander vergleichen. Daher war es nicht möglich, solide Einschätzungen zu treffen zum Einfluss von Probiotika auf:

  • die gesamte Krankheitsdauer
  • Risiko und Dauer eines eventuellen Krankenhausaufenthaltes
  • das Anhalten von länger andauernden Durchfällen (14 Tage und mehr)

Über Nebenwirkungen berichteten nur wenige Studien – demnach dürften Probiotika sicher in der Anwendung sein. Allerdings ist auch diese Einschätzung nur als vorläufig zu betrachten.

Studien in Schublade verschwunden?

Darüber hinaus ergaben sich Hinweise darauf, dass die Publikationslandschaft zum Thema lückenhaft ist. Offenbar gibt es Studien zum Thema, die zwar durchgeführt, aber nie veröffentlicht wurden. Ein Grund dafür kann sein, dass Studien mit „unerwünschten“ Ergebnissen – also solche, die Probiotika kein sonderlich gutes Zeugnis ausstellten – sozusagen in der Schublade verschwanden („Publication Bias“). Für eine verlässliche Einschätzung der Probiotika-Effekte wäre die Veröffentlichung aller Studien wertvoll, unabhängig davon, ob die berichteten Effekte eventuell im Widerspruch mit den Interessen der Studiensponsoren stehen.

Alte Schlussfolgerung überholt

Der im Dezember 2020 erschienene Cochrane-Review ist übrigens ein Update. Seine Vorversion aus dem Jahr 2010 kam noch zu einer anderen Einschätzung. Damals deuteten die Studien auf eine Krankheitsverkürzung durch Probiotika hin. Die aktuelle Studienlage veranlasste das Autorenteam jedoch, die einstigen Schlussfolgerungen zu verwerfen.

Bild Julia Harlfinger

Text: Die Autorin Julia Harlfinger ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Department für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation der Donauuniversität Krems und bei Cochrane Österreich tätig.

Quellen

Wissenschaftliche Quellen
[1] Collinson S, Deans A, Padua-Zamora A, Gregorio GV, Li C, Dans LF, Allen SJ. Probiotics for treating acute infectious diarrhoea. Cochrane Database of Systematic Reviews 2020, Issue 12. Art. No.: CD003048.
Zusammenfassung (aktuelle Version)

[2] Allen SJ, Martinez EG, Gregorio GV, Dans LF. Probiotics for treating acute infectious diarrhoea. Cochrane Database of Systematic Reviews 2010, Issue 11. Art. No.: CD003048.
Zusammenfassung (alte Version von 2010)

Weitere Quellen
[3] UpToDate: Approach to the adult with acute diarrhea in resource-rich settings (kostenpflichtig, abgerufen am 22.9.2021)

[4] UpToDate: Approach to the child with acute diarrhea in resource-limited countries (kostenpflichtig, abgerufen am 22.9.2021)

[5] Dynamed: Probiotics (kostenpflichtig, abgerufen am 22.9.2021)

[6] Gesundheitsinformation.de: Durchfall (abgerufen am 22.9.2021)

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