Etwa 90 Prozent der Erwachsenen in Deutschland haben Veränderungen an den Beinvenen, weniger als ein Drittel sind deswegen in Behandlung. Von einer tiefen Venenthrombose (TVT) sind ungefähr 0,1 Prozent der Allgemeinbevölkerung betroffen, wobei die Häufigkeit in Abhängigkeit von Alter, ethnischer Herkunft und zahlreichen Risikofaktoren stark schwanken kann.
Eigentlich ist die Entstehung eines Blutgerinnsels (Thrombus) ein Schutzmechanismus des Körpers. Die Blutgerinnung schützt den Organismus etwa nach einer Verletzung vor dem Verbluten, indem das Gerinnungssystem die Wunde verschließt. In den Blutgefäßen dagegen soll das Blut jedoch gut strömen und nicht verklumpen. Entsteht dort ein Thrombus, kann das lebensgefährliche Folgen wie beispielsweise eine Lungenembolie haben. Grundsätzlich sind Thrombosen in allen Blutgefäßen möglich, sie treten jedoch in den tiefen Beinvenen am häufigsten auf.
Das Risiko einer Thrombose steigt bei erhöhter Gerinnungsfähigkeit des Blutes. Eine veränderte Zusammensetzung oder niedrigere Fließgeschwindigkeit des Blutes, aber auch Schäden an der inneren Gefäßwand können die Klümpchenbildung im Blut begünstigen. Neben Flüssigkeitsmangel, der Einnahme von Kontrazeptiva, sowie dem Rauchen ist auch mangelnde Bewegung – zum Beispiel langes Sitzen – ein bedeutender Risikofaktor für Thrombosen. Die Symptome sind meist Schmerzen und Schwellungen am Knöchel oder Unterschenkel, wobei auch Rot- oder Blaufärbungen der Haut auftreten können. Bildet sich ein Blutgerinnsel in einer tieferen Beinvene (tiefe Venenthrombose, TVT) so kann diese entweder mit oder ohne Symptome einhergehen.
Behandlung mit Medikamenten oder Kompressionstherapie
Um zu verhindern, dass ein Thrombus überhaupt entsteht oder größer wird, können Gerinnungshemmer wie Heparin eingenommen werden. Derartige Medikamente bergen allerdings das Risiko von Blutungen, was bei Verletzungen oder chirurgischen Eingriffen lebensgefährlich sein kann. Eine andere Möglichkeit der Vorbeugung sind medizinische Thromboseprophylaxe- oder Kompressionsstrümpfe. Diese sollen die Entstehung von Blutgerinnseln in den Beinen verhindern, indem verschiedene Druckstärken innerhalb des Strumpfs von außen auf verschiedene Stellen des Beins ausgeübt werden. Der vorhandene Druck nimmt wie der Gewebedruck in Richtung Knöchel zu und in Richtung des Herzens ab. Indem das Venen- und Lymphsystem durch den Druck entlastet wird, kann das Blut leichter durch die Gefäße fließen und schneller zurück zum Herzen gelangen, wodurch die Bildung von Thromben verhindert werden soll. Die Bewegung der Beine ist zusätzlich zum Thrombosestrumpf eine wichtige Maßnahme zur Prophylaxe, da die Mobilisierung bei adäquater Kompression den Stillstand des Blutes verhindert und den Rückfluss in der Vene unterstützt. Kompressionsstrümpfe wirken nur als Widerlager für Muskelbewegungen und sollten in aufrechter Haltung getragen werden. Daher sind sie bei immobilen Menschen nur eingeschränkt wirksam.
Hilft der Kompressionstrumpf bei langen Flugreisen?
Unfreiwilliges Liegen nach einer Operation oder langes Sitzen auf Fernreisen können das Risiko einer tiefen Venenthrombose erhöhen. In einem aktualisierten Cochrane-Review sollte der Trage-Effekt von Kompressionsstrümpfen auf die Entstehung einer TVT auf einem mehrstündigen Flug geprüft und bewertet werden. Es wurden elf randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 2.906 Teilnehmern in den Review eingeschlossen. In neun Studien an 2.881 Teilnehmern wurden die Auswirkungen des Tragens von druckgraduierten Kompressionsstrümpfen mit denen des Nicht-Tragens verglichen. In acht Studien nahmen Personen teil, die ein geringes bis mittleres Risiko hatten eine TVT zu entwickeln; in zwei Studien hatten die Teilnehmer es ein hohes Risiko. Alle Flüge dauerten mindestens fünf Stunden. Nach dem Flug wurden alle Passagiere behutsam untersucht, um auch solche Probleme der Blutzirkulation in den Beinen zu entdecken, die die Teilnehmer selbst nicht bemerkten.
Unterschiedliche Evidenz
Von 2.637 Probanden entwickelten 50 eine symptomlose TVT, drei davon trugen Kompressionsstrümpfe, 47 nicht. Aufgrund der hohen Qualität der Evidenz in den Studien schlossen die Autoren, dass Flugpassagiere, die auf Langstreckenflügen Kompressionsstrümpfe tragen, deutlich seltener eine symptomlose TVT entwickeln. Hingegen konnte mit moderater Qualität der Evidenz bei 16 von 1.804 Personen eine oberflächliche Venenthrombose (akute Thrombose und Entzündung der oberflächlichen Venen) festgestellt werden, von denen vier mit und 12 ohne Strümpfe unterwegs waren. Die Autoren konnten zudem einen reduzierenden Einfluss von Kompressionsstrümpfen auf die Bildung von Ödemen (Wassereinlagerungen im Zellzwischenraum des Gewebes) erkennen; dieser war jedoch basierend auf sechs Studien mit Evidenz von niedriger Qualität, von denen zwei wegen abweichender Messmethoden nicht in die statistische Auswertung miteinbezogen werden konnten. Niemand starb während der Erhebung der Daten und keiner der Passagiere bekam eine Lungenembolie oder eine TVT mit Symptomen (wie Schmerzen oder Schwellungen). Daher lässt sich die Wirkung des Tragens von Kompressionsstrümpfen auf diese gravierenden Ereignisse nicht beurteilen. Um die Ergebnisse insgesamt besser einordnen zu können, bräuchte es weitere randomisierte Studien mit einer höheren Teilnehmerzahl.
Hier geht’s zum Original Cochrane Review: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/14651858.CD004002.pub3/full
Text: Stephanie Heyl
Bildnachweis: Faisal Akram CC BY-SA 2.0