Streptokokken-Schnelltest

Streptokokken-Schnelltests bei Halsschmerzen: Es müssen nicht immer Antibiotika sein!

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Welchen Beitrag können Schnelltests auf Streptokokken leisten, um die unnötige Verschreibung von Antibiotika zu reduzieren und so dem Problem resistenter Keime zu begegnen? Ein Cochrane Review hat die Evidenz dazu unter die Lupe genommen.

Seit der Covid-19-Pandemie sind Schnelltests in aller Munde bzw. Nase. Bei den einen löst das Plastikstäbchen argwöhnische Blicke aus, andere tolerieren die Nasenrundfahrt heroisch und akzeptieren die Schnelltests als notwendiges Übel. Auch wenn die verfügbaren Corona-Antigen-Schnelltests ihre Schwächen haben: Bis heute gibt es keine echte Alternative, um ähnlich günstig und schnell einen ersten belastbaren Hinweis auf den Infektionsstatus zu bekommen.

Schnelltests gibt es auch für andere medizinische Fragestellungen. Man denke nur an Schwangerschaftstest, Urinteststreifen auf den Zuckergehalt oder Blutbestandteile sowie Drogen- oder Alkoholschnelltests. Aber auch für viele Infektionskrankheiten jenseits von Corona gibt es Antigen-Schnelltests mit dem gleichen Funktionsprinzip.

Zum Scheitern verurteilt: Antibiotika gegen Viren

Ein Klassiker aus der klinischen Praxis sind Infektionen mit Gruppe-A-Streptokokken (GAS) aus der Verwandtschaft des typischen Scharlach-Erregers Streptococcus pyogenes. Diese Bakterien dringen meist über die Schleimhäute in den Körper ein und können eine ganze Reihe von Krankheitsbildern verursachen. Typisch sind Rachenentzündungen bis hin zum Scharlach mit vereiterten Mandeln, Fieber und dem typischen Hautausschlag. Am Anfang stehen zumeist Halsschmerzen.

Streptokokken lassen sich im Prinzip wie die meisten Bakterien gut mit Antibiotika bekämpfen. Dieses schwere Geschütz sollte man allerdings nur dann auffahren, wenn man es auch wirklich mit Bakterien zu tun hat. Denn gegen Viren, die rund zwei Drittel aller Halsentzündungen verursachen, sind sie nutzlos. Auf Basis von allgemeinen Symptomen wie Halsschmerzen lässt sich aber oft nur schwer beurteilen, ob Bakterien oder Viren die Übeltäter sind.

Genau hier kann der Antigen-Schnelltest auf Streptokokken helfen. Fällt er positiv aus, lohnt sich der Einsatz bestimmter Antibiotika, bei einem negativen Test sollte man der Sache erst einmal genauer auf den Grund gehen.

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Wie funktionieren Tests auf Infektionskrankheiten?

Grundsätzlich lassen sich die verschiedenen Testsysteme in laborbasierte und Antigen-Schnelltests unterteilen. Letztere sind einfach anzuwenden und zeigen in der Regel innerhalb von Minuten „vor Ort“ ein Ergebnis. Sie basieren auf der Erkennung von bestimmten Molekülen der jeweiligen Erreger, im Fall des GAS-Schnelltests sind dies beispielsweise bestimmte Zuckermoleküle aus der Zellwand des Bakteriums.

Der bekannteste laborbasierte Test ist der PCR-Test (Polymerase-Ketten-Reaktion). Er weist typische Abschnitte in der DNA nach, also im Erbgut des Erregers. Die Auswertung dieser Tests findet in einem Labor statt und dauert einige Stunden. Ein Vorteil des PCR-Verfahrens ist neben der hohen Empfindlichkeit, dass auch die Menge des Erbguts und damit die Erregerlast bestimmt werden kann.

PoC-NAT-Tests: Neu, aber auch besser?
Recht neu sind sogenannte „Point-of-Care-Nukleinsäure-Amplifikations-Tests“ (PoC-NAT-Tests). Sie sollen innerhalb von 15 Minuten ein ähnlich genaues Ergebnis liefern können wie ein PCR-Tests im Labor. Ein systematischer Review (ausnahmsweise nicht von Cochrane) zeigt eine hohe diagnostische Genauigkeit des Testverfahrens. Die hohen Kosten (80 – 100€/Test) erschweren jedoch eine flächendeckende Einführung von PoC-NAT-Tests.

Der Kampf gegen Antibiotikaresistenzen

Der GAS-Schnelltest soll einerseits im Einzelfall mit der richtigen Therapieentscheidung helfen. Er dient auch noch einem „höheren“ Ziel: dem Kampf gegen Antibiotikaresistenzen. Gemeint ist das Phänomen, dass es weltweit immer mehr Stämme von krankheitserregenden Bakterien gibt, die nicht mehr auf gängige, früher hoch wirksame Antibiotika ansprechen. Solche Resistenzen sind in den vergangenen Jahrzehnten durch einen allzu unkritischen Umgang mit den vermeintlichen Wundermitteln befördert worden, nach dem Cowboy-Motto „Erst schießen, dann fragen“. Denn durch den ständigen Kontakt mit Antibiotika können überlebende Bakterien genetisch bedingte Resistenzen ausbilden, die sich aufgrund des evolutionären Vorteils schnell in der Population ausbreiten.

Antimikrobielle Resistenzen (AMR) sind längst eine der größten globalen Gesundheitsbedrohungen. So beziffert eine Analyse in The Lancet aus dem Jahr 2022 die Zahl von mit resistenten Erregern assoziierten Todesfälle weltweit pro Jahr auf fast fünf Millionen. Davon seien rund ein Viertel das direkte Ergebnis einer unwirksamen Behandlung. Damit zählen antimikrobielle Resistenzen zu den fünf häufigsten Todesursachen weltweit.

Ein globales Problem

Schlechte hygienische Bedingungen und eine eingeschränkte Gesundheitsversorgung machen Antibiotikaresistenzen vor allem im globalen Süden zum lebensbedrohlichen Problem. Aber auch in Deutschland sterben Schätzungen zufolge jährlich ca. 10.000 Patient*innen an Infektionen mit resistenten Erregern.

Die entscheidende Maßnahme, um Resistenzen zu vermeiden, ist ein rationaler, möglichst sparsamer Umgang mit Antibiotika. Dazu gehört, Antibiotika nicht einzusetzen, wenn sie ohnehin nutzlos sind, als etwa im Falle von viral bedingten Halsentzündungen. Eben hierbei können verschiedene Hilfsmittel als Entscheidungshilfe dienen.

Eine Möglichkeit sind sogenannte Scoring-Systeme wie der Centor– oder der Mc-Isaac-Score bei einer Rachenentzündung, die Anhaltspunkte für die Wahrscheinlichkeit eines bakteriellen Infekts liefern. Diese Scores basieren auf Merkmalen wie Körpertemperatur, Husten oder dem Alter. Ihre diagnostische Genauigkeit ist allerdings nur mäßig.

Wesentlich präziser sind die oben angesprochenen Antigen-Schnelltest. So ergab ein Cochrane Review aus dem Jahr 2016 für GAS-Schnelltests bei Kindern eine Sensitivität von 85,6 % und eine Spezifität von 95,4 %.

In der Praxis kombiniert man oft beide Methoden: Wenn im klinischen Scoring-System ein bestimmter Grenzwert erreicht und damit die Wahrscheinlichkeit für einen bakteriellen Infekt groß genug ist, kommt ein verlässlicherer Schnelltest zum Einsatz. Dieser bedarfsorientierte Einsatz spart Tests und damit Geld.

Führen GAS-Schnelltests tatsächlich auch zu weniger Verschreibungen von Antibiotika?

Ob sich mithilfe von Schnelltest in der Praxis tatsächlich der Einsatz von Antibiotika reduzieren lässt und wie sicher die Anwendung ist, untersucht ein Cochrane Review aus dem Jahr 2020.

Zunächst suchten die Autor*innen nach Studien zur Häufigkeit von Antibiotika-Verschreibungen nach Einsatz eines GAS-Schnelltests im Vergleich zu einer rein klinischen Beurteilung mit oder ohne Score. Demnach reduziert sich die Zahl der Antibiotika-Verschreibungen durch den Einsatz von GAS-Schnelltests von 636 auf 394 pro 1000 Patient*innen (95%-Konfidenzintervall : 343 bis 445 pro 1000). Die Autor*innen schätzten die Vertrauenswürdigkeit dieses Ergebnisses nach GRADE als moderat ein. Diese statistisch signifikante Reduzierung des Risikos um rund ein Viertel könnte also durchaus erheblich dazu beitragen, unnötige Antibiotika-Verschreibungen zu reduzieren. Nur: Entspricht die Zahl von Verschreibungen überhaupt den tatsächlich eingesetzten Antibiotika? Tatsächlich gibt es hier teils deutliche Abweichungen, denn das Einlösen des Rezepts in der Apotheke geschieht in ambulanten Fällen schließlich auf eigene Verantwortung der Patient*innen.

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Kennzahlen des Reviews „Wirksamkeit und Sicherheit von Schnelltests für die Verschreibung von Antibiotika bei Halsschmerzen“

– 5 randomisiert kontrollierte Studien mit über 2500 Teilnehmenden
– Stand: Juni 2019
– Einschlusskriterium: ambulante Patient*innen mit Schmerzen im Hals- und Rachenraum
– Vertrauenswürdigkeit nach GRADE: sehr niedrig bis moderat
– Grund für GRADE-Herabstufung aller Outcomes: hohe Heterogenität der Effektschätzer
– Vergleichsgruppe: klinische Entscheidung über Antibiotikaeinsatz (mit und ohne Scores)

Das spiegelt sich auch in der Metaanalyse des Cochrane Reviews wider. Sie deutet auf eine deutlich schwächere Reduktion der tatsächlich abgegebenen Mengen um nur 7 % hin, verglichen mit 25 % Reduktion bei den Verschreibungen. Allerdings ist dieser Unterschied statistisch nicht signifikant und beruht auf Evidenz von geringer Vertrauenswürdigkeit.

Woher kommt dieser Unterschied zwischen Verschreibungs- und Abgabemenge?

Auch unabhängig von Schnelltests fällt in den Kontrollgruppen auf, dass ungefähr jedes dritte ausgestellte Rezept für ein Antibiotikum nie in der Apotheke eingelöst wird. Eine mögliche Erklärung wäre die fehlende (in diesem Fall aber auch kaum mögliche) Verblindung. Da die Studienteilnehmenden das Ziel der Studie kannten und wussten, ob Schnelltests benutzt wurden oder nicht, könnte das ihre Entscheidung beeinflusst haben. Außerdem kommen die Daten zur Antibiotika-Abgabe aus zwei kleineren Subgruppen (mit verschiedenen klinischen Scoring-Systemen) derselben Studie mit insgesamt 900 Teilnehmenden. Die Ergebnisse können also nicht ohne weiteres verallgemeinert werden. Methodiker*innen sprechen hier von einer geringen externen Validität.

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Weitere Strategien zur Reduzierung des Antibiotikaverbrauchs

Verzögerte Verschreibung: Ein jüngst aktualisierter Cochrane Review stellt eine mögliche Alternativstrategie bei Infektionen der Atemwege vor: die verzögerte Antibiotikagabe. Die Idee dahinter ist, dass Patient*innen Rezepte für Antibiotika nur dann einlösen, wenn sich die Symptomatik mit der Zeit nicht bessert oder verschlechtert. Diese Strategie wäre eine mögliche Erklärung für den Unterschied in der Verschreibungs- und Ausgabemenge (s.o.). Die Ergebnisse zeigen: im Vergleich zur sofortigen Verschreibung berichten die Studien keinen Unterschied für Gesamtzustand, Fieber und Rachenentzündung, auch die Krankheitsdauer unterscheidet sich wahrscheinlich nicht. Der Antibiotikaverbrauch geht jedoch wahrscheinlich drastisch zurück. Es spricht also wenig gegen, aber einiges für die verzögerte Verschreibung von Antibiotika. Tatsächlich wird diese Strategie auch in der aktuellen deutschen S3-Leitlinie „Halsschmerzen“ für mittelschwere bis schwere Verdachtsfälle einer Streptokokken-Angina empfohlen.

Kürzere Therapiedauer: Auch eine Reduzierung der Dauer einer Therapie, etwa von den lange üblichen 10 Tagen auf 5 Tage, kann den Antibiotika-Verbrauch deutlich mindern. Und das oft ohne bzw. mit nur geringen Einbußen bei der Effektivität der Behandlung. Für Halsinfektionen mit Streptokokken bei Kindern zeigt dies ein älterer Cochrane Review, dessen Schlussfolgerungen in neueren Studien weitgehend bestätigt wurden.

Schmalspektrum-Antibiotikum einsetzen: Erste Wahl bei Rachenentzündungen mit GAS ist und bleibt der Klassiker unter den Antibiotika: Penicillin. Ein jüngst aktualisierter Cochrane Review fand keine Vor- oder Nachteile gegenüber anderen Antibiotika (niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Die gute Verfügbarkeit, niedrige Kosten und günstigere Effekte bei der Resistenzentwicklung als Schmalband-Antibiotikum sprechen für sich.

Eine alternative Antwort lautet: Patienten-Empowerment. Das Bild von Ärzt*innen als „Halbgötter in Weiß“ ist altertümlich. Die Erwartungen der Patient*innen, bei Behandlungsentscheidungen mitzureden (shared-decision-making) sind gestiegen. Möglicherweise wird die Entscheidung, verschriebene Antibiotika tatsächlich einzunehmen, auf dem Weg in die Apotheke nochmal überdacht. Und manche entscheiden sich dann im Zweifelsfall auch dagegen. Es kann aber auch passieren, dass sich die Beschwerden von selbst bessern, bevor man es zur Apotheke geschafft hat.

Umso wichtiger also, dass solch eine Entscheidung von vornherein gemeinsam von Patient*in und behandelndem Arzt oder Ärztin getroffen wird. Dazu gehört, dass Ärzt*innen die verschiedenen Therapieoptionen und deren Erfolgsaussichten sachlich und neutral auf Basis der besten verfügbaren Evidenz erklären. Denn gerade bei kranken Kindern mit Halsschmerzen oder Mittelohrentzündungen sind es oft die Eltern, die auf den Einsatz von Antibiotika als vermeintliche Allheilmittel drängen. Umso wichtiger ist die Aufklärung über sinnvolle und sinnlose Einsatzgebiete und die leicht zu übersehende Nebenwirkung auf die globale Gesundheit in Form von antibiotikaresistenten Keimen.


Text: Timo Brugger ist Arzt und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Cochrane Deutschland

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