MRT von Knie

Verschleißbedingter Meniskusriss: Operieren oder nicht?

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Knieschmerzen aufgrund von Verschleißerscheinungen im Gelenk gehören zu den vielen kleinen und großen Zipperlein, die mit dem Alter zunehmen. Wird bei der Suche nach der Ursache ein Meniskusriss festgestellt, wurde früher deswegen oft operiert. Doch der Blick auf die Evidenz spricht gegen den erhofften Nutzen.

Viele, vor allem ältere Menschen haben es schon erlebt: Plötzlich ist das Knie dick und schmerzt. Manchmal gibt es einen vermuteten Auslöser, wie eine längere Gehstrecke oder Arbeit im Garten. Doch oft scheint das Problem aus heiterem Himmel zu kommen. Wenn Schmerzen und Schwellung nicht nach einigen Tagen abklingen, fängt die Suche nach möglichen Ursachen an, häufig mit Hilfe einer Untersuchung per Kernspintomografie (MRT). Oft ergibt sich dann das folgende Bild: Das Kniegelenk zeigt einige typische, altersbedingte Verschleißveränderungen, dazu einen Riss des Meniskus.


Lage der Menisken und verschiedene Typen von Meniskusriss

Die Menisken sind zwei halbmondförmige Knorpelscheiben zwischen Unter- und Oberschenkelknochen. Meniskusrisse können an verschiedenen Stellen auftreten und sich in ihrer Größe und Form unterscheiden.


Die große Frage lautet dann: Sind Schmerzen und Schwellung tatsächlich durch den Meniskusriss verursacht? Oder besteht dieser vielleicht schon seit längerem ohne Symptome und die Schmerzen haben in Wirklichkeit eine andere Ursache? Wie erfolgversprechend ist es also, den Riss mittels arthroskopischer Operation zu „reparieren“? Oder wählt man als Alternative besser simples Abwarten oder eine konservative (nicht-operative) Behandlung, z. B. mit Physiotherapie?

Viele Betroffene tendieren intuitiv zu einer Operation. Denn es erscheint plausibel, dass ein Riss im Meniskus Schmerzen auslöst und dass die operative Beseitigung des Risses durch Entfernung des gerissenen Teils das Problem schnell und nachhaltig löst. Warum also warten und sich weiter mit einem schmerzenden Knie abmühen?

Es muss nicht immer der Meniskus sein….

Doch die Intuition kann täuschen: Degenerative Veränderungen der Gelenke sind sehr häufig und nehmen mit dem Alter zu. Sie können alle Strukturen des Kniegelenks betreffen, besonders häufig die Gelenkflächen bzw. den Gelenkknorpel (dann spricht man von Arthrose), aber eben auch die Menisken. Doch solche Verschleißerscheinungen müssen nicht zwangsläufig mit Beschwerden verbunden sein.

In Studien, in denen die Kniegelenke beschwerdefreier Erwachsener mittels MRT untersucht wurden, waren Veränderungen des Knorpels bei 43 von 100 und Meniskus(ein)risse bei 19 von 100 der über 40-Jährigen sichtbar [1]. Die Häufigkeit von Veränderungen nahm mit steigendem Alter deutlich zu. Das bedeutet: Es ist an sich keine Überraschung und kein Grund für Aktionismus, wenn auf einem MRT-Bild des Kniegelenks Veränderungen zu sehen sind.

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Was ist ein Meniskusriss und wie kann man ihn behandeln?

Bei Meniskusrissen unterscheidet man zwischen traumatischen (verletzungsbedingten) und degenerativen (verschleißbedingten) Rissen. Traumatische Meniskusrisse sind meist Folge einer kurzfristigen Überbelastung, z.B. wenn das Knie beim schnellen Stoppen verdreht wird. Betroffen sind häufig junge Sportler*innen, beispielsweise bei Sportarten wie Fußball, Tennis oder Skifahren. Degenerative Meniskusrisse entstehen dagegen im Zuge von Verschleißprozessen im Knie und betreffen entsprechend meist ältere Menschen. Ein Meniskus, der altersbedingt nicht mehr ganz intakt ist, kann bereits bei geringer Belastung reißen. Degenerative Meniskusrisse äußern sich häufig zunächst bei alltäglichen Bewegungen wie Treppensteigen oder In-die-Hocke-Gehen. Ist ein gerissener Meniskusteil beweglich, kann dies zu Knackgeräuschen, schmerzhaften Einklemmungen und einem Blockieren des Kniegelenks bei bestimmten Bewegungen führen. Die Beschwerden sind nicht immer klar lokalisierbar.
Grundsätzlich gibt es zwei Arten der Behandlung bei schmerzhaften, degenerativen Veränderungen im Kniegelenk: eine operative oder konservative (nicht-operative) Behandlung.
Konservative Optionen umfassen Maßnahmen wie Physiotherapie, entzündungshemmende Medikamente oder, als längerfristige Strategie für Übergewichtige, eine Gewichtsreduktion. Für eine operative Behandlung nutzt man meist eine Kniegelenksspiegelung (Arthroskopie), bei der über einen kleinen Schnitt in der Haut ein Endoskop, also eine kleine Kamerasonde, in das Kniegelenk eingeführt wird. Auf diese Weise kann der Arzt oder die Ärztin den Zustand des Gelenks beurteilen und im Falle einer operativen Behandlung geschädigte Knorpelteile oder ausgefranste Meniskusteile entfernen, das Gelenk spülen und die Gelenkflächen und die verbleibenden Meniskusanteile glätten.
Die Entscheidung für oder gegen eine Operation hängt von verschiedenen Faktoren ab, etwa dem Ausmaß von Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen, der Größe, Form und Lage des Risses oder dem Gesamtzustand des Kniegelenks. Auch die Frage, welchen Anspruch die Betroffenen an die Belastbarkeit des Knies haben, spielt dabei eine Rolle. Verletzungsbedingte Meniskusrisse bei jungen, körperlich aktiven Menschen werden häufig operiert. Bei älteren Menschen mit degenerativen Meniskusrissen ist die Entscheidung dagegen schwieriger. Neben den genannten Faktoren, die für oder gegen eine Operation sprechen, gibt es einen wichtigen weiteren Grund für die Zurückhaltung bei älteren Menschen: die Evidenz aus wissenschaftlichen Studien.

Aktuelle Cochrane-Evidenz zum degenerativen Meniskusriss

Ein Cochrane Review aus dem Jahr 2022 bietet einen aktuellen Überblick über den wissenschaftlichen Kenntnisstand zur operativen Behandlung von Erwachsenen mit schmerzhaften degenerativen Veränderungen im Kniegelenk mit oder ohne degenerativem Meniskusriss [2]. In den Review eingeschlossen wurden klinische Studien, in denen eine arthroskopische Operation mit einer Placebo-Operation oder einer nicht-operativen Behandlung wie z.B. Physiotherapie, Spritzen oder Schmerzmitteln zum Einnehmen verglichen wurde.

Wir konzentrieren uns in diesem Beitrag auf die Ergebnisse des Reviews für Erwachsene mit einer Kombination von degenerativen Veränderungen und Meniskusriss. Die Autor*innen des Reviews interessierten sich dafür, welche Wirkung die Operation unter anderem auf die Schmerzen, die Funktionsfähigkeit des Knies und die Bewertung des Behandlungserfolgs aus Sicht der Teilnehmenden hatte. Sie erfassten zudem das Auftreten unerwünschter Ereignisse wie Komplikationen der Operation.

Die wichtigsten Kennzahlen des Reviews

Arthroskopische Operation versus Placebo-Operation

Vier Studien mit insgesamt 380 Teilnehmenden verglichen eine arthroskopische Operation mit einer Placebo-Operation. Bei zwei dieser Studien hatten die Teilnehmenden eine Kniearthrose mit Meniskusriss, die anderen beiden unterschieden nicht danach, ob der Meniskus gerissen war oder nicht.

Der Vergleich mit einer Placebo-Operation (auch Schein-Operation genannt) ist wichtig, um den echten Nutzen der arthroskopischen Operation erkennen zu können. Denn allein das Wissen, operiert worden zu sein, kann zu einer subjektiven Verbesserung der Beschwerden führen. Vergleicht man dann lediglich die Schmerzen vor und nach der OP, so kann dies zu einer deutlichen Überschätzung des tatsächlichen Nutzens des arthroskopischen Eingriffs führen.

Bei einer Placebo-Operation wird der eigentliche Eingriff wie die Entfernung eines gerissenen Meniskusteils nicht durchgeführt. Stattdessen setzen die Operierenden beispielsweise lediglich einen Hautschnitt, ohne jedoch ein Arthroskop in das Kniegelenk einzuführen. Dieses Vorgehen soll soweit wie möglich einen echten Eingriff im Operationssaal simulieren. Die Studien-Teilnehmenden wissen jedoch nicht, ob sie sich einer echten oder einer Schein-Operation unterziehen. Das ermöglicht Ergebnisse, die nicht durch den Placeboeffekt verzerrt sind.

Vertrauen ist gut…

Entsprechend ist die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz für die zwei wichtigen, von den Patienten berichteten Zielgrößen „Schmerz“ und „Kniefunktion” in diesem Cochrane Review hoch: In der Gruppe mit Placebo-OP wurde das Ausmaß der Schmerzen nach drei Monaten auf einer Schmerzskala von 0 bis 100 durchschnittlich mit 40,1 Punkten bewertet, in der Gruppe mit Arthroskopie mit 35,5 Punkten (4 Studien, Daten von 309 Teilnehmenden). Der Unterschied von durchschnittlich 4,6 Punkten (95% Konfidenzintervall 0,02 Punkte besser bis 9 Punkte besser) ist gering, zumal erst ein Unterschied von mindestens 12 Punkten als klinisch bedeutsam gilt [3] . Die beiden Studien, in denen alle Teilnehmenden degenerative Meniskusrisse hatten, hatten aufgrund ihrer Größe den größten Anteil an der Analyse. Ihre Ergebnisse fielen geringfügig besser zugunsten der arthroskopischen Operation aus als die der anderen beiden Studien, lagen jedoch ebenfalls unterhalb der Grenze für einen klinisch bedeutsamen Unterschied.

Auf der WOMAC-Skala für die Kniefunktion, die von 0 bis 100 (beste Funktion) reicht, ergab sich kein Unterschied. In beiden Gruppen erreichten die Teilnehmenden nach drei Monaten rund 76 Punkte (3 Studien, Daten von 302 Teilnehmenden). Die WOMAC-Skala umfasst Fragen zu den Bereichen Schmerz (5 Fragen), Steifigkeit (2 Fragen) und Alltagsaktivitäten (17 Fragen). Als Schwelle für einen klinisch bedeutsamen Unterschied gehen die Autor*innen von einem Wert zwischen 8 und 10 Punkten aus. Auch nach drei bis sechs Monaten sowie nach zwei bis maximal fünf Jahren war kein signifikanter Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen feststellbar.

Ob Risiken der OP wie Thrombosen, Infektionen oder Nervenverletzungen häufiger auftreten, lässt sich nicht ausreichend beurteilen. Denn für diese Frage ist die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz zu niedrig, weil in den Studien nicht ausreichend über unerwünschte Ereignisse berichtet wurde.

Arthroskopische Operation versus Übungstherapien

Sieben Studien mit 942 Teilnehmenden verglichen eine arthroskopische Operation (mit anschließendem physiotherapeutischem Programm) mit einer alleinigen Physiotherapie (ohne Operation). Wie viele der Teilnehmenden einen Meniskusriss hatten, blieb bei diesem Vergleich unklar. Die Übungstherapien bestanden beispielsweise in täglichen Trainingseinheiten für zuhause zur Kräftigung der Oberschenkelmuskulatur. Die Ergebnisse decken sich mit den Ergebnissen des zuvor beschriebenen Vergleichs: Nach drei und nach sechs Monaten zeichnet sich statistisch ein geringfügiger Nutzen der Operation ab, der jedoch nicht klinisch bedeutsam ist, d.h. die Schmerzen und Kniefunktion werden nicht entscheidend verbessert. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz wurde für diese Endpunkte als moderat bewertet.

Arthroskopische Operation versus andere Behandlungsmaßnahmen

Für die anderen Vergleiche einer arthroskopischen Operation mit Schmerzmitteln oder Cortison- oder Hyaluronsäure-Spritzen liegen deutlich weniger Daten vor – zu wenige, um zuverlässige Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz wurde für diese Vergleiche als niedrig bis sehr niedrig bewertet. Daten speziell für degenerative Meniskusrisse liegen nicht vor.

Operative „Reparatur“ bei älteren Menschen nicht unbedingt die beste Behandlung

Die intuitive Neigung, eine operative Behandlung degenerativer Meniskusrisse sei „die beste Wahl“, wird durch die verfügbare Evidenz also nicht gestützt. Eine konservative und eine operative Behandlung führen im bis zu fünfjährigen Nachbeobachtungszeitraum zu ähnlichen Verbesserungen bei Schmerzen, Kniefunktion und anderen Endpunkten. Bei jedem operativen Eingriff muss zudem der potenzielle Nutzen gegen potenzielle Risiken wie Blutungen oder Infektionen abgewogen werden. Dies spricht für eine zurückhaltende Haltung gegenüber der Entscheidung für einen operativen Eingriff.


Text: Birgit Schindler und Cordula Braun, Cochrane Deutschland

Quellen

[1] Culvenor AG, Øiestad BE, Hart HF, et al. Prevalence of knee osteoarthritis features on magnetic resonance imaging in asymptomatic uninjured adults: a systematic review and meta-analysis. Br J Sports Med 2019; 53:1268.

[2] O’Connor D, Johnston RV, Brignardello-Petersen R, Poolman RW, Cyril S, Vandvik PO, Buchbinder R. Arthroscopic surgery for degenerative knee disease (osteoarthritis including degenerative meniscal tears). Cochrane Database of Systematic Reviews 2022, Issue 3. Art. No.: CD014328. DOI: 10.1002/14651858.CD014328.

[3] Devji T, Guyatt GH, Lytvyn L, Brignardello-Petersen R, Foroutan F, Sadeghirad B, Buchbinder R, Poolman RW, Harris IA, Carrasco-Labra A, Siemieniuk RAC, Vandvik PO. Application of minimal important differences in degenerative knee disease outcomes: a systematic review and case study to inform BMJ Rapid Recommendations. BMJ Open. 2017; 7(5): e015587.

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