Übelkeit und Erbrechen sind häufige Nebenwirkungen nach Operationen unter Vollnarkose. Für Patienten sind diese Symptome oft sehr belastend, zudem können sie zu längeren Krankenhausaufenthalten führen. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Medikamenten aus verschiedenen Arzneimittelgruppen zur Vorbeugung dieser „üblen“ Nebenwirkungen. Das Problem: Bislang gab es keinen systematischen Vergleich von Wirksamkeit und potentiellen Nebenwirkungen dieser Medikamente. Die Autoren eines neuen Cochrane Reviews wollten diesem Defizit nun Abhilfe verschaffen.
Mit Rückblick auf meine Blindarm-OP vor ein paar Jahren kann ich sagen: Es war nicht die Angst vor dem Eingriff, die mich jetzt noch schaudern lässt, sondern vor allem die Übelkeit und Benommenheit nach der Operation, die mir immer noch sehr unangenehm in Erinnerung sind. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, welche Medikamente ich damals nach meiner Operation erhielt. Ich fragte auch nie nach. Zu dem Zeitpunkt wollte ich nur, dass es mir besser geht.
Post-operative Übelkeit: fast der Normalfall
Offenbar stelle ich hier keine Ausnahme dar. Übelkeit und Erbrechen nach OPs unter Vollnarkose sind weit verbreitet, sie treten häufig sofort nach dem Erwachen aus der Vollnarkose auf. In der Regel lassen Sie nach wenigen Stunden wieder nach, sie können jedoch auch länger anhalten und können dann für die Patienten sogar zu einem verlängerten Krankenhausaufenthalt führen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, ebenso wie Menschen, die opioidhaltige Schmerzmittel erhalten sowie solche, leicht reisekrank werden oder schon zuvor nach einer Operation unter Übelkeit litten.
Medikamente gegen Übelkeit, sogenannte Antiemetika, sollen diese postoperative Übelkeit lindern oder ganz verhindern. Gerade bei Personen mit erhöhtem Risiko für Übelkeit sollten diese Medikamente oder gar mehrere in Kombination bereits vor oder während der Narkose verabreicht werden.
Cochrane Review vergleicht Wirksamkeit von Medikamenten gegen Übelkeit nach einer Vollnarkose
Die Autoren eines neuen Cochrane Reviews untersuchten deshalb welche der verfügbaren Medikamente die wirksamsten zur Vorbeugung von postoperativer Übelkeit bei Erwachsenen sind. Auch wollten sie wissen, welche Nebenwirkungen unter Einnahme dieser Medikamente auftreten können.
Um diese Fragen zu beantworten, wählten sie das statistische Verfahren einer Netzwerk-Metaanalyse (NMA). Eine Metaanalyse fasst mit Hilfe statistischer Verfahren die Daten mehrerer Studien zu verschiedenen Medikamenten in einer gemeinsamen Auswertung zusammen und kommt dadurch im Idealfall zu wesentlich belastbareren Ergebnissen. Während herkömmlichen Metaanalysen nur den paarweisen Vergleich von zwei Behandlungsoptionen erlauben, ermöglicht das statistische Verfahren der NMA darüber hinaus den Vergleich mehrerer Wirkstoffe – auch solcher, die in den zugrunde liegenden Studien nie direkt miteinander verglichen wurden. (mehr zur Methode der NMA). Das Ziel der Review-Autoren war es mit Hilfe einer NMA eine Rangordnung der gängigen Wirkstoffe beziehungsweise verschiedener Wirkstoffkombinationen in Bezug auf Wirksamkeit und Nebenwirkungen zu erstellen.
Dafür sammelten sie sämtliche verfügbaren randomisierten kontrollierten Studien, die bis einschließlich November 2017 erschienen waren.
Die Autoren fanden 585 randomisierte kontrollierte Studien mit 97.516 erwachsenen Teilnehmern (davon über 80 % Frauen), die sich einer Operation unter Vollnarkose unterzogen hatten. 44 einzelne Medikamente aus sechs verschiedenen Wirkstoffklassen und 51 Wirkstoffkombinationen wurden entweder 1) untereinander, 2) mit einer Kontrollgruppe, die keine Maßnahme erhielt, oder 3) mit einer Kontrollgruppe, die ein Placebo (Scheinmedikament) erhielt, verglichen.
Medizin, die post-operativer Übelkeit vorbeugen soll
Die im Review untersuchten Medikamente stammten aus den folgenden sechs Arzneimittelgruppen: Serotonin-Antagonisten (einschließlich Ondansetron, Granistetron und Ramosetron), Dopamin- Antagonisten (einschließlich Droperidol), Neurokinin-Antagonisten (einschließlich Aprepitant und Fosaprepitant), Kortikosteroide (Dexamethason), Antihistaminika und Anticholinergika.
Was waren die Hauptergebnisse des Reviews?
Im Vergleich zur Placebo-Behandlung reduzierten 10 von 28 Einzelpräparaten und 29 von 36 Medikamentenkombinationen, die das Risiko eines Erbrechens innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Operation (282 Studien). Kombinationen von Antiemetika wirkten im Allgemeinen besser als allein verabreichte Einzelpräparate. Betrachtet man allein die sich aus den Studien rechnerisch ergebende Wirksamkeit (im Sinne der durchschnittlichen Risk Ratio), so schnitt Fosaprepitant als wirksamstes Einzelpräparat ab. „Allerdings ist die Datenlage hier nicht sehr gut, zudem wissen wir besonders wenig über etwaige Nebenwirkungen“, sagt Erstautorin Stephanie Weibel von der Klinik für Anästhesiologie am Universitätsklinikum Würzburg. Beziehe man diese Faktoren mit ein, liege der Wirkstoff Aprepitant vorn, mit dem sich die Häufigkeit von postoperativem Erbrechen im Vergleich zu Placebo auf rund ein Viertel reduzieren ließ (RR=0,26). Evidenz von als hoch eingestufter Vertrauenswürdigkeit liegt auch für die in der Wirksamkeitsrangliste folgenden Substanzen Ramosetron, Granisetron, Dexamethason und Ondansetron vor. Auch Fosaprepitant und Droperidol erwiesen sich als hoch wirksam, hier erreichte die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz jedoch nur die Stufe „moderat“. Von etwas geringerer Vertrauenswürdigkeit war dagegen die Evidenz für die Wirksamkeit von Casopitant, Tropisetron und Dolasetron.
Nicht alle eingeschlossenen Studien berichteten über ernsthafte Nebenwirkungen der Medikamente, auch aus diesem Grund hatte die Evidenz für das Auftreten von Nebenwirkungen nur geringe bis keine Aussagekraft. „Die klinische Erfahrung zeigt aber, dass solche Nebenwirkungen selten sind und sich meist auf vorübergehende Symptome wie Kopfschmerzen oder Verstopfung beschränken“, erläutert Peter Kranke, Professor für Anästhesiologie am Klinikum der Universität Würzburg und Korrespondenz-Autor des Reviews.
Schlussfolgerungen der Autoren
Zusammenfassend kann man also sagen: Es gibt keinen Grund, nach einer Operation Übelkeit und Erbrechen über sich ergehen zu lassen! Wirksame Medikamente stehen zur Verfügung – für sieben davon liefert dieser neue Cochrane-Review eine gute Evidenzbasis, die es den Autoren ermöglichte, eine Rangliste der Wirksamkeit zu erstellen . Die zuverlässigsten antiemetischen Medikamente waren demnach Aprepitant, Ramosetron, Granisetron, Dexamethason und Ondansetron mit hoher Zuverlässigkeit, gefolgt von Fosaprepitant und Droperidol mit moderater Zuverlässigkeit.
Die Autoren kommen aufgrund der guten Evidenzlage sogar zu dem Schluss, dass es für viele Interventionen keiner weiteren Wirksamkeitsstudien für antiemetische Medikamente bedürfe. Allerdings sehen sie einen Mangel an Daten über mögliche seltene Nebenwirkungen dieser Medikamente, so dass hier doch noch spezifischer Forschungsbedarf besteht.
Text: Andrea Puhl
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