Bei fiesem Husten und Kratzen im Hals wollen viele Betroffene ein Antibiotikum einnehmen, weil sie denken, dies würde ihnen am besten und am schnellsten helfen. Dass Antibiotika bei Infektionen der oberen Atemwege meist nutzlos sind, wissen die wenigsten. Umso unzufriedener sind viele mit der ärztlichen Behandlung, wenn sie keines bekommen. Was kann man da tun?
Erkältungen mit Husten, Schnupfen, Halsschmerzen und vielleicht auch Fieber können sich bedenklich schlimm anfühlen, sind aber meist relativ harmlos und bessern sich nach ein paar Tagen von selbst. Gewöhnlich lösen Viren diese typischen Symptome aus. Gegen eine virale Infektion dieser Art gibt es keine Medizin, der Körper muss – und kann – sich selbst dagegen wehren. Erkältete Personen denken oft, ein Antibiotikum könne ihnen helfen schneller wieder auf die Beine zu kommen und bitten in der Arztpraxis darum. Antibiotika sind bei viralen Infektionen allerdings wirkungslos; sie helfen nur gegen bakterielle Infektionen (wie zum Beispiel eine Blasenentzündung). Ärztinnen und Ärzte wissen das, resignieren aber zuweilen vor den Wünschen wehklagender Patienten.
Antibiotikaresistenzen
Das hat katastrophale Folgen: Die falsche Anwendung von Antibiotika führt dazu, dass immer mehr Bakterienstämme unempfindlich dagegen werden und die Antibiotika nicht mehr wirksam gegen sie sind; man spricht von Antibiotikaresistenzen. Zur Resistenzentwicklung trägt unter anderem der massenhafte Einsatz von (Breitband-)Antibiotika bei Menschen und auch in der Tierhaltung bei. Ein weiterer Grund ist das frühzeitige Absetzen von Antibiotika, nachdem die ersten Krankheitssymptome sich gebessert haben. Viele durch Bakterien verursachte Krankheiten, die man noch vor wenigen Jahrzehnten gut mit Antibiotika behandeln konnte, lassen sich deshalb inzwischen nur noch schwer behandeln. Das gilt vor allem für Infektionen, die man sich im Krankenhaus zuziehen kann, beispielsweise Lungenentzündungen und Blutvergiftungen (Sepsis).
Viele Patienten und Patientinnen sind sich dieser Konsequenzen nicht bewusst. Damit sie nicht denken, ihnen würde eine wirkungsvolle Behandlung verwehrt, wenn sie bei einer Erkältung kein Antibiotikum verschrieben bekommen, ist eine verständliche Aufklärung wichtig. Weil es für Laien aber nicht einfach ist, den Unterschied zwischen Viren und Bakterien und die Wirkungsweise von Antibiotika zu verstehen, braucht es oft mehr als eine kurze Erklärung in der Sprechstunde. Patienteninformationen wie diese vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen in Köln können bei der Aufklärung helfen.
Was sagt die Evidenz?
Ob solche Patienteninformationen tatsächlich die Häufigkeit der Antibiotikaverordnungen bzw. -einnahmen bei Infektionen der oberen Atemwege senken, hat ein britisch-australisches Team in einem Cochrane Review untersucht. Es fand in der medizinischen Fachliteratur zwei randomisierte kontrollierte Studien aus Großbritannien und Kentucky, USA. An beiden Studien nahmen Eltern von Kindern mit akuter Infektion der oberen Atemwege teil, die in zwei oder mehr Vergleichsgruppen zufällig eingeteilt wurden, die entweder Informationsmaterial erhielten oder nicht.
Weniger Antibiotika und trotzdem zufrieden
Ein achtseitiges Informationsheftchen, dessen Inhalt den Eltern zusätzlich vom Arzt erklärt wurde, führte dazu, dass die Antibiotikaeinnahme der Kinder von 42% auf 22% sank, ohne dass die Eltern mit der Behandlung unzufriedener gewesen wären oder öfter wegen der gleichen Erkrankung erneut in die Sprechstunde kamen. Die Qualität der Evidenz dieser britischen Studie bewertete das Reviewer-Team allerdings nur als „moderat“, weil unter anderem die Ärzte und Ärztinnen speziell darin trainiert waren den Eltern den Inhalt des Heftchens zu erklären. Daher sind die Studienergebnisse nicht uneingeschränkt verallgemeinerbar und künftige Studien müssten zum Beispiel mit Ärzten und Ärztinnen ohne vorheriges Training durchgeführt werden. Ergebnisse aus solchen Studien würden vermutlich zeigen, dass die Antibiotikaeinnahme nicht so stark reduziert wird.
Kombinierte man die Ergebnisse beider Studien zeigte sich, dass schriftliche Informationen auch insgesamt die Häufigkeit von Antibiotikaverschreibungen für erkältete Kinder senkten (41% im Vergleich zu 20 %). Hier bewerteten die Review-Autoren die Qualität der Evidenz gar als „niedrig“, was bedeutet, dass weitere Forschung sehr wahrscheinlich einen gewissen Einfluss auf die Häufigkeit der Antibiotikaverschreibungen haben wird.
Informationen schaffen Bewusstsein
Die Ergebnisse dieses Cochrane Reviews erlauben keine abschließenden Schlussfolgerungen über die beste Art der Patientenaufklärung. Es ist aber unbestritten, dass die Bereitstellung von Information für Patienten und Patientinnen (aber auch für Ärztinnen und Ärzte) wichtig ist, um ein Bewusstsein für das stetig wachsende Problem der Antibiotikaresistenzen zu schaffen. Aufklärung ist auch meist in den Strategien festgeschrieben, die immer mehr Länder der Welt entwickeln um der Resistenzproblematik entgegenzuwirken. Auch Deutschland (Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie DART), Österreich (Nationaler Aktionsplan zur Antibiotikaresistenz NAP-AMR) und die Schweiz (Nationale Strategie Antibiotikaresistenzen StAR) setzen in ihren nationalen Strategien unter anderem auf Information und Aufklärung.
Valérie Labonté
Bildnachweis: Tim Reckmann, Tabletten mit Rezept CC BY-NC-SA 2.0
Hier geht’s zum Cochrane Review: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/14651858.CD011360.pub2/full#CD011360-bbs1-0002