In Apotheken kann man rezeptfrei verschiedene, viel beworbene „Erkältungs- oder Grippemittel“ kaufen, die einen ganzen Cocktail von Wirkstoffen enthalten. Wir stellen Ihnen im dritten Teil unserer Mini-Serie zur Erkältung Cochrane-Evidenz für solche Kombinationsmittel gegen Erkältung vor und diskutieren, wie sinnvoll eine solche Arznei-Breitseite gegen eine Bagatellerkrankung ist.
Kopf- oder Gliederschmerzen, leichtes Fieber, verstopfte oder laufende Nase, Halsschmerzen, Husten, Unwohlsein – die Beschwerden bei Erkältungen und grippalen Infekten (gemeint ist eine starke Erkältung, bei der man sich schlapp und krank fühlt) sind vielfältig und können die Alltagstauglichkeit einschränken. Da scheint es zunächst logisch, mehrere Wirkstoffe in einer Arznei zu kombinieren – ein Mittel gegen alle Beschwerden, so das Werbeversprechen.
Andererseits treten die Beschwerden im Verlauf einer Erkältung typischerweise nicht alle gleichzeitig auf und variieren zudem in ihrer Intensität. Nimmt man eine Kombination, ist nicht jeder enthaltene Wirkstoff zu jedem Zeitpunkt der Erkältung notwendig und korrekt dosiert, mögliche unerwünschte Wirkungen werden daher ganz umsonst in Kauf genommen.
Was solche Mittel bei Erkältungsbeschwerden wirklich leisten können, haben verschiedene Cochrane Reviews genauer unter die Lupe genommen.
Kombinationsmittel bei Erkältung zum Einnehmen
Ein im Januar 2022 aktualisierter Cochrane Review befasst sich mit Zweifach- und Dreifachkombinationen verschiedener Wirkstoffe bei Erkältungen [1]. Insgesamt konnten die Autor*innen 30 Studien mit 6304 Teilnehmenden in dem Review berücksichtigen. Allerding befasste sich jede dieser Arbeiten mit einem anderen Vergleich. Das bedeutet, dass trotz der großen Anzahl von Studien die Evidenzbasis für jedes einzelne der vielen erhältlichen Mittel überraschend gering ist. In den Studien wurde die Wirkung von verschiedenen Kombinationen folgender Wirkstoffklassen untersucht:
Antihistaminika werden normalerweise eingesetzt, um allergische Reaktionen wie Heuschnupfen zu unterdrücken. Die Wirkstoffe dieser Gruppe besetzen die Bindestellen des Gewebehormons Histamin, sodass das körpereigene Histamin dort nicht mehr andocken und ein Anschwellen der Schleimhäute auslösen kann. Da sich die Symptome eines erkältungsbedingten Schnupfens und des Heuschnupfens ähnlich sind, könnten Antihistaminika diese Symptome lindern, so die Hoffnung.
Schleimhautabschwellende Wirkstoffe wie Pseudoephedrin stimulieren bestimmte Bindungsstellen im Körper (alpha-adrenerge Rezeptoren in der glatten Gefäßmuskulatur) und verengen dadurch die Arteriolen in der Nasenschleimhaut, die dadurch abschwillt. Das soll bei einer Erkältung die Nasenatmung wieder ermöglichen. Beliebt ist die Einnahme von Pseudoephedrin bei einer Erkältung aber auch, weil es als Nebenwirkung wacher macht.
Schmerzmittel wie Paracetamol oder Ibuprofen schließlich sollen Fieber senken und gegen Kopf- und Gliederschmerzen helfen.
Konkret untersuchten die im Review ausgewerteten Studien mehrere Zweierkombinationen und eine Dreierkombination:
- Antihistaminikum (z.B. Loratadin) + schleimhautabschwellender Wirkstoff (z.B. Pseudoephedrin) (14 Studien);
- Antihistaminikum + Schmerzmittel (3 Studien);
- Schmerzmittel + schleimhautabschwellender Wirkstoff (6 Studien);
- Antihistaminikum + schleimhautabschwellender Wirkstoff + Schmerzmittel (6 Studien).
In 26 Studien diente eine Placebobehandlung als Vergleich, in sechs Studien gab es eine aktive Vergleichsbehandlung (Paracetamol, eine andere Kombination, das Antihistaminikum Diphenhydramin). Keine der Studien zielte auf die Frage ab, ob die Kombination besser ist als jeder der darin enthaltenen Einzelwirkstoffe alleine.
Bei Kombinationen reicht Vergleich mit Placebo nicht aus
Dies ist aber für Erkältete die entscheidende Frage: Denn wozu sollte man eine Kombination verschiedener Wirkstoffe einnehmen und sich damit einem höheren Risiko für unerwünschte Wirkungen aussetzen, wenn man mit einem der enthaltenen Wirkstoffe alleine einen ebenso guten Effekt erzielen kann? Für Kombinationspräparate ist also der alleinige Vergleich mit Placebo im Grunde nicht ausreichend.
Die Cochrane-Autor*innen können daher nur für den – nicht wirklich ausreichenden Vergleich mit Placebo – einen positiven Effekt feststellen. Ein positiver Effekt war definiert als eine Verringerung des Schweregrads oder der Dauer der Gesamtsymptome oder spezifischer Symptome wie verstopfte Nase, Fließschnupfen, Husten oder Niesen. Untersucht wurde auch, ob unerwünschte Wirkungen bei den Kombinationsbehandlungen häufiger auftraten als bei Placebo.
Linderung, aber unerwünschte Wirkungen
Der Review kommt insgesamt auf Basis sehr dünner Evidenz zu dem Schluss, dass Wirkstoffkombinationen zum Einnehmen zwar einen gewissen Nutzen bei der Linderung der Symptome einer Erkältung bei Erwachsenen und älteren Kindern haben. Die Wirksamkeit auf die einzelnen Symptome ist aber wahrscheinlich so gering, dass im Alltag ein Unterschied kaum spürbar ist. Zudem muss der geringe Nutzen bei der Linderung der Symptome gegen die unerwünschten Wirkungen abgewogen werden; zu diesen gehören (abhängig von den enthaltenen Wirkstoffen) zum Beispiel Mundtrockenheit, Magen-Darm-Beschwerden, Schlaflosigkeit, Benommenheit, Schwindel, Herzrasen oder Herzrhythmusstörungen, Blutdruckanstieg, Unruhe, Nervosität, Harnverhalt (insbesondere bei Männern mit vergrößerter Prostata).
Schwerwiegende Nebenwirkungen sind zwar selten, man sollte sie aber auch nicht unterschätzen. So wurde im Februar 2023 auf EU-Ebene eine Sicherheitsüberprüfung von Pseudoephedrin-haltigen Arzneimitteln gegen Erkältungen eingeleitet [2]. Grund ist, dass Pseudoephedrin nicht nur in der Nase die Blutgefäße verengt, sondern auch in anderen Organen wie dem Gehirn – und das ist möglicherweise problematischer, als bislang gedacht. Der Pharmakovigilanz-Ausschuss der europäischen Arzneimittelbehörde EMA nimmt nun einige unerwünschte Wirkungen genauer unter die Lupe. Es bleibt abzuwarten, wie der Ausschuss die Sicherheit von Pseudoephedrin in Erkältungspräparaten bewerten wird.
Die Evidenz zum Nutzen der Kombinationsmittel ist also wenig überzeugend und steht dem nicht unbedenklichen Nebenwirkungsspektrum gegenüber. Im Zweifel sollte man gezielt einsetzbaren Einzelwirkstoffen den Vorzug zu geben. Auch zu diesen gibt es Cochrane-Evidenz, die wir im Folgenden vorstellen.
Helfen Heuschnupfenmittel bei Erkältung?
Zur Frage der Wirksamkeit von Antihistaminika bei Erkältungsbeschwerden konnten Cochrane-Autor*innen derselben Arbeitsgruppe 18 Studien mit 4342 Teilnehmenden auswerten [3]. 12 Studien untersuchten müde machende Antihistaminika wie Doxylamin, nur sechs Studien nicht-müde machende Wirkstoffe wie Loratadin oder Cetirizin. Die müde machende Wirkung kann tagsüber sehr störend sein und das Reaktionsvermögen beeinflussen. Werden die Mittel zur Nacht eingenommen, kann die schlafanstoßende Wirkung hingegen erwünscht sein.
Nach ein bis zwei Tagen besserte sich die Schwere der Symptome zwar bei 45 von 100, die ein Antihistaminikum einnahmen, im Vergleich zu 38 von 100, die eine Placebotablette schluckten. Allerdings war nach drei bis vier Tagen und nach sechs bis zehn Tagen kein Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen nachweisbar. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz war moderat bis hoch, die Autor*innen sehen daher keinen weiteren Forschungsbedarf. In ihrer Schlussfolgerung stellen sie fest, dass freiverkäufliche Antihistaminika Erkältungsgeplagten keine ausreichende Linderung verschaffen.
Abschwellende Mittel für die Nase
Mehrere Dosen eines Abschwellmittels können bei verstopfter Nase ein wenig helfen – es ist jedoch unklar, wie hilfreich sich dies für die Betroffenen wirklich anfühlt. Zu diesem Schluss kommt der Cochrane Review „Nasale Abschwellmittel in Monotherapie bei Schnupfen“ [4]. Da von 15 eingeschlossenen Studien (mit 1838 Teilnehmenden) nur vier Studien ein Nasenspray oder -tropfen (beispielsweise mit Oxymetazolin) untersuchten, konnten die Autor*innen nicht herausfinden, ob die lokale Anwendung in der Nase (als Spray oder Tropfen) wirksamer ist als das Schlucken eines abschwellenden Wirkstoffs.
Zumindest lässt sich mit abschwellenden Nasensprays oder -tropfen eine behinderte Nasenatmung deutlich gezielter lindern. Die Wirkung tritt innerhalb von Sekunden bis Minuten ein. Wie bei allen Medikamenten ist es jedoch auch bei diesen lokal angewendeten Schnupfenmitteln wichtig, die empfohlene Dosierung und Anwendungshäufigkeit genau einzuhalten (nicht häufiger als dreimal täglich und nicht länger als sieben Tage). Ist die Schleimhaut zu oft und zu lange dem abschwellenden Wirkstoff ausgesetzt, trocknet die Schleimhaut aus und die Flimmerhärchen in der Nase können geschädigt werden. Insbesondere bei längerer Anwendung droht zudem ein Rebound-Effekt (stärkere Durchblutung und Wiederanschwellen der Schleimhäute bei nachlassender Wirkung). So kann eine Gewöhnung und Missbrauch von abschwellenden Nasentropfen (Rhinitis medicamentosa) entstehen.
Für Kopf-, Glieder und Halsschmerzen: Paracetamol, Ibuprofen und Co.
Um zu klären, ob Paracetamol Erkältungssymptome wie Halsschmerzen, Nasenverstopfung, Husten und Unwohlsein wirksam lindern kann, konnten Cochrane-Autor*innen lediglich vier Studien (mit 758 Teilnehmenden) finden, drei davon waren Kurzzeitstudien über einen Zeitraum von vier bis sechs Stunden und alle Studien hatten erhebliche methodische Mängel. Für klare Aussagen sind also bessere Forschungsarbeiten notwendig [5].
Etwas mehr und bessere Evidenz (neun Studien mit 1069 Teilnehmenden) fand ein weiterer Cochrane Review [6] zu Schmerzmittel aus der Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen. Diese helfen demnach wahrscheinlich bei erkältungsbedingten Schmerzen wie Kopf- und Gliederschmerzen, nicht aber bei anderen Erkältungssymptomen. Sie können aber auch mit unerwünschten Wirkungen wie Magenbeschwerden (z.B. Sodbrennen) verbunden sein.
Egal ob Gießkannenprinzip oder gezielt – Nutzen ist begrenzt
Die vielleicht wichtigste Frage, die man sich angesichts dieser komplexen Evidenz stellen sollte, lautet allerdings: Ist es bei einer selbstlimitierenden Bagatellerkrankung wie einer Erkältung wirklich notwendig, sich nach dem Gießkannenprinzip gleich mit mehreren Wirkstoffen gleichzeitig zu therapieren? Der Nutzen ist der Cochrane-Evidenz zufolge begrenzt. Wer die Erkältung also nicht einfach widerstandslos durch Abwarten auskurieren möchte (oder kann) sollte seine Symptome eher gezielt und kurzzeitig behandeln. Dafür ist die Balance aus Nutzen und Schaden am günstigsten.
Zu den anderen Beiträgen dieser Serie:
Keine Wunderwurzel: Pelargonium gegen Erkältungshusten
Unheilbar, aber halb so schlimm: Erkältungen und was man dagegen tun kann
Text: Dr. Birgit Schindler