Regelmässige Bewegung hilft Kreuzschmerzen vorzubeugen oder zu lindern. Mehrere Cochrane Reviews untersuchten, wie wirksam verschiedene Bewegungsformen bei unspezifischen Kreuzschmerzen sind. Um diese Bewegungsformen geht es in dem dritten Beitrag unserer Serie „Wenn der Rücken schmerzt“.
Eine falsche Bewegung beim Zeltaufbau am Wochenende – und da waren sie wieder, meine Kreuzschmerzen. Erst vor ein paar Wochen musste ich mich arbeitsunfähig melden, da ich vor Schmerzen kaum aus dem Bett kam und auch nicht in der Lage war, mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Mein Arzt diagnostizierte sogenannte „akute, unspezifische Rückenschmerzen“ und schrieb mich krank. Somit zähle ich mich von nun an zu den 20% der Erwerbstätigen, die aufgrund von Rückenschmerzen schon einmal krankgeschrieben wurden. Mein Arzt verordnete mir zwar ein Medikament zur Schmerzlinderung. Mir war jedoch auch bekannt, dass Bewegung bei Rückenschmerzen wichtig ist. Aber welche Art der Bewegung hilft am meisten? Das wollte ich herausfinden und durchforstete die Cochrane Library zu diesem Thema.
Bewegungsformen bei akuten und subakuten Kreuzschmerzen
Zunächst wollte ich wissen, welche der verschiedenen Bewegungsformen bei akuten (Schmerzen die bis zu 6 Wochen anhalten) und subakuten (6 bis 12 Wochen) Kreuzschmerzen helfen. Dabei stiess ich auf die sogenannte Rückenschule. Dies ist ein Behandlungsprogramm, welches Beratung und Übungen umfasst. In der Regel wird es unter Anleitung einer ausgebildeten Gesundheitsfachkraft (z.B. eines Physiotherapeuten) in Gruppen für zwei Wochen durchgeführt. In einem Cochrane Review aus dem Jahr 2016 wurden vier Studien mit insgesamt 643 Teilnehmenden eingeschlossen. Die Studien verglichen die Wirkung der Teilnahme an einer Rückenschule mit keiner Behandlung, einer vom Arzt bzw. Physiotherapeuten angewandten Behandlung oder anderen Bewegungsarten. Die Ergebnisse der vier Studien deuten darauf hin, dass Rückenschulen in Bezug auf Schmerzen, Aktivitätseinschränkung, Arbeitsfähigkeit und unerwünschten (Neben-)Wirkungen insgesamt kurz-, mittel- und langfristig nicht wirksamer sind als eine Placebobehandlung oder eine andere Behandlung (Physiotherapie, myofasziale Therapie, manuelle Gelenkmobilisationen, Beratung). Lediglich zwei Studien fanden kurzfristige Effekte in Bezug auf die Arbeitsunfähigkeit und andere Einschränkungen. In Anbetracht der geringen Studienzahl, der Unterschiedlichkeit ihrer Ergebnisse und der Qualität der Evidenz folgerten die Autoren, dass die Wirksamkeit von Rückenschulen zur Behandlung akuter und subakuter unspezifischer Kreuzschmerzen unklar ist.
Bewegungsformen bei chronischen Kreuzschmerzen
Als chronisch gelten Rückenschmerzen, wenn sie länger als 12 Wochen anhalten. Bei meiner Suche stiess ich auf Cochrane-Evidenz zu zwei verschiedenen Bewegungsformen:
Eine Möglichkeit stellt Pilates dar. Diese Methode zielt darauf ab, ein besseres Körperbewusstsein und eine verbesserte Körperhaltung zu entwickeln. In einem Cochrane Review von 2015 untersuchten die Autoren, ob Pilates bei unspezifischen Rückenschmerzen hilft. In den Review wurden 10 Studien mit insgesamt 510 Patienten eingeschlossen. Die Teilnehmenden aller Studien hatten chronische Rückenschmerzen. In den Studien wurde Pilates entweder mit keiner Behandlung, einer minimalen Behandlung (Beibehaltung gewöhnlicher Aktivitäten oder Einnahme von Medikamenten) oder mit anderen Bewegungsformen verglichen. Beim Vergleich mit einer minimalen Behandlung waren mit Pilates kurz- und mittelfristig positive Wirkungen auf Schmerzen und Aktivitätseinschränkung festzustellen. Im Vergleich zu anderen Bewegungsformen war Pilates nicht wirksamer. Die Qualität der Evidenz in diesem Cochrane Review wurde als niedrig bis moderat bewertet. Die Autoren folgerten, dass es einige Evidenz für die Wirksamkeit von Pilates zur Behandlung von unspezifischen chronischen Kreuzschmerzen gibt, nicht jedoch schlüssige Evidenz für eine Überlegenheit von Pilates gegenüber anderen Bewegungsformen.
Ob Yoga bei chronischen unspezifischen Rückenschmerzen hilft untersuchten Wieland und Kollegen* in ihrem Cochrane Review von 2017. In diesen schlossen sie 12 Studien mit insgesamt 1080 Teilnehmenden ein. Yoga wirkte im Vergleich zu keinen Übungen positiv auf die Funktionsfähigkeit des Rückens nach 3 , 6 und 12 Monaten (Evidenz von niedriger bis moderater Qualität). Diese Wirkungen waren jedoch nach 12 Monaten klinisch nicht bedeutsam. In Bezug auf die Schmerzen gab es zu keinem Zeitpunkt einen klinisch bedeutsamen Unterschied (Evidenz von niedriger bis moderater Qualität). Wenn Yoga mit Rückenübungen kombiniert wurde, gab es keinen Unterschied zu Rückenübungen allein (Evidenz sehr niedriger Qualität). Am häufigsten wurde als unerwünschte Wirkung von verstärkten Rückenschmerzen berichtet. Der Review umfasste keine Studien, die verschiedene Arten von Yoga verglichen.
Ein weiterer Cochrane Review von 2017 befasste sich mit der Wirksamkeit von Übungen zur Bewegungskontrolle (auch als „Motor Control Exercises“ bezeichnet). Ziel dieser Übungen ist es, die Muskeln, welche die Wirbelsäule kontrollieren und stützen, zu verbessern. Die Übungen werden durch einen Therapeuten angeleitet. Mit zunehmender Fähigkeit der Patienten werden die Übungen komplexer und beziehen schliesslich auch andere große Muskelgruppen – wie Oberkörper und Beinmuskeln – mit ein. Die Autoren untersuchten in ihrem Review die Wirksamkeit von Übungen zur Bewegungskontrolle bei Patienten mit chronischen unspezifischen Kreuzschmerzen. Die Studien verglichen diesen Therapieansatz mit anderen Übungs- und Behandlungsformen wie Manueller Therapie, Minimalbehandlung, anderen Übungen in Kombination mit elektrophysikalischen Massnahmen oder Therapien, bei denen Patienten über Video oder Internet angeleitet werden. Das Autorenteam schloss 29 Studien mit 2431 Teilnehmenden ein. Die Studienergebnisse zeigten: Übungen zur Bewegungskontrolle waren kurz-, mittel- und längerfristig wirksamer als eine Minimalbehandlung in Bezug auf die Schmerzen, die Funktionsfähigkeit des Rückens und die subjektive Verbesserung der Beschwerden (Evidenz von niedriger bis moderater Qualität). Für diese Endpunkte – einschliesslich Lebensqualität – waren solche Übungen auch verglichen mit anderen Übungen in Kombination mit elektrophysikalischen Massnahmen wirksamer (Evidenz von niedriger bis sehr niedriger Qualität). Für den Vergleich zwischen Übungen zur Bewegungskontrolle und manuellen Therapien zeigte sich kein klinisch bedeutsamer Unterschied für alle Endpunkte und alle Nachbeobachtungszeiträume (Evidenz von moderater bis hoher Qualität). Da Übungen zur Bewegungskontrolle alles in allem nicht wirksamer als anderen Übungsformen waren, folgerten die Autoren, dass die Auswahl der Übungen bei chronischen Kreuzschmerzen auf Kriterien wie den Vorlieben der Patienten und/oder Therapeuten, deren Ausbildung, den Kosten sowie der Sicherheit (Unbedenklichkeit) basieren sollte.
Regelmässige Bewegung – egal welche – hilft
Meine Suche in der Cochrane Library hat mir gezeigt: es gibt bislang keine schlüssige Evidenz für eine bestimmte Bewegungsform, welche am besten bei der Behandlung von Kreuzschmerzen hilft. In den Cochrane Reviews ergaben sich für verschiedene Bewegungsarten unterschiedliche Wirkungen. Diese basieren auf Evidenz unterschiedlicher Qualität und sind größtenteils unsicher. Es bedarf somit weiterer Forschung. Zur Linderung bereits vorhandener Kreuzschmerzen ist jedoch eins sicher: Bewegung – mehr oder weniger egal welche – hilft. „Letzen Endes ist die Aktivität, die man macht, nicht entscheidend – d.h. ob die Patienten nun ein Lauf-, Schwimm- oder Krafttraining oder Yoga machen. Wenn sie diese konsequent und funktionell richtig durchführen, dann wirkt sehr vieles“, so André Pirlet, Sport- und Physiotherapeut am Schweizer Paraplegiker-Zentrum. Die Motivation zur Bewegung und Regelmässigkeit des Trainings sind also die entscheidenden Faktoren.
Autor: Anne Borchard
*Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.