Wer schon mal versucht hat, in Bergstiefeln, Stilettos oder Badelatschen joggen zu gehen, der weiß: In Sportschuhen geht das besser. Spezielle Laufschuhe sollen aber nicht nur sportliche Höchstleistungen ermöglichen, sondern ihre Träger auch vor Verletzungen schützen, indem sie die Füße auf alle möglichen Arten polstern, stützen und abfedern. Ob es für die Werbeversprechungen der Industrie auch wissenschaftliche Evidenz gibt, untersucht ein aktueller Cochrane Review.
Laufen gehört weltweit zu den populärsten Fitness-Sportarten überhaupt und bringt als solche eine ganze Reihe von gesundheitlichen Vorteilen mit sich. So haben Läufer gegenüber Couch Potatoes beispielsweise ein deutlich reduziertes Risiko, an kardiovaskulären Krankheiten zu sterben. Andererseits birgt der Laufsport aber auch ein hohes Verletzungsrisiko. Bis zu 80 Prozent aller regelmäßigen Jogger erleiden irgendwann eine akute (Zerrung, Bänderriss etc.) oder schleichend einsetzende (Knie- oder Hüftbeschwerden) Verletzung, zumeist der unteren Gliedmaßen.
Die weltweit mehr als 50 Milliarden US-Dollar pro Jahr umsetzenden Hersteller von Sportschuhen übertrumpfen sich deshalb gegenseitig mit ihren Werbeversprechen. Immer neue Designvarianten sollen demnach das Risiko solcher Verletzungen reduzieren. Die Grenze zwischen sinnvoller Innovation und allein werbewirksamen Schnickschnack ist dabei oft schwer zu ziehen.
Echter Nutzen oder Schnickschnack?
Die Autor*innen eines neuen Cochrane Reviews wollten es genauer wissen und haben nun die wissenschaftliche Evidenz für den Nutzen verschiedener Typen von Laufschuhen (siehe Kasten unten) zusammengetragen und ausgewertet. Ziel des Reviews war es, „die Auswirkungen (Nutzen und Schaden) von Laufschuhen zur Vorbeugung von Verletzungen der unteren Extremitäten bei erwachsenen Läufern“ zu bewerten. Mit „Verletzungen“ sind dabei allgemein starke Beschwerden gemeint, seien es akute Brüche, Bänderrisse, Zerrungen oder Beschwerden, die durch eine dauerhafte Überbelastung von Knochen oder Weichteilen des unteren Bewegungsapparates hervorgerufen werden, wie Knieschmerzen oder das schmerzhafte Schienbeinkantensyndrom.
Im Rahmen ihrer systematischen Suche im Juni 2021 fanden die Autor*innen 12 randomisierte oder quasi-randomisierte Studien mit insgesamt mehr als 11.000 Teilnehmenden. Die Läuferinnen und Läufer wurden einer von mehreren Vergleichsgruppen mit unterschiedlichem Lauf-Schuhwerk zugeteilt. Je nach Studie wurde dann 6 bis 26 Wochen lang nachverfolgt, wie viele der Sportler*innen Verletzungen der unteren Extremitäten erlitten. Darüber hinaus werteten die Autor*innen auch weitere Ergebnisse der Studien aus, etwa zur subjektiven Zufriedenheit oder zu der Frage, ob die Teilnehmenden sich in der Ausübung ihres Hobbys eingeschränkt fühlten.
Leider erlaubt die durchaus umfangreiche Evidenz so gut wie keine eindeutigen Rückschlüsse. Grund dafür ist die nach den Kriterien von GRADE fast durchwegs niedrige bis sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz. Das größte Problem: Die Teilnehmenden wussten in fast allen Studien, welchen Typ von Laufschuh sie nutzten. Es mangelte also an der Verblindung, einem wichtigen Qualitätsmerkmal für aussagekräftige Evidenz. Zudem war die Zahl der Teilnehmenden für einige Vergleiche sehr klein.
Die Ergebnisse im Einzelnen
Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit gab es lediglich zu Laufschuhen, die von Spezialisten auf Basis einer Untersuchung des Fußes verschrieben wurden. Das ernüchternde Ergebnis: Sie schützen trotz des Aufwands wahrscheinlich nicht besser vor Verletzungen als nicht speziell verschriebene Laufschuhe.
Ebenfalls keine oder nur unbedeutende Unterschiede fanden die Autor*innen bei den Vergleichen von Neutral- bzw. Dämpfungsschuhen mit sogenannten minimalistischen Laufschuhen, die kaum spezielle Unterstützung für den Fuß bieten. Auch der Vergleich von Schuhen mit harter beziehungsweise weicher Zwischensohle zeigte bei geringer Vertrauenswürdigkeit der Evidenz keine bedeutsamen Unterschiede. Für alle weiteren Vergleiche gängiger Schuhtypen (Motion-Control-Schuhe vs. neutral gepolsterte Schuhe; Stabilitätsschuhe vs. neutral gepolstert; Motion Control vs. Stabilitätsschuhe) war die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz sehr gering und damit ohne echte Aussagekraft.
„Wir können uns deshalb über die tatsächlichen Auswirkungen verschiedener Laufschuhtypen auf die Verletzungsraten nicht sicher sein“, so das ernüchternde Fazit der Autor*innen. Für zukünftige Studien zum Thema fordern sie klarere Definitionen für verschiedene Typen von Laufschuhen und von Laufverletzungen. Bis dahin bleibt Läufer*innen zur Freude der Hersteller wohl nur übrig, mit verschiedenen Modellen zu experimentieren, bis sie eines gefunden haben, mit dem sie gut zurecht kommen. Ein Trost: Sicherer als Stöckelschuhe sind die allemal.
Schuh ist nicht gleich Schuh: Die wichtigsten Typen von Laufschuhen
Laufschuhe unterscheiden sich einerseits im Ausmaß der Dämpfung durch die Sohle. Schweren Gelegenheitsläufern auf hartem Untergrund (Straße) werden zumeist stärker gedämpfte Schuhe empfohlen, gut trainierte Läufer auf weichem Waldboden bevorzugen oft schwach gedämpfte, harte Schuhsohlen für ein „bodennahes“ Laufgefühl.
Andererseits bieten Laufschuhe ein unterschiedliches Ausmaß an Stützfunktionen, die vor allem für Menschen mit Fuß-Fehlstellungen gedacht sind und das versehentliche Umknicken oder „Verknacksen“ des Fußes verhindern sollen.
Im Review wurden folgende Schuhtypen untersucht, die Unterschiede sind jedoch oft unklar definiert:
Minimalistische Schuhe (Barfußschuhe) sind weder gedämpft noch stützend, dafür aber umso leichter.
Neutralschuhe dämpfen ein bisschen, bieten aber keine Stütze
Stabilitätsschuhe (auch: Stabilschuhe) sollen den Fuß stabilisieren und vor einem Einknicken nach Innen bewahren. Sie sind vor allem für Läufer mit einer sogenannten Überpronation oder Senkfüßen gedacht.
Motion-Control-Schuhe oder Bewegungskontrollschuhe sind Stabilitätsschuhe mit noch stärkerer Stützfunktion.
Dämpfungsschuhe (Cushion-Schuhe) sind stark gedämpft, aber wenig gestützt
Schuhe mit harten vs. weichen Zwischensohlen: Hier wurde vor allem das unterschiedliche Ausmaß der Dämpfung verglichen
Text: Georg Rüschemeyer, Cochrane Deutschland
Text: Georg Rüschemeyer, Cochrane Deutschland
Zum Review „Laufschuhe zur Prävention von Laufverletzungen der unteren Extremität bei Erwachsenen“