Essen ist die beste und wirksamste Medizin, heißt es oft. Und oftmals lösen neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema Ernährung regelrechte „Gesundheitswellen oder –trends“ in der Bevölkerung aus. Omega-3-Fettsäuren sind zum Beispiel schon länger hoch im Kurs und anscheinend bekannt für ihre positive Wirkung auf Herz und Hirn. Ein aktuell erschienener Cochrane Review stellt diese weitverbreitete Ansicht nun jedoch auf den Kopf.
Das Schöne an Wissenschaft ist, dass sie nichts zementiert, sondern Erkenntnisse immer wieder überprüft, bis sie sich mit ihren Mitteln so nah wie möglich der ‚Wahrheit‘ angenähert hat. Auf diesem Weg werden so manche „Irrtümer“, die vorher als selbstverständlich angenommen wurden, korrigiert.
„Das Wichtigste ist, dass man nicht aufhört zu fragen.“ – Einstein
Nicht immer stiften neue Erkenntnisse so viel Wirbel wie Einsteins Relativitätstheorie. Doch gerade diejenigen, die vielleicht gar nicht so ‘groß‘ rauskommen, können unter Umständen unser Leben schnell und auch auf ganz praktische Art und Weise beeinflussen. Das spiegelt sich dann zum Beispiel auf den Regalen unserer Supermärkte wieder: Heute steht probiotischer Jogurt, morgen die Superfoods und übermorgen vielleicht wieder etwas anderes an erster Stelle. Bis wieder eine neue Ernährungstudie publiziert wird und somit ein neuer Trend, folgt.
Herzhaft gut?
Omega-3-Fettsäuren sind nun seit geraumer Zeit in aller Munde und stehen weit oben auf der in unserem Kollektivbewusstsein als „Gut-fürs-Herz-und-Hirn“ abgespeicherten Gesundheitsliste. Nun werden wir allerdings eines Besseren belehrt, denn ein aktueller Cochrane Review stellt so manches richtig – oder zumindest einmal wieder deutlich in Frage.
Infobox: Was ist Omega-3 ?
Omega-3 ist eine Art von Fettsäure. Kleine Mengen an Omega-3-Fettsäuren sind für unsere Gesundheit lebensnotwendig und in den Nahrungsmitteln, die wir zu uns nehmen, enthalten.
Die Hauptarten von Omega-3-Fettsäuren sind alpha-Linolensäure (ALA), Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA).
ALA ist natürlicherweise in pflanzlicher Nahrung enthalten. So zum Beispiel in Nüssen und Samen (Walnüsse und Rapssaat sind reichhaltige Quellen).
EPA und DHA werden auch langkettige Omega-3-Fettsäuren genannt und sind in fetthaltigem Fisch, wie Lachs oder Fischölen einschließlich Lebertran enthalten. (Quelle: Cochrane Review)
Cochrane Review fechtet Status Quo an
Der erhöhte Verzehr von Omega-3-Fettsäuren wird nicht nur hierzulande, sondern weltweit befürwortet. Die Fette sind global sehr leicht als rezeptfreie Nahrungsergänzungen erhältlich und werden häufig gekauft und verwendet. Dies beruht unter anderem auf der Überzeugung, dass sie gegen Herzkrankheiten schützen sollen.
Um diesem Dogma auf den Grund zu gehen setzten sich Cochrane Autoren* zum Ziel, die Auswirkungen der Aufnahme von zusätzlichen Omega-3-Fettsäuren (zum Beispiel in Nahrungsergänzungsmitteln oder durch gesteigerte natürliche Zufuhr) im Vergleich zum normalen oder niedrigen Omega-3-Verzehr auf Erkrankungen des Herzens und des Kreislaufs zu bewerten. Dafür fassten sie die Ergebnisse von 79 randomisierten Studien mit 112.059 teilnehmenden Männern und Frauen zusammen.
Lange Rede, kurzer Sinn:
Die Bemühungen der Autoren lohnten sich, denn sie kamen zu dem Gesamtergebnis, dass die zusätzliche Einnahme oder der vermehrte Verzehr von Omega-3-Fettsäuren keine oder nur eine geringe Wirkung auf das Risiko haben, eine Herzerkrankung oder einen Schlaganfall zu erleiden oder zu sterben.
Genauer gesagt…
… fanden die Autoren, dass die Einnahme von langkettigen, im Fisch enthaltenen, Omega-3-Fettsäuren (siehe Infobox) vor allem durch Nahrungsergänzungsmittel wahrscheinlich kaum einen oder gar keinen Unterschied im Risiko für Herzkreislauferkrankungen, koronare Herzerkrankungen, Schlaganfall oder Herz-Unregelmäßigkeiten ausmachen. Auch zeigte die Einnahme von Omega-3 wenig oder keine bedeutsame Wirkung auf das Sterberisiko jeglicher Ursache.
Auch der Verzehr von der in pflanzlicher Nahrung enthaltener Omega-3-Fettsäure (ALA) hat wahrscheinlich wenig oder gar keine Wirkung auf Herzkreislauf-bedingte Todesfälle oder Todesfälle jeglicher Ursache. Der Verzehr von mehr ALA reduziert jedoch wahrscheinlich minimal das Risiko von Herzunregelmäßigkeiten.
(Detailliertere Ergebnisse im vollständigen Bericht)
Wie sicher sind die Ergebnisse?
„Wir können den Ergebnissen dieses Reviews vertrauen, die die weitverbreitete Meinung anfechten, dass Nahrungsergänzungsmittel mit langkettigen Omega-3-Fettsäuren das Herz schützen. Dieser systematische Review umfasst Informationen von vielen Tausenden von Menschen über lange Zeiträume. Trotz dieser Menge an Informationen haben wir keine schützenden Wirkungen entdeckt.” – Hauptautor des Cochrane-Reviews, Dr. Lee Hooper von der University of East Anglia
Fazit:
Man lernt nie aus. Und sollte dies auch nie anstreben, denn das Neu-Erlernte könnte ganz schnell praktische Auswirkungen auf unsere Alltagsverhalten haben, wenn auch ‚nur‘ beim nächsten Einkauf von Nahrungsergänzungsmitteln.
Text: Andrea Puhl
*Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beiderlei Geschlecht.