Wie infizierte Stechmücken gegen Dengue-Fieber helfen

5
(4)

Das von Stechmücken übertragene Dengue-Virus mit infizierten Stechmücken bekämpfen? Klingt paradox, scheint aber zu funktionieren! Die Stechmücken sind allerdings nicht mit dem für Menschen gefährlichen Dengue-Virus infiziert, sondern mit einem Bakterium, das für Menschen harmlos ist: Wolbachia. Dass das verrückt klingende Konzept tatsächlich funktioniert, zeigt ein Cochrane Review aus dem Jahr 2024. Er schließt zwar nur eine einzige Studie ein – aber die ist methodisch hochwertig.

Das Dengue-Virus (DENV) wird von Stechmücken der Gattung Aedes übertragen. Die Übertragung findet statt, wenn eine Mücke zunächst einen infizierten Menschen sticht, das Virus dadurch aufnimmt – und dann einen Gesunden sticht und ansteckt. Weltweit verursacht das DENV schätzungsweise 100 Millionen Infektionen und 10.000 Todesfälle jährlich (Global Burden of Disease Study 2013). Seit 1990 hat sich die Inzidenz von Dengue jedes Jahrzehnt verdoppelt. Die meisten Infektionen verlaufen zwar mild, aber einer von 20 Menschen entwickelt eine schwere Form von Dengue. Wie gut diese Methode in der Praxis funktioniert und ob dies auch tatsächlich zu weniger Dengue-Infektionen bei den Menschen im entsprechenden Gebiet führt , ist die Frage eines kürzlich erschienenen Cochrane Reviews.

Ausbreitung von Dengue-übertragenden Stechmücken nimmt zu

Es gibt mehrere Gründe für die weltweite Ausbreitung von Dengue. Einerseits schafft der Klimawandel mit steigenden Temperaturen und veränderten Niederschlagsmustern ideale Lebens- und Brutbedingungen für die Dengue-übertragenden Mücken in immer mehr Regionen. Andererseits spielt die Rückkehr von infizierten Reisenden aus Endemiegebieten in bisher Dengue-freie Regionen eine bedeutende Rolle. Diese Reisenden können das Virus in neue Gebiete einführen, wo lokale Mückenpopulationen es weiter verbreiten können.

Aus Sicht vieler Expert*innen ist es daher wichtig, die Ausbreitung des Dengue-Virus möglichst einzudämmen. Ein entscheidender Ansatzpunkt dafür sind die Überträger des Dengue-Virus, Stechmücken der Gattung Aedes (Aedes aegypti und Aedes albopictus). Die ursprünglich aus Südostasien stammende Asiatische Tigermücke Aedes albopictus breitet sich seit geraumer Zeit auch in Europa aus – zunächst vor allem in südeuropäischen Ländern, mittlerweile aber auch zunehmend in Deutschland. Besonders betroffen ist die Oberrheinschiene – dorthin gelangten die Mücken vermutlich als blinde Passagiere auf LKWs. Die beiden Mückenarten übertragen neben Dengue auch andere gefährliche Viruskrankheiten wie Gelbfieber, Zika und Chikungunya. Die Idee, die Mückendichte durch Insektizide oder das Austrocknen ihrer Brutgewässer zu reduzieren, hat sich in der Praxis nur bedingt bewährt.

Wie Wolbachia-Bakterien Dengue eindämmen könnten

Umso interessanter ist ein neuer Ansatz, in dem das Bakterium Wolbachia pipientis eine Schlüsselrolle spielt: Dieses Bakterium kommt nur in Insekten und einigen anderen Wirbellosen vor – darunter eben die Aedes-Stechmücken. Wolbachia lebt in den Zellen seines Wirts ohne den Gastgeber zu schädigen.

Zwei Besonderheiten dieses Bakteriums macht man sich dabei zunutze. Erstens: Ist eine Stechmücke mit Wolbachia infiziert, kann sich das Dengue-Virus in ihr nicht gut vermehren. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sie das Virus auf den Menschen überträgt, den sie sticht. Und zweitens: Die Wolbachia-Infektion verändert die Fortpflanzungsfähigkeit der Stechmücken. Sie führt zur so genannten zytoplasmatischen Inkompatibilität. Konkret heißt das: Paart sich ein infiziertes Männchen mit einem nicht-infizierten Weibchen, entstehen unfruchtbare Eier – also keine Nachkommen. Dies geschieht, weil die Wolbachia-Bakterien die Spermazellen infizierter Männchen so verändern, dass sie nur mit Eizellen infizierter Weibchen kompatibel sind. Paart sich dagegen ein infiziertes Weibchen (egal ob mit einem infizierten oder nicht-infizierten Männchen), sind die Eier fruchtbar und tragen die Wolbachia-Infektion weiter. Infizierte Weibchen haben also immer fruchtbare Eier – nicht infizierte Weibchen hingegen nur dann, wenn sie sich mit einem nicht-infizierten Männchen paaren.

Wegen dieses Fortpflanzungsvorteils verdrängen Wolbachia-infizierte Mücken mit der Zeit ihre nicht mit dem Dengue-Virus infizierten Artgenossen. Dieser erwünschte Vorgang wird Introgression genannt. Es scheint daher vielversprechend, mit Wolbachia-infizierte Mücken zu züchten und auszusetzen – in der Hoffnung, dass sich das Bakterium in der gesamten Mückenpopulation ausbreitet und so das Dengue-Risiko sinkt.

Eine indonesische Studie mit Wolbachia

Die systematische Suche nach randomisierten kontrollierten Studien „aus freier Wildbahn“ ergab lediglich eine einzige abgeschlossene, dafür aber gut gemachte Studie aus Indonesien. Die Autor*innen des Reviews fanden zudem zwei weitere, noch nicht abgeschlossene Studien (EVITA Dengue in Brasilien und Project Wolbachia in Singapur, beide sollen Ende 2024 bzw. Anfang 2025 beendet sein).

Die indonesische Studie folgte einem sogenannten cluster-randomisierten Design: ein ca. 26 km2 großes, urbanes Gebiet mit mehr als 300.000 Einwohner*innen wurde in 24 Cluster aufgeteilt – also kleinere, rund einen Quadratkilometer große Parzellen, die geografisch voneinander abgegrenzt waren. Nach dem Zufallsprinzip wurden in zwölf dieser Parzellen Wolbachia-infizierte Mücken ausgesetzt. In den zwölf anderen Arealen wurde nichts unternommen – sie dienten als Kontrolle.

Studienteilnehmer*in wurde, wer zwischen drei und 45 Jahren alt war, in einem der 24 Cluster lebte und sich während des Erhebungszeitraums mit Fieber in einer örtlichen Klinik vorstellte. 6306 Personen erfüllten die Anforderungen für die Aufnahme in die Analysen: 2905, die in den Interventionsclustern lebten, und 3401, die in den Kontrollclustern lebten. Die Teilnehmenden wurden in zwei Gruppen unterteilt: diejenigen, die positiv auf die das Dengue-Virus getestet wurden („Fälle“), und diejenigen, die negativ getestet wurden („Kontrollen“). Wichtig dabei war, dass sowohl die Fälle als auch die Kontrollen Symptome aufwiesen, die eine diagnostische Testung rechtfertigten. Konkret bedeutete das, dass alle Teilnehmenden Fieber hatten. Dieses Verfahren wird als „eingebettetes Test-negatives Studiendesign“ bezeichnet und dient dazu, Verzerrungen zu minimieren, die durch unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten entstehen könnten, dass Menschen sich testen lassen oder medizinische Hilfe in Anspruch nehmen.

Eingebettetes Studiendesign zeigt erfolgreiche Eindämmung

In den Gebieten, in denen über drei Jahre hinweg infizierte Mücken freigesetzt wurden, gelang es, die Rate Wolbachia-infizierter Mücken auf rund 96 % der gesamten Population zu erhöhen. In den Kontrollclustern machten sie nur 11% aus. Und davon profitierten wie erhofft auch die Menschen in den Freisetzungsgebieten: Dort waren nur 2,3 % der fiebrig-Erkrankten in den örtlichen Kliniken mit Dengue infiziert – in den Kontrollclustern aber 9,4 %. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Menschen an dem Virus erkrankten, war also um beeindruckende 77 Prozent (95%-Konfidenzintervall: 65 bis 85) niedriger.

Lokale Gegebenheiten könnten eine Rolle spielen

Diese vielversprechenden Ergebnisse machen neugierig auf das, was die noch laufenden Studien an Erkenntnissen bringen werden. Erst dann kann man abschätzen, ob die Ergebnisse auch auf andere Dengue-Gebiete übertragbar sind. Die Cochrane Autor*innen geben allerdings zu bedenken: Wie effektiv die Wolbachia-Methode zur Bekämpfung der stechenden Dengue-Überträger tatsächlich ist – das könnte von lokalen Gegebenheiten abhängen. Etwa von den ökologischen Bedingungen, der Verbreitung von Dengue-Infektionen, bereits vorhandenen Strategien zur Stechmückenkontrolle – und nicht zuletzt davon, ob die Bevölkerung vor Ort die Aussetzung von „mikrobiell infizierten Insekten“ akzeptiert. Denn werden Wolbachia-infizierte Mücken ausgesetzt, kann die Gesamtzahl der Mücken kurzfristig ansteigen. Auch unbeabsichtigte Auswirkungen auf das Ökosystem und die Möglichkeit, dass Mückenpopulationen im Laufe der Zeit Resistenzen gegen die Effekte von Wolbachia entwickeln könnten, gilt es zu bedenken.

Quellen

Fox T, Sguassero Y, Chaplin M, Rose W, Doum D, Arevalo-Rodriguez I, Villanueva G. Wolbachia ‐carrying Aedes mosquitoes for preventing dengue infection. Cochrane Database of Systematic Reviews 2024, Issue 4. Art. No.: CD015636. DOI: 10.1002/14651858.CD015636.pub2.

Utarini A, Indriani C, Ahmad RA, Tantowijoyo W, Arguni E, Ansari MR, Supriyati E, Wardana DS, Meitika Y, Ernesia I, Nurhayati I, Prabowo E, Andari B, Green BR, Hodgson L, Cutcher Z, Rancès E, Ryan PA, O’Neill SL, Dufault SM, Tanamas SK, Jewell NP, Anders KL, Simmons CP; AWED Study Group. Efficacy of Wolbachia-Infected Mosquito Deployments for the Control of Dengue. N Engl J Med. 2021; 384: 2177-2186.

Hamer DH. Dengue – Perils and Prevention. N Engl J Med. 2021; 384: 2252-2253.

Anders KL, Indriani C, Ahmad RA, Tantowijoyo W, Arguni E, Andari B, Jewell NP, Rances E, O’Neill SL, Simmons CP, Utarini A. The AWED trial (Applying Wolbachia to Eliminate Dengue) to assess the efficacy of Wolbachia-infected mosquito deployments to reduce dengue incidence in Yogyakarta, Indonesia: study protocol for a cluster randomised controlled trial. Trials 2018; 19: 302.


Text: Dr. Birgit Schindler

Wie gefällt Ihnen dieser Artikel?

Klicken Sie auf einen Stern, um den Artikel zu bewerten.

Durchschnittsbewertung: 5 / 5. Anzahl an Bewertungen: 4

Bisher keine Bewertungen. Seien Sie die/der Erste!

Wir freuen uns über Rückmeldung von Ihnen!

Schreiben Sie uns, was wir in Zukunft verbessern oder beibehalten sollten?

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Scroll to Top