Ein Wegbereiter der modernen evidenzbasierten Medizin: Ignaz Semmelweis

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Einfache Hygienemaßnahmen wie gründliches Händewaschen sind wichtig und effektiv sind, um Infektionen zu kontrollieren. Das zeigt aktuelle Cochrane Evidenz. Ein Konzept, das Ignaz Semmelweis bereits im 19. Jahrhundert als Wegbereiter der modernen Medizin erkannte und einführen wollte.

Ignaz Semmelweis, ein ungarischer Arzt, gilt als „Retter der Mütter“ aufgrund seiner bahnbrechenden Entdeckung zur Prävention des Kindbettfiebers. Semmelweis, geboren 1818 in Buda, begann seine medizinische Karriere in Wien, wo er im Allgemeinen Krankenhaus arbeitete. Dort fiel ihm die erschreckend hohe Sterblichkeitsrate bei Wöchnerinnen auf, die durch das sogenannte Kindbettfieber verursacht wurde. Das Kindbettfieber war eine damals weit verbreitete und oft tödliche Erkrankung, die frisch entbundene Mütter heimsuchte. Ignaz Semmelweis beobachtete, dass besonders viele Mütter in der Abteilung starben, die von männlichen Ärzten betreut wurden, im Vergleich zu der von Hebammen geleiteten Abteilung.

Nach sorgfältiger Beobachtung und Analyse vermutete Semmelweis, dass „Leichengift“ die Ursache von Infektionen war, das von den Medizinstudenten und Ärzten nach Autopsien von den Leichenhäusern in die Geburtskliniken getragen wurde. Semmelweis ordnete daraufhin um 1847 an, dass Ärzte und Medizinstudenten ihre Hände mit chloriertem Wasser desinfizieren sollten, bevor sie Frauen bei der Geburt halfen. Die Sterblichkeit auf der Geburtsstation sank daraufhin drastisch.

Streit um das Händewaschen

Diese Erfolgsgeschichte sollte eigentlich die medizinische Welt im Sturm erobern, doch das Gegenteil war der Fall.

Trotz seiner fundierten Beobachtung stieß Semmelweis auf erheblichen Widerstand und Skepsis seitens der medizinischen Gemeinschaft. Seine Kollegen und Vorgesetzten wehrten sich gegen die Vorstellung, dass sie selbst Überträger tödlicher Krankheiten sein könnten. Zudem war das Konzept von Mikroorganismen und Infektionskrankheiten zu dieser Zeit noch weitgehend unbekannt, und viele Ärzte fühlten sich durch Semmelweis‘ implizite Kritik an ihren Praktiken beleidigt. Semmelweis‘ vehementes Auftreten und seine Kritik an der etablierten Ärzteschaft führten dazu, dass er isoliert und letztendlich aus seiner Position in Wien gedrängt wurde.

Er kehrte nach Ungarn zurück, wo er weiterhin für seine Hygienepraktiken warb, jedoch mit begrenztem Erfolg und ohne den erhofften Durchbruch. Viele frisch entbundene Mütter starben wegen mangelnder Hygiene und dem Ignorieren eindeutiger Evidenz weiterhin. Auch Semmelweis‘ psychischer Zustand verschlechterte sich aufgrund seiner Frustration und Enttäuschung über die Ablehnung seiner Ideen. 1865 wurde er in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen, wo er kurz darauf unter weitestgehend ungeklärten Umständen starb.

Breite Anerkennung erst posthum

Erst Jahre nach seinem Tod erkannten andere Pioniere wie Louis Pasteur und Joseph Lister die Bedeutung von Semmelweis‘ Entdeckungen. Sie entwickelten die Keimtheorie der Krankheiten und bestätigten die Bedeutung antiseptischer Verfahren. Heute gilt Ignaz Semmelweis als Pionier der Infektionskontrolle und als Vorreiter der antiseptischen Prophylaxe.

Leben und Werk von Ignaz Semmelweis sind ein eindrucksvolles Zeugnis dafür, wie scharfe Beobachtung, das Infrage stellen von Althergebrachtem und wissenschaftliche Neugierde den Weg zu neuen medizinischen Erkenntnissen ebnen. Seine Entdeckung der Bedeutung der Handhygiene hat unzählige Leben gerettet und prägt bis heute die medizinische Praxis.

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Aktueller Hinweis:

Handhygiene ist heute eine unumstritten wirksame Methode, um sich und andere vor Infektionskrankheiten zu schützen.

Finden Sie hier eine Auswahl aktueller Cochrane Reviews zum Thema Händewaschen:
Kann die Bestärkung, sich die Hände zu waschen, vor Durchfall schützen? 
Hand hygiene for the prevention of infections in neonates
Händereinigung mit Asche zur Verringerung der Ausbreitung von viralen und bakteriellen Infektionen: ein Rapid Review
Physikalische Interventionen zur Unterbrechung oder Verringerung der Ausbreitung von Atemwegsviren

Wer seine Hände richtig waschen will, sollte einige Grundregeln beachten:


Nass machen: Die Hände werden unter fließendes Wasser gehalten. Die Temperatur kann so gewählt werden, dass sie angenehm ist.
Rundum einseifen: Handinnenflächen, Handrücken, Daumen, Fingerzwischenräume und Fingerspitzen sollten gründlich eingeseift werden.
Zeit lassen: Gründliches Händewaschen dauert mindestens 20 Sekunden, bei stark verschmutzten Händen auch länger.
Gründlich abspülen: Die Hände sollten unter fließendem Wasser abgespült werden.
Sorgfältig abtrocknen: Das Abtrocknen der Hände – auch zwischen den Fingern – gehört zu einer effektiven Handhygiene. Durch das Abtrocknen werden Keime, die noch an den Händen oder im Restwasser an den Händen haften, entfernt.Handhygiene ist heute eine unumstritten wirksame Methode, um sich und andere vor Infektionskrankheiten zu schützen.


Text: Katharina Wollmann, Cochrane Deutschland

Hier kommen Sie zu einem weiteren Beitrag über die Bedeutung medizinischer Fortschritte: Früher war nicht alles besser

Quellen

https://www.deutschlandfunk.de/arzt-ignaz-philipp-semmelweis-retter-der-muetter-100.html

https://www.bzga.de/presse/pressemitteilungen/2019-04-30-so-geht-gruendliche-haendehygiene

https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/zeitzeichen/zeitzeichen-ignaz-semmelweis-102.html

Ejemot-Nwadiaro RI, Ehiri JE, Arikpo D, Meremikwu MM, Critchley JA. Hand‐washing promotion for preventing diarrhoea. Cochrane Database of Systematic Reviews 2021, Issue 1. Art. No.: CD004265

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