Kleines 1×1 der Studientypen: Die randomisiert kontrollierte Studie

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Warum gilt die RCT als „Königin der Studien“? Was genau sind die Vor-und Nachteile der prospektiven Beobachtungsstudie oder der retrospektiven Fall-Kontroll-Studie? Kurze Antworten gibt es in unserer neuen Serie „Kleines 1×1 der Studientypen“. Wir beginnen natürlich mit der randomisiert kontrollierten Studie, die zuverlässigste Versuchsanordnung, um den Effekt von zwei Therapien miteinander zu vergleichen.

Die randomisierte kontrollierte Studie (engl.: randomised controlled trial, RCT) gilt als Goldstandard für den Beweis einer Ursache-Wirkungs-Beziehung. Die RCT ist eine klinische Versuchsanordnung, in der Personen unter kontrollierten Bedingungen verschiedene Interventionen bekommen. Nur mit diesem Studiendesign können Forschende Aussagen über die Kausalität treffen. Zusammen mit systematischen Reviews und Meta-Analysen bieten sie den höchsten Grad an Evidenz, wenn es darum geht, die Wirkung zweier oder mehrerer Interventionen zu vergleichen.

Aller guten Dinge sind drei, im Namen stecken aber nur zwei…

Drei Kriterien sind für eine hochwertige RCT unbedingt notwendig:

Warum braucht es Kontrolle?

Als „kontrolliert“ gilt eine Studie, wenn die Interventionsgruppe mit einer Kontrollgruppe verglichen wird.

Nur durch eine Kontrollgruppe kann man sicherstellen, dass die gemessenen Veränderungen auch wirklich auf die Behandlung zurückzuführen sind und nicht auf andere Faktoren.
Als Kontrollbehandlung kann ein Placebo oder eine andere Behandlung (z.B. die Standardbehandlung) dienen. Unter Placebo (lat.: „ich werde gefallen“) versteht man Scheinbehandlungen, die keine spezifische Wirkung haben, und sich in Aussehen, Farbe, Geruch und Geschmack nicht von der aktiven Therapie unterscheiden.

Interessanterweise wirken auch „Placebos“ bei den Behandelten. Dieser Placeboeffekt kann an sich schon sehr stark sein. Er resultiert aus der Erwartungshaltung und Konditionierung der Behandelten und ist sogar körperlich messbar. Gleichzeitig variierte seine Stärke auch durch die Art und Weise wie der oder die Behandelnde das Mittel erklärt, in Rituale einbettet oder verabreicht. In Placebo-kontrollierten Studien wird der Therapieeffekt vom Placeboeffekt getrennt.

Die Zuteilung lieber dem Zufall überlassen

Bei der Randomisierung werden die Studienteilnehmenden mit einem allein vom Zufall abhängigen Verfahren durch Verwendung von Zufallszahlen oder Computeralgorithmen entweder der Behandlungs- oder der Kontrollgruppe zugeteilt. Doch warum reicht es nicht einfach, die Zuteilung beispielsweise alphabetisch vorzunehmen?

In einer Stichprobe gibt es sowohl bekannte als auch unbekannte Störgrößen, beispielsweise Gewicht, Alter, sozioökonomischer Status, Lebensstil (Ernährung, Rauchen, Alkoholkonsum, körperliche Fitness) oder den Schweregrad einer Erkrankung. Wenn man die Stichprobe nicht nach dem Zufallsprinzip aufteilt und eine Gruppe beispielsweise nur Ältere die andere nur Jüngere enthalten würde, dann interpretiert man möglicherweise altersbedingte Unterschiede bei der Gedächtnisleistung fälschlicherweise als Interventionseffekt. Wird die Zuteilung jedoch komplett dem Zufall überlassen, geht man davon aus, dass sich alle Störgrößen (auch die unbekannten!) gleichmäßig auf die Gruppen verteilen. Diese zufällige Zuteilung muss zudem allen Studienbeteiligten über den gesamten Studienzeitraum verborgen bleiben (verdeckte Zuteilung).

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Zusätzliche Informationen für Wissbegierige

Auch bei einer randomisierten Zuteilung können allein durch Zufall Unterschiede zwischen den Gruppen entstehen, besonders wenn die Anzahl der randomisierten Patient*innen klein ist. Deshalb wird von den Studienautor*innen bei der Publikation nach CONSORT eine Tabelle gefordert („table one“), in der die Verteilung relevanter Merkmale (z.B. Geschlecht, Alter, Rauchstatus) jeweils für die Interventions- und Kontrollgruppe dargestellt wird.

Warum „mit verbundenen Augen“ (verblindet)?

Die verdeckte Zuteilung basiert auf dem Verblindungsprinzip. In einer verblindeten Studie wissen im Idealfall alle Beteiligten – also Teilnehmende, Behandelnde und Statistiker*innen – über den gesamten Studienzeitraum hinweg nicht, wer welche Behandlung erhält. Man unterscheidet hierbei, ob nur die Teilnehmenden (einfachblind), zusätzlich auch die Behandelnden (doppelblind) oder auch die Statistiker*innen (dreifachblind) verblindet werden.

Für eine hohe Qualität benötigt eine Studie mindestens eine Doppelverblindung. Bei Studien mit Medikamenten gehört eine Verblindung zum „must-have“. Schwieriger wird es bei nicht-medikamentösen Interventionen. Manchmal ist dann eine Verblindung kaum oder gar nicht möglich. Beispielsweise ist es bei gesprächsbasierten Verfahren in der Psychotherapie nicht möglich, die Psychotherapeut*innen zu verblinden.

Wo lauern die Fehlerquellen?

Die Voraussetzung für die Bewertung der Glaubwürdigkeit der Ergebnisse der RCT ist die vollständig transparente Berichterstattung der methodischen Durchführung. Um Fehlerquellen zu erkennen, gibt es fünf Schlüsselfragen, die man sich an unterschiedlichen Stellen im Arbeitsprozess stellen sollte:

1. War die Zuteilung randomisiert und verdeckt?

2. Fand eine Verblindung statt und wenn ja, wer war verblindet?

3. Gab es Unterschiede in der Abbruchrate zwischen den Gruppen und lassen sich diese auf die Behandlung zurückführen?

4. Wurden die Endpunkte beider Gruppen auf die gleiche Weise erhoben und war der Datenerhebende verblindet?

5. Sind die Ergebnisse so dargestellt, wie im Protokoll geplant und beschrieben?

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Zusätzliche Informationen für Wissbegierige

Diese Fragen werden bei einem Cochrane Review im Risk of Bias Assessment untersucht (RoB2).
Wer sich dafür näher interessiert: Am 04. Dezember 2024 findet dazu bei uns ein Workshop „RCTs kritisch bewerten RoB2“ statt. Darin lernen Sie nach einer kurzen Einführung in das Tool RoB-2, wie sie eine RCT kritisch bewerten. In Kleingruppen und im Plenum können Sie die Bewertung der Studien gemeinsam üben und diese Bewertung anschließend zusammenfassen und diskutieren.

Und warum gibt es dann nicht nur RCTs?

Die RCT hat viele Vorteile, aber nicht alle medizinischen oder die Gesundheit betreffenden Fragestellungen lassen sich damit erforschen. Beispielsweise kann die Prognose einer Erkrankung oder Risikofaktoren für eine Erkrankung nur durch Beobachtungsstudien erforscht werden. Eine qualitativ hochwertige RCT ist zudem teuer und aufwändig.

Auch den Effekt erwiesenermaßen schädlicher Substanzen (z.B. Schwermetall- oder Rauchgasbelastung) kann man nicht in einer RCT untersuchen. Es wäre ethisch unverantwortlich, Menschen gezielt einem Risiko auszusetzen. Um ethische Bedenken auszuräumen (beispielsweise „Darf man den Teilnehmenden ein Placebo geben/die Behandlung vorenthalten?) wird jedes Studienprotokoll durch eine Ethikkommission geprüft. Zudem wird bei schweren Erkrankungen immer die Standardbehandlung als Kontrollgruppe gewählt. Wenn es jedoch keine etablierte Standardtherapie gibt, ist es aus zwei Gründen vertretbar, ein Placebo zu bekommen: Zum einen profitieren die Behandelten vom Placeboeffekt und zum anderen ist ja noch gar nicht sicher, ob die aktive Intervention, mehr nutzt als schadet.

Obwohl die hohe Kontrolle dieses Designs kausale Aussagen ermöglicht, bleibt manchmal unklar, inwieweit sich die Ergebnisse auf Personen mit anderen Eigenschaften (wie beispielsweise Menschen, die mehrere Erkrankungen haben) oder andere Umgebungsbedingungen (z.B. Gesundheitssysteme) übertragen lassen.

Für bestimmte Fragestellungen braucht man also andere Studientypen. Deshalb wird es bald weitere kurze Erklärungen in unserem „Kleinen 1×1 der Studientypen“ geben.


Text: Franziska Halter, Birgit Schindler


Weitere methodische Artikel aus unserer Serie 1×1 der Statistik:

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