Nicht nur, wenn die Tage länger und die Nächte kürzer werden, leiden viele Menschen unter Schlafstörungen. Ein Cochrane Review hat untersucht, in wie weit Musikhören dabei helfen kann, besser ein- und durchzuschlafen.
Schafstörungen sind weit verbreitet. Sie warten des Nachts in einer Reihe von Varianten auf uns: Manche schlafen erst gar nicht ein, andere wachen vorzeitig auf oder sie empfinden ihre Schlafqualität als schlecht. So oder so kann schlechter Schlaf auf Gemüt und Wohlbefinden schlagen. Wenn die Probleme länger anhalten, sollte man also etwas dagegen unternehmen.
Aber was? In schweren Fällen verordnen Ärzte Schlafmittel. Die haben jedoch Nebenwirkungen und sollten wegen der Gefahr einer Abhängigkeit nicht über längere Zeit genutzt werden. Auch Trainings für eine bessere Schlafhygiene (also das Erlernen einer Reihe von Ritualen, die beim Einschlafen helfen sollen) oder eine kognitive Verhaltenstherapie kommen in Frage. In weniger schweren Fällen ist es jedoch sinnvoll, es erst einmal mit einfacheren Mitteln zu versuchen.
Schäfchen, heiße Milch – oder Musik?
Gerade gegen Einschlafstörungen gibt es fast so viele Hausmittel, wie Schlafgestörte. Die einen wollen einfach nur ihre Ruhe, andere zählen Schäfchen, trinken eine Tasse heiße Milch oder schwören auf einen sanft vor sich hin murmelnden Fernseher. Dumm nur, wenn dann im Krimi ein Schuss und man selbst vor Schreck aus dem Bett fällt.
Ein weiteres verbreitetes Mittel für besseren Schlaf ist Musik. Es muss ja nicht Heavy Metal oder Freejazz sein, wobei die Geschmäcker auch bei Schlafmusik natürlich auseinander gehen. Im Netz gibt es längst ein riesiges Angebot von sanft dahinsäuselnder Musik, die speziell für diesen Zweck zusammengestellt wurde.
Musik gegen Schlafstörungen
Die Autor*innen eines aktuellen Cochrane Reviews wollten wissen, ob die Wirkung von Musik auf Schlafstörungen auch wissenschaftlich belegt ist. Sie fanden 13 relevante Studien mit insgesamt gut 1000 Teilnehmern, in denen die Wirkung des Musikhörens mit einer anderen oder keiner Behandlung verglichen wurde. Zu den Vergleichsbehandlungen zählte beispielsweise eine Schulung für bessere Schlafhygiene. Die Studien untersuchten die Wirkung von täglich 25 bis 50 Minuten Musikhörens (in der Regel direkt zum Einschlafen). Die Ergebnisse wurden über Behandlungszeiträume von drei Tagen bis drei Monaten erfasst.
Sie deuten darauf hin, dass Musik zu einer Verbesserung der Schlafqualität beitragen kann. Das Hören von Musik könnte demnach die Einschlaflatenz (wie schnell man also einschläft), die Schlafdauer und die sogenannte Schlafeffizienz (also den Anteil der Schlafzeit im Vergleich zur gesamten Zeit, die man im Bett verbringt) leicht verbessern. Allerdings ist das Vertrauen in diese Evidenz nach dem bei Cochrane üblichen GRADE-Ansatz nur gering. Die Ergebnisse sind also mit recht hoher Unsicherheit behaftet.
Nebenwirkungen sind kaum zu erwarten
Bessere, nämlich „moderat“ vertrauenswürdige Evidenz gibt es für eine deutliche Verbesserung des Pittsburgh Sleep Quality Index (PSQI). Dabei handelt es sich um einen etablierten Fragebogen zur Selbstbeurteilung, dessen Ergebnis Werte zwischen Null (perfekter Schlaf) und 21 annehmen kann. Das Hören von Musik verbesserte diesen Index bei Patienten mit Schlafproblemen um durchschnittlich knapp drei Punkte – kein dramatischer, aber ein für Betroffen durchaus spürbarer Unterschied. Zudem berichtet keine der eingeschlossenen Studien von negativen Nebenwirkungen des Musikhörens. Zusammen mit der leichten Verfügbarkeit dieser Therapie spricht also vieles dafür, es einfach einmal auszuprobieren.
Was heißt hier „entspannend“?
Offen bleibt übrigens, welche Art von Musik am förderlichsten für guten Schlaf ist. Die meisten ausgewerteten Studien beschrieben die verwendete Musik jedenfalls als „entspannend“ – was das bedeutet, liegt natürlich im Ohr des Betrachters. Vielleicht kommt es auch gar nicht so darauf an. Jedenfalls hatten Studien mit festgelegter Musikauswahl keine wesentlich anderen Ergebnisse wie solche, in denen die Teilnehmenden die Musik selbst auswählen durften.
Nur von einem Stück des klassischen Repertoires sollte man sich beim Einschlafen fernhalten: Joseph Haydns Symphonie Nr. 94. Einem zeitgenössischen Biografen zufolge war der Komponist darüber verdrossen, dass bei seinen Konzerten regelmäßig „der Gott des Schlafs seine Flügel über die Versammlung ausgebreitet“ hielt. Darum komponierte er in die berühmte Pianissimo-Melodie des langsamen zweiten Satzes dieser Sinfonie einen plötzlichen Paukenschlag im Fortissimo, der dem Stück den inoffiziellen Titel „Sinfonie mit dem Paukenschlag“ einbrachte. Eine bei der Londoner Premiere im Jahre 1791 selig eingeschlummerte Dame soll dadurch so sehr erschrocken sein, dass sie gleich wieder in Ohnmacht fiel. Und das ist sicher nicht das Ziel einer Therapie gegen schlechten Schlaf.
Zum Review: Musikhören bei Schlafstörungen von Erwachsenen
Text: Georg Rüschemeyer, Cochrane Deutschland