Im Leben muss man viele Entscheidungen treffen, und dabei ist es wichtig Entscheidungsmöglichkeiten zu haben. Eine Entscheidung in Bezug auf die Gesundheitsversorgung zu treffen, vor Allem wenn es um einen selbst geht, ist eine ernste Sache. Hier will man nichts falsch machen.
Wer sollte Evidenz verstehen?
Wenn Patienten im Wartesaal meiner Klinik sitzen, frage ich mich manchmal, ob ich ihnen nicht verschiedene Beratungsarten anbieten sollte. Wollen sie eher eine traditionelle, paternalistische „der Doktor weiß die Antwort schon“-Beratung, wenn sie zu mir kommen? Eine, in welcher ich ihnen zuhöre und dann eine Behandlungsmethode oder eine Behandlung verordne? Oder wollen sie das genaue Gegenteil: eine Auswahl an Optionen, eine Menge an Informationen aus dem Internet und ein Bündel an schriftlich verfasstem Material, sodass sie nach Hause gehen können und sich all das in Ruhe selbst ansehen und dann selbst entscheiden können?
Meiner Ansicht nach braucht die optimale ärztliche Konsultation eine gemeinsame Entscheidungsfindung. Eine, in der ich und der Patient gemeinsam die verschiedenen Optionen im Hinblick auf dessen Werte und Überzeugungen, und seiner Einstellung bezüglich Risiken und Unsicherheiten, berücksichtigen. Wir beide müssen die Evidenz verstehen, auf Grund der wir Entscheidungen treffen: Evidenz, zum Beispiel zur Wirksamkeit (oder eben der Nicht-Wirksamkeit) verschiedener Behandlungen und der Risiken, die damit einhergehen; auch die Evidenz zur Genauigkeit von Diagnoseverfahren oder der Prognose; manchmal auch – vielleicht auch immer öfter – Evidenz zum Kosten-Nutzen-Verhältnis der verschiedenen Optionen.
Für all dies benötigt man ein klares Verständnis von Evidenz. Aber was ist, unter einem bestimmten Umstand, gute oder schlechte Evidenz? Was meinen wir eigentlich wenn wir die Worte „gut“ oder „schlecht“ in diesen Situationen benutzen? Der Begriff „evidenzbasiert“ wird in letzter Zeit überstrapaziert. Ich befürchte seine Verwendung ist nicht immer angemessen.
Einem besseren Verständnis näher kommen
Wir verfassen eine Reihe an Artikeln, um unseren Lesern besser verständlich zu machen, wie man Evidenz nutzt. Die Prinzipien der evidenzbasierten Medizin schreiben vor, dass die „aktuell beste Evidenz“ zu Entscheidungsfindungen in der Gesundheitsversorgung ‚gewissenhaft, eindeutig und vernünftig‘ angewandt werden soll.
Die ‚beste Evidenz‘ kann aus verschiedenen Quellen stammen. Systematische Reviews randomisierter, kontrollierter Studien (RCTs) – wie die, die von Cochrane erstellt und in der Cochrane Library veröffentlicht werden – sind ganz oben in der Evidenzhierarche, gefolgt von RCTs selbst und danach von Studien, mit anderen Designs. Expertenmeinungen und auf Mechanismen begründete Logik kommen an letzter Stelle. Berichte von systematischen Reviews, RCTs und anderen Studien zu verstehen ist wichtig. Leider ist es so, dass nur weil etwas veröffentlicht ist – egal ob auf Papier oder im Netz – es noch lange nicht heißt, dass man dem glauben kann.
Wir hoffen, dass diese Artikel dir dabei helfen, deine Fähigkeiten zu verbessern, sodass du mit kritischem Blick auf Evidenz schauen kannst und Schwächen und Stärken erkennst. Ein besseres Verständnis der Evidenz sollte dir – hoffentlich – helfen, bessere Entscheidungen für deine eigene Gesundheit zu treffen, oder der deiner Familie oder deiner Patienten. Auch in deinem täglichen Leben sollte es dir helfen neue Nachrichten im Bereich Medizin und Gesundheit kritisch zu betrachten und skeptisch gegenüber allem zu sein, was unter „evidenzbasiert“ klassifiziert wird.
Text: Martin Burton, Direktor von Cochrane UK
Englischer Originalartikel auf Evidently Cochrane: http://www.evidentlycochrane.net/understanding-evidence-series-cochrane-uk/