Im Jahr 2015 kam fast jedes dritte Kind in Deutschland, Österreich und der Schweiz per Kaiserschnitt zur Welt. Doch das Infektionsrisiko beim Kaiserschnitt ist wesentlich höher als bei natürlichen Geburten. Ist der vorbeugende Einsatz von Antibiotika sinnvoll?
Kaiserschnitt – eine Operation mit Risiken
Der Kaiserschnitt (auch Sectio genannt) gilt als Routineoperation: Das Neugeborene wird nicht vaginal geboren, sondern meist nach einem sogenannten Pfannenstiel-Schnitt im Unterbauch der Mutter entbunden. Wie bei jeder Operation besteht immer ein gewisses Risiko einer Infektion. Verglichen mit der vaginalen Geburt, steigt das Risiko einer Infektion für die Mutter bei einer Kaiserschnittentbindung um das Fünffache. In der Tat, stelle eine Kaiserschnittentbindung den stärksten Risikofaktor für Infektionen nach der Geburt dar.
Infektionen mit Antibiotika vorbeugen – Wann?
Vor allem zur Vermeidung von Infektionen um die Operationswunde hat sich die vorbeugende Gabe von Antibiotika vor dem Hautschnitt bei den unterschiedlichsten operativen Eingriffen, wie zum Beispiel bei Knochenbrüchen, als am wirksamsten erwiesen. Bei Kaiserschnittgeburten wurde jedoch lange Zeit die Gabe nach Abnabelung des Kindes praktiziert. Dadurch sollte ein Übergang des Medikamentes von der Mutter auf das Neugeborene vermieden werden. Dahinter stand auch die Überlegung, die Risiken der Antibiotikagabe, wie zum Beispiel unerwünschte Wirkungen des Antibiotikums oder eine unter diesen Umständen nicht zu erkennende Blutvergiftung (Sepsis), für das Neugeborene zu minimieren.
Verglichen mit der Antibiotikagabe vor OP-Beginn kann die Gabe nach Abklemmen der Nabelschnur dazu führen, dass bei der Mutter der Wirkstoff erst verspätet im Blut- und Gewebespiegel vorhanden und der prophylaktische Schutz somit erst verzögert eintritt.
Ein kürzlich durchgeführter systematischer Review, der von der Leitliniengruppe der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) in Auftrag gegeben wurde, hat sich der Fragestellung des Zeitpunkts der Antibiotikagabe beim Kaiserschnitt nochmals angenommen.
Evidenz für den richtigen Zeitpunkt
Grundlage der Evidenz
Die Evidenz basiert auf 17 Studien mit über 7000 Teilnehmerinnen, die zwischen 1979 und 2013 in neun verschiedenen Ländern durchgeführt wurden. Zwei Studien wurden in Europa (Italien und Österreich) und sieben Studien in den USA durchgeführt, weitere im Nahen Osten, in Indien und China. Trotz potentiell unterschiedlicher Hygienestandards und Keimspektren in den verschiedenen Ländern zeigten die Studien weitgehend ähnliche Ergebnisse.
Mütterliche Risiken
Bei der Mutter traten schwere Infektionen, Entzündungen der Gebärmutter, Wundinfektionen und Mortalität um 40% weniger häufig auf, wenn das Antibiotikum vor statt nach dem Hautschnitt gegeben wurde. Anders ausgedrückt: erhalten 100 Frauen die antibiotische Prophylaxe nach Abnabelung des Neugeborenen, treten bei etwa 6 Frauen die o.g. Infektionen auf. Bei Frauen, die die Prophylaxe vor dem Hautschnitt erhalten, muss hingegen nur bei 4 mit den genannten Infektionen gerechnet werden. Die Qualität der Evidenz für dieses Studienergebnis wurde als hoch eingestuft, d.h. zukünftige Studien werden sehr wahrscheinlich ein ähnliches Ergebnis zeigen. Für Harnwegsinfektionen, Lungenentzündungen oder andere Infektionen verursacht durch therapieresistente Bakterien unterschied sich das Risiko zwischen den beiden Verabreichungszeitpunkten nicht. Die Qualität der Evidenz war hier laut Autoren niedrig bis moderat, d.h. weitere Studienergebnisse könnten womöglich diese Aussage beeinflussen.
Risiken für Neugeborene
Für Neugeborene, deren Mütter bereits vor Hautschnitt eine antibiotische Prophylaxe erhielten, zeigte sich kein Nachteil. Zum Beispiel gab es keine Hinweise, dass die Antibiotikagabe vor Kaiserschnittgeburt einen negativen Einfluss auf die Darmflora des Neugeborenen ausübt. Mögliche Risiken, die in Zusammenhang mit der Antibiotikagabe vor dem Eingriff beim Neugeborenen bisher diskutiert wurden, konnten durch die vorhandenen Studien nicht bestätigt werden. Die Qualität der Evidenz war dabei niedrig beziehungsweise moderat. Einschränkend ist jedoch anzumerken, dass eine eher begrenzte Datenlage für Neugeborene vorliegt. Langzeitergebnisse, über sechs Wochen nach der Geburt, wurden in den Studien nicht berichtet.
Text: Christine Schmucker