Ob Videos, Gruppenschulungen oder Sticker – ein Cochrane Review zeigt, dass eine ganze Reihe von Maßnahmen die Handhygiene in verschiedenen Situationen verbessern und dadurch das Risiko für Durchfallerkrankungen deutlich senken können.
Der Chirurg und Geburtshelfer Ignaz Semmelweis erkannte vor über 170 Jahren, dass Händewaschen die Übertragung von Krankheiten verhindert. Daraufhin forderte der Mediziner aus Wien eine Händedesinfektion des Gesundheitspersonals. Mit seinen Erkenntnissen zur Handhygiene war Semmelweis seiner Zeit weit voraus. Er stieß bei seinen Kollegen auf taube Ohren – mit tragischen Folgen. Die Ärzte waren nicht bereit, ihre Hände nach den Vorgaben von Semmelweis zu säubern. Sie übertrugen weiterhin Infektionen, beispielsweise das oftmals tödliche Kindbettfieber an Patientinnen im Wochenbett.
Keine Selbstverständlichkeit
Auch wenn die Bedeutung der Handhygiene durch die Corona-Pandemie enorme Aufmerksamkeit bekommen hat: Bis heute ist das Händewaschen nicht gang und gäbe, obwohl es eine scheinbar einfache Alltagshandlung mit wissenschaftlich klar belegtem Nutzen ist. Natürlich auch in Zeiten ohne Covid-19. Das Waschen der Hände vor dem Kochen oder Essen, nach dem Toilettengang oder Windelwechseln: dies zu tun bzw. überhaupt Zugang zu sauberem Wasser und Seife zu haben – das ist für viele Menschen keine Selbstverständlichkeit.
Der Hygienemangel führt weltweit dazu, dass Krankheitserreger wie Bakterien, Viren und Parasiten letztlich über den Mund in den Magen-Darm-Trakt gelangen. Durchfall kann die Folge sein. Der Verlust von Flüssigkeit und Elektrolyten durch Durchfall wird vor allem bei den Ältesten und Jüngsten rasch gefährlich. Tragischerweise sterben jedes Jahr etwa 1,8 Millionen Kinder aus Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen daran. Durchfallerkrankungen haben also eine enorme Bedeutung für die Gesundheit der Weltbevölkerung.
Motivation mit Wirkung
Wie lässt sich also die Handhygiene verbessern? Sind Maßnahmen, die zum Händewaschen motivieren sollen, zielführend? Diesen Fragen ist ein Forschungsteam im Rahmen eines Cochrane Reviews nachgegangen. Dafür haben die fünf Forscherinnen und Forscher in mehreren Datenbanken nach allen gut gemachten Studien gesucht, diese bewertet und in einer Überblicksanalyse zusammengefasst.
Ihr Fazit: Diverse gesundheitsfördernde Maßnahmen rund ums Händewaschen sind wirkungsvoll. Sie können das Auftreten von Durchfallerkrankungen um rund 30 Prozent reduzieren.
Händewaschen von Australien bis Peru
In die Analyse sind die Daten aus 29 Studien eingeflossen. Bei allen war das Händewaschen zentral, aber sonst gab es viele Unterschiede: Unter den etwa 84.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sowohl Kinder als auch Erwachsene. Sie lebten in Ländern mit niedrigem, mittlerem und hohem Einkommen, zum Beispiel in Kenia, Ägypten, China, Peru, Nepal, China, Kanada, Australien oder in den Niederlanden.
Die Studien dauerten zwischen 4 und 12 Monaten. In Hocheinkommensländern fanden sie vor allem in Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen statt. Die Studien aus den Ländern mit niedrigem bzw. mittlerem Einkommen fokussierten auf Gemeinden und Haushalte. Eine Studie wurde in einem Spital in den USA mit AIDS-Patientinnen und -Patienten durchgeführt.
Die Teilnehmenden waren streng nach Zufallsprinzip auf zwei Gruppen aufgeteilt. Diese Aufteilung („Randomisierung“) sollte sicherstellen, dass die Vergleichsgruppen einander ähnlich genug waren für einen fairen, aussagekräftigen Vergleich.
Für die Kontrollgruppe änderte sich gar nichts, sie lebte wie üblich weiter. Die andere Gruppe wurde dazu angehalten, ihre Handhygiene zu verbessern. Dafür gab es eine ganze Reihe von Maßnahmen: zum Beispiel Videos, Lieder, Gruppentrainings, Spiele, Comics und Poster.
Die Maßnahmen waren an die Zielgruppen angepasst, also ausgerichtet auf Kinder verschiedener Altersgruppen, Eltern, Betreuungspersonen oder auf Risikopatientinnen und -patienten. In einigen Studien diskutierten die Forschungsteams auch andere Hygienethemen (z.B. sauberes Wasser) mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, und manchmal stellten sie zusätzlich Seife zur Verfügung.
Saubere Reduktionen
Hatten die Maßnahmen zur Steigerung des Händewaschens den erhofften Erfolg? Dafür erhoben die einzelnen Studien, wie häufig es zu Durchfallerkrankungen kam, etwa mittels Telefoninterviews, Anwesenheitslisten und Krankenakten. Zum anderen untersuchten sie, ob sich durch die Maßnahmen auch das Händewasch-Verhalten veränderte.
Und tatsächlich zeigten sich positive Effekte. Sowohl in Einrichtungen zur Kinderbetreuung und in Schulen als auch in Gemeinden und Haushalten reduzierten sich die Durchfallerkrankungen um rund 30 Prozent. Auch bei den AIDS-Patientinnen und -Patienten in der Gruppe mit Maßnahmen zur Händehygiene kam es im Schnitt innerhalb eines Jahres zu etwa halb so vielen Durchfallerkrankungen wie in der Vergleichsgruppe.
Neben der erhofften Reduktion von Durchfällen hatten die diversen Trainings wohl auch Auswirkungen auf das Handhygiene-Verhalten. Die Studien zeigten etwa, dass sich Risikopatientinnen und -patienten häufiger die Hände wuschen ebenso wie Schulkindern vor dem Mittagessen und Betreuungspersonen von Kindern.
Wie gut abgesichert ist das Wissen?
Das Autorenteam des Cochrane Review ist sich sicher, dass in Hocheinkommensländern Programme zum Händewaschen in Schulen und Betreuungseinrichtungen die Durchfallerkrankungen bei Kindern wesentlich reduzieren. Sie gehen nicht davon aus, dass künftige Studien ihre derzeitige Einschätzung noch stark verändern werden.
Wahrscheinlich, aber nicht sicher, ist für das Autorenteam, was in den Gemeinden und Haushalten in Ländern mit niedrigen bzw. mittlerem Einkommen passiert. Denn die derzeitige Einschätzung – nämlich, dass es auch hier zu einer deutlichen Reduktion der Durchfallerkrankungen kommt – basiert auf weniger und kleineren Studien. Dies gilt auch für die Einschätzung des Effekts bei Patientinnen und Patienten, die aufgrund von AIDS im Spital aufgenommen sind.
Unklar ist noch, welche gesundheitsfördernden Maßnahmen am besten wirken und wie langfristig die Effekte sind. Auch über mögliche negative Effekte wissen wir noch nichts.
Mit jedem Update mehr Sicherheit
Der Cochrane Review ist Anfang 2021 erschienen. Das Autorenteam, bestehend aus fünf Forscherinnen und Forschern, arbeitete in Nigeria, Großbritannien und den USA. Ihre Arbeit ist ein Update. Zwei frühere Versionen dieses Cochrane Reviews sind 2008 und 2015 erschienen. Sie basierten auf weniger Studien und die Aussagen waren nicht so belastbar; sie sind aber schon damals zum selben Schluss gekommen: Händewaschen kann Durchfallerkrankungen verhindern.
Quellen
Ejemot-Nwadiaro RI, Ehiri JE, Arikpo D, Meremikwu MM, Critchley JA. Hand‐washing promotion for preventing diarrhoea. Cochrane Database of Systematic Reviews 2021, Issue 1. Art. No.: CD004265.
„Ignaz Semmelweis“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 15. März 2021, 12:55 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ignaz_Semmelweis&oldid=209825604 (Abgerufen: 11. Mai 2021, 10:22 UTC)