Eine systematische Übersichtsarbeit von Cochrane hat zwei methodisch hochwertige Studien zum Nutzen einer „professionellen Zahnreinigung“ für Erwachsene ohne Zahnfleischentzündung ausgewertet. Demnach ist nicht nachgewiesen, dass eine routinemäßige Zahnsteinentfernung und Politur dazu beitragen, Zähne und Zahnfleisch gesund zu erhalten. In Deutschland umfasst die professionelle Zahnreinigung jedoch noch weitere Schritte. Mit diesem Beitrag endet unsere Serie zur evidenzbasierten Zahnmedizin – das Thema wird uns aber sicher bald wieder beschäftigen.
Viele Zahnärztinnen und -ärzte bieten ihren Patienten in regelmäßigen Abständen eine professionelle Zahnreinigung (PZR) an, um Karies und Zahnfleischentzündungen vorzubeugen, auch wenn die Patienten ein geringes Risiko für die Entwicklung dieser Krankheitsbilder haben. Dabei werden harte und weiche Zahnbeläge entfernt und die Zahnoberflächen anschließend poliert. Schon länger gibt es eine Debatte darüber, ob dieses in einer Zahnarztpraxis durchgeführte „Entfernen und Polieren“ Erkrankungen wirklich vorbeugen kann. Unklar ist auch, in welchem Abstand man es am besten durchführen sollte.
Zahnbelag („Plaque“) ist eine komplexe organische Masse aus Speiseresten und Bakterien, die Zahnfleischentzündungen und Karies verursachen kann, wenn sie nicht durch eine gute Zahnhygiene (v.a. Zähneputzen) in Schach gehalten wird. Durch die Einlagerung von mineralischen Stoffen aus dem Speichel kann Zahnbelag „verkalken“ – es entsteht Zahnstein, der sich insbesondere am Rand des Zahnfleisches ablagert. Er ist so hart, dass er sich durch Zähneputzen allein nicht entfernen lässt und begünstigt weitere Plaqueablagerungen [1].
Bei einer PZR werden sowohl weiche als auch harte Zahnbeläge mit speziellen zahnmedizinischen Instrumenten entfernt. Danach folgt die mechanische Politur zur Entfernung rauer Stellen mit speziellen Pasten [1]. Dies kann neben einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt auch von einer speziell fortgebildeten Fachkraft (zahnmedizinische Fachassistenz) durchgeführt werden [2].
Cochrane Review findet keine Gesundheitseffekte im untersuchten Zeitraum bis drei Jahre
Die britische Cochrane Oral Health Group hat sich zuletzt 2018 mit der Wirksamkeit der Zahnsteinentfernung und anschließendem Polieren der Zahnoberfläche befasst [3]. Die Cochrane-Autor*innen fanden zwei methodisch gut gemachte randomisierte Studien mit insgesamt 1.711 Studienteilnehmenden. Beide Studien wurden durch öffentliche Gelder finanziert und in Zahnarztpraxen der Allgemeinversorgung in Großbritannien durchgeführt. Und beide hatten nach Einschätzung der Cochrane-Autor*innen ein geringes Risiko für systematische Fehler und liefern somit Ergebnisse von hoher Vertrauenswürdigkeit.
An den Studien nahmen Erwachsene ohne schwere Parodontitis teil, d.h. ohne starke Entzündungen des Zahnfleisches, die sich bereits auf das Zahnbett ausgeweitet hat. Untersucht wurde die regelmäßige (halbjährliche oder jährliche) Zahnsteinentfernung und Politur (mit oder ohne zusätzliche Beratung der Patient*innen) im Vergleich zu keiner routinemäßigen Reinigung. Die Studien liefen über einen Zeitraum von zwei (Studie 1) bzw. drei Jahren (Studie 2) und untersuchten die Auswirkungen auf folgende Endpunkte:
- Gingivitis (Zahnfleischentzündung), erfasst anhand einer gängigen Werteskala, die beispielsweise Entzündungszeichen und blutende Stellen im Zahnfleisch bei Untersuchung erfasst
- Zahnstein- und Plaque-Werte
- Tiefe der Zahnfleischtaschen (diese gelten als Zeichen einer fortschreitenden Parodontitis)
- Wohlbefinden in Bezug auf gesunde Zähne und gesundes Zahnfleisch (Fragebogen zur mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität mit 14 Fragen zum subjektiven Erleben der Mundgesundheit)
Das Ergebnis ist eindeutig (hohe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz nach GRADE): Ein regelmäßiges „Reinigen und Polieren“ hat im untersuchten Zeitraum von zwei bis drei Jahren nur einen geringen oder gar keinen Effekt auf Gingivitis, Tiefe der Zahnfleischtaschen und die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität im Vergleich zu keiner regelmäßigen PZR. Eine der beiden Studien lieferte zusätzlich Hinweise, dass es auch nur einen geringen oder gar keinen Unterschied bei den Plaque-Werten über zwei Jahre gibt; hierfür ist die vorliegende Evidenz allerdings niedrig.
Mögliche unerwünschte Wirkungen wie Schäden an den Zahnoberflächen oder eine erhöhte Zahnempfindlichkeit wurden in den Studien nicht untersucht.
Auch gute Evidenz hat ihre Einschränkungen
Trotz der hohen Aussagekraft der im Cochrane Review zusammengefassten Studienergebnisse gibt es Einschränkungen zu beachten. Unser WissenWasWirkt-Experte Falk Schwendicke, Direktor der Abteilung für Orale Diagnostik, Digitale Zahnheilkunde und Versorgungsforschung der Charité in Berlin, gibt vor allem zu bedenken, dass in dem Review lediglich Ergebnisse für einen Zeitraum von maximal drei Jahren vorliegen – zu kurz, um die Entwicklung von Parodontitis oder Karies zu verfolgen. Allerdings konnte die professionelle Zahnreinigung auch nicht bei schneller veränderbaren „Vorstufen“ punkten, etwa bei der Gingivitis (einer milden, Zahnfleischentzündung, die einer Parodontitis vorausgeht), oder bei den Plaque-Werten, die das Kariesrisiko beeinflussen.
Optisch waren die Zähne jedenfalls sauberer: Die professionelle Zahnreinigung verringerte Zahnstein im Vergleich zu keiner routinemäßigen Zahnsteinentfernung und Zahnpolitur. Dabei blieb unklar, ob engmaschigere Behandlungsintervalle (halbjährlich im Vergleich zu jährlich) wirksamer sind. Auch die klinische Bedeutung dieser Zahnstein-Verringerung ist unklar.
Regelmäßig bringt keinen Vorteil
Die Cochrane Autor*innen kommen zu dem Schluss, dass es im untersuchten Zeitraum bis drei Jahre keinen Nachweis für einen gesundheitlichen Nutzen einer routinemäßigen halbjährlichen oder jährlichen Zahnsteinentfernung und Politur gibt. Allerdings erhielten alle Studienteilnehmenden zu Beginn der Studien eine professionelle Zahnreinigung. Zudem nahmen in der größeren Studie auch die Personen der Vergleichsgruppe (ohne regelmäßige PZR) aus eigener Entscheidung im Studienzeitraum von drei Jahren durchschnittlich eine professionelle Zahnreinigung war – diese Option stand ihnen stets offen.
Gut zu wissen ist jedoch: Menschen mit gesundem Zahnfleisch können mehrere Jahre auf eine regelmäßige professionelle Zahnsteinentfernung und Politur verzichten, ohne gesundheitliche Nachteile in Form von Karies oder Zahnfleischerkrankungen befürchten zu müssen. Für diese Personen sehen die Cochrane-Autor*innen keinen weiteren Forschungsbedarf.
Professionelle Zahnreinigung mehr als „Waschstraße“
Deutsche Zahnärztinnen und Zahnärzte betonen allerdings, dass eine professionelle Zahnreinigung in der Regel mehr beinhaltet als die in den Studien untersuchten Maßnahmen „Zahnsteinentfernung und Politur“ [4]. Im Rahmen einer typischen professionellen Zahnreinigung werde hierzulande zuerst eine gründliche Untersuchung der Mundhöhle, der Zähne und des Zahnfleisches durchgeführt und die Mundhygienesituation erfasst. Daran kann sich eine Beratung und Schulung anschließen, wie man Zähne und Zahnzwischenräume täglich zuhause selbst optimal reinigt. Dies soll den Einzelnen in die Lage versetzen, seine Zahngesundheit selbständig zu sichern. Die Entfernung aller harten (Zahnstein, Verfärbungen) und weichen (Plaque) Ablagerungen ist also nur ein Teil dieses komplexen Maßnahmenpaketes. Im Anschluss werden oft noch fluoridhaltige Gele oder Lacke aufgetragen, um den Zahnschmelz zu schützen und zu härten. Letzteres kann nachweislich Karies vorbeugen [5].
Maßnahmenpaket zur Zahnvorsorge als Ganzes noch nicht erforscht
Für solche individuellen Maßnahmenpakete gibt es eine gewisse Evidenzlücke. Das bedeutet nicht automatisch, dass diese Art der Zahnvorsorge nicht wirkt. Aber es fehlt ein Beweis, dass „Reinigung und Politur“ Inhalt dieses Maßnahmenpakets sein sollten.
Evidenz fehlt auch für mögliche langfristige Risiken dieser intensiven Reinigungsmaßnahmen; das wurde bisher in Studien nicht untersucht. In diesem Zusammenhang müsste beispielsweise die Frage geklärt werden, ob eine regelmäßige professionelle Zahnreinigung die Zähne mit der Zeit empfindlicher macht oder ob sie der Zahnoberfläche oder dem Zahnfleisch schadet.
Täglich Zähne wie ein Profi reinigen
Plaque beginnt sich innerhalb von 24 Stunden anzusammeln, wenn sie nicht durch Zähneputzen, Zahnseide oder Zahnzwischenraumbürsten entfernt wird [1]. Ziel der täglichen Zahnhygiene ist es daher, bakterielle Plaques auf den Zähnen und dem Übergang zwischen Zähnen und Zahnfleisch soweit zu verringern, dass sie unterhalb der entzündungs- und kariesauslösenden Schwelle liegen.
Die Zähne täglich mit fluoridhaltiger Zahnpasta zu reinigen und zu pflegen, dabei auch schwer zugängliche Zahnstellen von Plaque zu befreien sowie sich gesund zu ernähren sind die wichtigsten Maßnahmen für eine gute Zahn- und Mundgesundheit – da sind sich Expert*innen auf Basis überzeugender Evidenz einig. Beratung und Einübung der besten Techniken für eine optimal Mundhygiene sind – zumindest in Deutschland – im Maßnahmenpaket „professionelle Zahnreinigung“ enthalten [4]. Jeder sollte selbst zum Experten seiner täglichen Zahnreinigung werden; ein gelegentlicher Termin bei den Profis kann die eigenen Versäumnisse ohnehin nicht ausgleichen.
Birgit Schindler ist promovierte Pharmazeutin und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Cochrane Deutschland.
Quellen
[1] Wilder RS, Moretti AJ. Overview of gingivitis and periodontitis in adult. In: UpToDate, Post, TW (Ed), UpToDate, Waltham, MA, 2022.
[2] IQWIG. Gesundheitsinformation. Welche Vor- und Nachteile hat die professionelle Zahnreinigung? Stand: 12. März 2020.
[3] Lamont T, Worthington HV, Clarkson JE, Beirne PV. Routine scale and polish for periodontal health in adults. Cochrane Database of Systematic Reviews 2018, Issue 12. Art. No.: CD004625. DOI: 10.1002/14651858.CD004625.pub5
[4] Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK). Patienteninformation: Professionelle Zahnreinigung. Stand: 06/2019.
[5] Marinho VCC, Worthington HV, Walsh T, Clarkson JE. Fluoride varnishes for preventing dental caries in children and adolescents. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013, Issue 7. Art. No.: CD002279. DOI: 10.1002/14651858.CD002279.pub2.
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