Ein Cochrane-Review spricht für die Wirksamkeit von selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI) bei starken bis extremen Formen des prämenstruellen Syndroms (PMS). Sie können wahrscheinlich die Beschwerden etwas lindern, haben aber auch unerwünschte Nebenwirkungen.
Viele Frauen im gebärfähigen Alter kennen aus eigener Erfahrung das prämenstruelle Syndrom, kurz PMS. PMS kann das körperliche, seelische und soziale Wohlbefinden beeinträchtigen, etwa durch Kopf- und Brustschmerzen sowie depressive Stimmung, Wutausbrüche, Ängstlichkeit, Anspannung und Gereiztheit. Wie die möglichen körperlichen und seelischen Symptome ist auch die Intensität des PMS variabel.
Die Beschwerden können so ausgeprägt sein, dass sie den Alltag erheblich einschränken und einen starken Leidensdruck verursachen. Und sie kehren immer wieder: Denn PMS tritt chronisch auf, setzt ein bis zwei Wochen vor der Periode ein und endet mit deren Einsetzen. Auslöser sind hormonelle Veränderungen während der Gelbkörperphase des Menstruationszyklus, also der „zweiten Zyklushälfte“.
Eine besonders schwere Form des PMS ist die prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS), welche als eigene Erkrankung anerkannt ist. Schätzungen zufolge sind etwa 3 bis 8 von 100 Frauen im reproduktionsfähigen Alter davon betroffen. Bei PMDS sind die Beschwerden noch intensiver als bei einem schweren PMS und gehen mit starkem und ernstzunehmendem Leidensdruck einher.
Medikamente auf dem Prüfstand
Es gibt für Frauen mit stark ausgeprägtem PMS verschiedene Therapien, die auf die Linderung der Symptome abzielen. Als besonders wirksam unter den Behandlungen gilt die Einnahme von selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern, kurz SSRI. Medikamente dieser Wirkstoffgruppe werden auch zur Therapie von Depressionen und Angststörungen eingesetzt. SSRI sollen die Verfügbarkeit des Botenstoffs Serotonin im Gehirn günstig beeinflussen und so das psychische Wohlbefinden stabilisieren.
Ob bzw. wie sehr Frauen mit starkem PMS bzw. PMDS von SSRI profitieren – das wollte Cecilie Jespersen vom Centre for Evidence-Based Medicine Odense sowie Cochrane Dänemark gemeinsam mit drei Kolleg*innen im Rahmen ihres PhD-Studiums herausfinden. Neben dem möglichen Nutzen analysierte sie auch die Risiken, die mit der Einnahme verbunden sind. Das Cochrane-Team um Jespersen hat nach allen verfügbaren Studien gesucht, um den aktuellen Stand des Wissens zusammenzufassen und solide Aussagen abzuleiten. Ihr ist es wichtig, „keinesfalls ein natürliches Phänomen wie den Menstruationszyklus zu medikalisieren“. Andererseits findet die Medizinerin es wichtig, dass Frauen bei Bedarf auf gut untersuchte Therapien zurückgreifen können.
Linderung wahrscheinlich
Die Ergebnisse im Überblick:
- Wahrscheinlich verringern SSRI die Beschwerden von Frauen mit einem schweren PMS oder PMDS. Von einer kompletten Heilung ist nicht auszugehen, aber von einer spürbaren Verbesserung der Symptome insgesamt. Dies zeigte der Vergleich zwischen Frauen aus den SSRI-Gruppen mit jenen aus den Placebo-Gruppen. Sie hatten teils ihre Symptome mittels gut etablierter Fragebögen selbst bewertet oder Gesundheitspersonal traf eine Einschätzung. Das Gesamtergebnis aus beiden Gruppen wurde zum Vergleich herangezogen. Dieses Ergebnis gilt als gut abgesichert. Die mittlere Vertrauenswürdigkeit ist etwas eingeschränkt durch Heterogenität der zugrunde liegenden Studien und Drop-out von Teilnehmerinnen, deren Daten nicht über einen längeren Zeitraum ausgewertet werden konnten.
- Die Wirkung von SSRI ist wahrscheinlich stärker, wenn die Medikamente durchgehend eingenommen werden. Dies zeigte der Vergleich von Frauen, die SSRI entweder nur in der Lutealphase oder während des gesamten Zyklus einnahmen. Die Lutealphase beginnt nach dem Eisprung und endet mit der Menstruation. Auch für diese Einschätzung liegt die Vertrauenswürdigkeit im guten mittleren Bereich.
- SSRI können etliche unerwünschte Wirkungen haben. Dazu zählen etwa ein erhöhtes Risiko für Übelkeit (bei ca. 13% der Studienteilnehmerinnen), Schlafstörungen (bei ca. 5%) und starke Müdigkeit (bei ca. 5%). Die erhöhte Häufigkeit dieser und weiterer unerwünschten Effekte im Vergleich zur Placebogruppe ist recht gut belegt.
In die Auswertung gingen 34 randomisiert-kontrollierte Studien ein, die im Zeitraum 1991 bis 2020 veröffentlicht wurden. Teilnehmerinnen waren 4563 Frauen, zumeist im Alter von 18 bis 49 Jahren. Für die Teilnahme musste die Diagnose eines deutlich ausgeprägten prämenstruellen Syndroms oder einer prämenstruellen dysphorischen Störung vorliegen. Die Studien wurden überwiegend in westlichen Hocheinkommensländern wie etwa Neuseeland und den USA durchgeführt.
Die Teilnehmerinnen bekamen in den Studien entweder einen SSRI (Wirkstoffe: Fluoxetin, Paroxetin, Sertralin, Escitalopram oder Citalopram) oder ein Placebomittel. Die Einnahme erfolgte zwei bis sechs Zyklen lang entweder über den ganzen Zyklus oder nur in der Gelbkörper- bzw. Lutealphase („intermittierend“). Auch die Dosierung war verschieden. Die Gruppenzuteilung (SSRI oder Placebo) war in allen Studien zufallsbedingt. Die Teilnehmerinnen sowie das Studienpersonal wussten aufgrund der doppelten Verblindung nicht, ob sie den echten Wirkstoff oder das Scheinmedikament bekamen.
Nur erwünschte Ergebnisse?
Den Großteil der ausgewerteten Studien haben pharmazeutische Unternehmen finanziert. Es ist nicht auszuschließen, dass Studien mit „unerwünschten“ Ergebnissen – also solchen, die keine Belege für die positive Wirkung von SSRI liefern – erst gar nicht veröffentlicht wurden. Eine statistische Analyse legt auch einen ebensolchen „Publication Bias“ (Schubladenproblem) nahe. Solche Verzerrungen können zu einer Überschätzung der Wirksamkeit führen.
Antidepressiva werden auch bei anderen Erkrankungen ergänzend eingesetzt, beispielsweise bei unspezifischen Kreuzschmerzen.
Autorin: Julia Harlfinger, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Cochrane Österreich
Faktencheck: Barbara Nussbaumer-Streit
Quellen
Casper R. F. Premenstrual syndrome (PMS) and premenstrual dysphoric disorder (PMDD) (Beyond the Basics). UpToDate. Abgerufen am 1. Oktober 2024, von https://www.uptodate.com/contents/premenstrual-syndrome-pms-and-premenstrual-dysphoric-disorder-pmdd-beyond-the-basics (2023, 20. März).
Yonkers, K. A., Casper R. F. Epidemiology and pathogenesis of premenstrual syndrome and premenstrual dysphoric disorder. UpToDate. Abgerufen am 1. Oktober 2024, von https://www.uptodate.com/contents/epidemiology-and-pathogenesis-of-premenstrual-syndrome-and-premenstrual-dysphoric-disorder (2024, 18. Januar).
Casper, R. F., & Yonkers, K. A. Treatment of premenstrual syndrome and premenstrual dysphoric disorder. UpToDate. Abgerufen am 1. Oktober 2024, von https://www.uptodate.com/contents/treatment-of-premenstrual-syndrome-and-premenstrual-dysphoric-disorder (2024, 20. April).
Jespersen C, Lauritsen MP, Frokjaer VG, Schroll JB. Selective serotonin reuptake inhibitors for premenstrual syndrome and premenstrual dysphoric disorder. Cochrane Database of Systematic Reviews 2024, Issue 8. Art. No.: CD001396. DOI: 10.1002/14651858.CD001396.pub4.