Nachdem wir in unserem „Kleinen 1×1 der Studientypen“ bereits die klassische randomisierte kontrollierte Studie (RCT) und die Cross-over Studie besprochen haben, widmen wir uns heute einer weiteren Sonderform der RCT.
In randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) werden Studienteilnehmende nach dem Zufallsprinzip in Gruppen eingeteilt und erhalten entweder die zu untersuchende Behandlung oder eine Kontrollbehandlung, z. B. ein Placebo. Entscheidend ist, dass die Zuordnung wirklich komplett zufällig erfolgt. Forschende sprechen dann von einer erfolgreichen Randomisierung. Durch diese Zufallsverteilung werden mögliche Störgrößen (beispielsweise Alter, Lebensstilfaktoren, Begleiterkrankungen) gleichmäßig auf die Gruppen verteilt. Allerdings kann die klassische Randomisierung auf Individualebene in bestimmten Fällen Herausforderungen mit sich bringen.
Die Grenzen der klassischen RCT
Angenommen, Forschende möchten untersuchen, ob Unterrichtseinheiten zum Thema gesunde Ernährung die Gesundheit von Kindern tatsächlich positiv beeinflussen. Bei einer klassischen RCT würden nun manche Kinder einer Schule Ernährungsunterricht bekommen (Interventionsgruppe) und andere Kinder nicht (Kontrollgruppe). Es ist jedoch möglich, dass die Kinder aus der Interventionsgruppe das Erlernte mit Kindern aus der Kontrollgruppe teilen und sich darüber austauschen. Dadurch könnten sie diese beeinflussen, ebenfalls gesünder zu essen. Im Prinzip wäre das ja eine gute Sache, allerdings nicht für die Forschenden. Denn wenn auch die Kinder aus der Kontrollgruppe plötzlich gesünder essen, wird es schwierig, den tatsächlichen Effekt des Ernährungsunterrichts präzise zu messen.
Die Lösung: Cluster-RCT
Bei einer Cluster RCT randomisiert man nicht einzelne Personen, sondern ganze Cluster, also Gruppen. Cluster-RCTs eignen sich besonders für groß angelegte Interventionen, insbesondere im Gesundheitswesen oder im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Sie bieten sich insbesondere an, wenn natürliche Einheiten wie Schulen, Gemeinden oder Krankenhäuser in die Studie integriert werden sollen (lesen Sie dazu auch unseren Blog-Beitrag „Wie infizierte Stechmücken gegen Dengue-Fieber helfen“).
In unserem Beispiel könnten sich die Forschenden beispielsweise entscheiden, ganze Schulen zu randomisieren. Innerhalb einer Schule erhalten dann alle Kinder entweder den Ernährungsunterricht oder eben eine normale Schulstunde. Ein Austausch zwischen Schüler*innen der Interventions- und der Kontrollgruppe wird dadurch weitgehend vermieden.
Cluster-RCTs können also ein nützliches Werkzeug sein. Es gibt aber auch einige Nachteile.
Problem 1: Teilnehmende innerhalb der Cluster sind einander ähnlich
Die Mitglieder eines Clusters weisen in bestimmten Merkmalen größere Ähnlichkeiten auf, als sie bei einer klassischen RCT zu finden wären. So könnten beispielsweise Kinder einer bestimmten Schule generell einen besseren Zugang zu gesunder Ernährung haben als Kinder einer anderen Schule. Es fehlt die sogenannte statistische Unabhängigkeit.
Um diesen Nachteil auszugleichen, gibt es einen statistischen Kniff, den sogenannten Intracluster-Korrelationskoeffizienten. Dieser gibt an, wie stark sich die Werte innerhalb eines Clusters ähneln. Allerdings kann auch dieses Maß die fehlende statistische Unabhängigkeit nicht vollständig kompensieren. Mit anderen Worten: Der Einfluss der Clusterung kann nicht vollständig „ausgeglichen“ werden.
Problem 2: Verteilung der Störgrößen
In der klassischen RCT werden bekannte und unbekannte Störgrößen durch die Randomisierung zufällig auf die Behandlungsgruppen verteilt. Bei der Cluster-RCT ist dies nicht zwangsläufig gewährleistet. Beispielsweise könnten die Störgrößen „soziales Umfeld“ oder „Alter der Schüler*innen“ zwischen den randomisierten Clustern ungleich verteilt sein. Ein Altersungleichgewicht könnte etwa entstehen, wenn bei der Cluster-Randomisierung die Schulen eines Regierungsbezirks zufällig so zugeteilt würden, dass sich mehr weiterführende Schulen in der Interventionsgruppe (mit Ernährungsunterricht) und mehr Grundschulen in der Kontrollgruppe befinden. Das Alter, ein sogenannter Baseline-Confounder, kann die Ergebnisse beeinflussen.
Ein Ansatz zur Lösung dieses Problem ist die Stratifizierung. Dabei wird die Studienpopulation in sogenannte Strata (Schichten) unterteilt, die so definiert sind, dass die Teilnehmenden innerhalb jedes Stratums in Bezug auf bestimmte Merkmale vergleichbar sind. Zwischen den Strata können jedoch erhebliche Unterschiede bestehen. Entscheidend ist, dass die Zuordnung der Cluster zu den Behandlungsgruppen innerhalb jedes Stratums zufällig erfolgt. Die Herausforderung liegt jedoch darin, dass die Stratifizierungsfaktoren (z.B. Alter, sozioökonomischer Status) im Voraus identifiziert werden müssen. Dies begrenzt die Anzahl der Strata und lässt potenziell unbekannte Störgrößen unberücksichtigt.
In unserem Beispiel könnte man Grundschulen und weiterführende Schulen eines Bezirks trennen. Innerhalb dieser beiden Schichten teilt man die einzelnen Schulen dann nach dem Zufallsprinzip der Interventions- oder Kontrollgruppe zu.
Problem 3: Komplexere Analyse
Design, statistische Auswertung und Interpretation der Ergebnisse sind bei einer Cluster-RCT komplexer.
Bei einer Cluster-RCT muss von Beginn an festgelegt werden, ob die Ergebnisse auf individueller oder auf Cluster-Ebene analysiert werden sollen. Diese Entscheidung beeinflusst direkt, wie die Daten strukturiert, analysiert und interpretiert werden. Die Wahl zwischen individueller und Clusteranalyse hängt von der Fragestellung, der Anzahl der Cluster, der Datenstruktur und den verfügbaren statistischen Ressourcen ab.
Fazit
Cluster-RCTs sind eine geeignete Methode, wenn die Teilnehmenden nicht unabhängig voneinander untersucht werden können. Sie sind jedoch mit anderen Nachteilen konfrontiert und erfordern ein anspruchsvolleres Design und eine anspruchsvollere Analyse als klassische RCTs.
Zusammen mit unseren letzten beiden Beiträgen dieser Serie haben wir nun die RCT und ihre Sonderformen vorgestellt. In den folgenden Beiträgen geht geht es mit Beobachtungsstudien weiter.
Text: Franziska Halter, Birgit Schindler
Warum gilt die RCT als „Königin der Studien“? Was genau sind die Vor- und Nachteile einer prospektiven Beobachtungsstudie oder einer retrospektiven Fall-Kontroll-Studie? Kurze Antworten gibt es in unserer Serie „Kleines 1×1 der Studientypen“.
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