Auch wenn heutzutage eine Auseinandersetzung mit dem Thema Sport meist vor dem Fernseher im Wohnzimmer oder in Biergärten stattfindet, so ist doch die warme Jahreszeit für viele Menschen der zweitbeste Zeitpunkt (unmittelbar nach Neujahr), um selbst ein wenig aktiver zu werden. Und das ist gar keine schlechte Idee. Sportliche Aktivität – beispielweise der Radsport – bringt so einige gesundheitliche Vorteile mit sich. Aber auch Nachteile?
Sport ist Mord: Diesen Satz habe ich mir schon häufig anhören müssen. Da ich als Triathlet viel Zeit mit Ausdauertraining verbringe, wurde ich zum Beispiel schon häufig vor einem „Sportlerherz“ (Vergrößerung des Herzens/Verdickung der Wände durch Training) gewarnt. Auch wurde mir oft die Frage gestellt, ob ich denn keine Angst vor Verletzungen oder Sportunfällen habe. Nein, lautet dann meist meine klare Antwort. Natürlich gibt es immer wieder Berichte, zum Beispiel von Profisportlern*, die an Herzversagen starben, besonders beim Profi-Radsport, oder von dramatischen Stürzen. Doch wird im professionellen Sport oft außerhalb eines Bereichs trainiert, der als gesundheitsförderlich betrachtet werden kann. Das trifft bei mir nicht zu.
Sportlicher Leichtsinn
Doch zugegebener Weise fällt mir speziell beim Radsport immer wieder auf, wie leichtsinnig manche Fahrradfahrer mit ihrer Gesundheit umgehen. Sehr oft begegne ich bei meinen Trainingsfahrten Radlern, die ohne Helm unterwegs sind. Das ist natürlich eine Willensentscheidung, eine Helmpflicht gibt es in Deutschland und der Schweiz nicht. In Österreich besteht sie nur für Kinder unter 12 Jahren. Mit Unverständnis reagiere ich aber, wenn ich – und das kommt überraschenderweise des Öfteren vor – Menschen sehe, die einen Helm am Lenker ihres Sportgeräts befestigt haben, ihn aber nicht tragen.
Gründe dafür können vielfältig sein. Für die einen ist es Eitelkeit für die anderen Bequemlichkeit. Ich unterhielt mich über genau dieses Thema mit einer anderen Athletin, die Helme nur bei „langen Strecken“ trägt, und nicht etwa, wenn sie mal kurz zum Bäcker fährt. Auch das entfällt meiner Meinung nach jeder Logik.
Cochrane Evidenz spricht für Helm…
Cochrane-Evidenz zu Unfallfolgen mit und ohne Fahrradhelm ist – aus ethischen Gründen – eingeschränkt verfügbar. Es können selbstverständlich keine randomisiert kontrollierten Studien zu Unfällen durchgeführt werden. Wie müsste man sich das vorstellen? Man hätte eine Stichprobe gesunder Radfahrer, die zufällig eingeteilt wird in die Gruppen:
1. Stürzen ohne Helm
2. Stürzen mit Helm
Anschließend müsste untersucht werden, wie sich die Unfallfolgen unterscheiden. Das ist natürlich absurd.
…dank Fall-Kontroll-Studie!
Es gibt einen Cochrane Review, der die Ergebnisse von mehreren gut durchgeführten Fall-Kontroll-Studien zusammenfasst. Bei diesen wird nach Eintreten eines Ereignisses (z.B. einer seltenen Erkrankung, oder in diesem Fall einem Fahrradunfall) untersucht, welche Risikofaktoren bei den einzelnen Betroffenen vorlagen. Die Ergebnisse waren sehr eindeutig.
Zunächst wurde festgestellt, dass Helme gleichermaßen vor Unfällen mit als auch ohne KFZ-Beteiligung schützen. Zudem wurden bei Menschen mit Helm nach Sturz je nach Studie zwischen 63 % und 88 % seltener Verletzungen von Schädel und Gehirn festgestellt. Und eben diese Verletzungen sind potenzielle Todesursachen bei Radunfällen.
Helm als zuverlässige (Ver-) Sicherungsmaßnahme
Mit dem Helm verhält es sich ungefähr wie mit einer Haftpflichtversicherung. Im Idealfall muss man sie sein Leben lang nicht nutzen. Aber wenn es dann doch mal zu einem Schadensfall kommt, freut man sich, sie abgeschlossen zu haben.
Es ist völlig egal, wie lang oder kurz oder wo man mit dem Rad fährt. Unglücke können überall passieren und der Helm bietet den gleichen Schutz, ob auf einer Alpen-Überquerung oder auf der Fahrt zum Bäcker. Gerade in der Ära des E-Bikes, wo die Hemmschwelle, in den Radsport einzusteigen, deutlich gesunken ist, möchte ich an alle ambitionierten und gelegentlichen Rad-Nutzer unterstützt von Cochrane Evidenz appellieren: Tragen Sie Helme, sie können (Ihr) Leben retten.
Auch wenn es beim Radsport sehr eindrücklich ist, jede Aktivität birgt Potenziale, aber auch Risiken und Nebenwirkungen. Gerade wenn man mit Sport anfangen möchte, sollte man sich damit auseinandersetzen, wie dies möglichst risiko- und barrierefrei gelingt. Bewegung soll vor allem Spaß und nicht Angst oder Schmerzen verursachen.
Text: Tobias Leiblein
*Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beiderlei Geschlechter.