Seit Anfang des Jahres breitet sich weltweit ein neues Coronavirus (SARS-CoV-2) aus, das die Erkrankung COVID-19 (Corona virus disease 2019) auslösen kann. Diese verläuft in der Mehrzahl der Fälle mild, kann jedoch auch zu lebensbedrohlichen Komplikationen wie einer schweren Lungenentzündung führen. Inzwischen nehmen die Infektionsfälle mit SARS-CoV-2 weltweit rasant zu – so auch in den deutschsprachigen Ländern. Ziel der mehr und mehr ins öffentliche Leben einschneidenden Gegenmaßnahmen ist es, den zeitlichen Verlauf der Ausbreitung so zu verlangsamen, dass die Gesundheitssysteme mit der Versorgung von PatientInnen mit schweren Krankheitsverläufen nicht überlastet werden. Dafür gilt es, Infektionsketten wo irgend möglich zu unterbrechen.
Wie kann jeder Einzelne dazu beitragen? Die generellen Empfehlungen von Fachleuten sind weitgehend einheitlich (siehe Linksammlung am Ende dieses Blogbeitrags). Da ist zum einen das Social Distancing. Gemeint ist die rein räumliche Distanzierung von unseren Mitmenschen, um ein Überspringen der Infektion zu verhindern, also: Ansammlungen meiden und einen individuellen Mindestabstand von anderthalb Metern einhalten.
Der andere wichtige Punkt ist die individuelle Hygiene. SARS-CoV-2 verbreitet sich wie auch Grippe- oder Erkältungsviren vor allem durch Tröpfcheninfektionen, also durch das Einatmen infektiöser Tröpfchen, wie sie beim Husten oder Niesen entstehen. Der andere wichtige Infektionsweg sind vermutlich sogenannte Schmierinfektionen. Sie nehmen den Umweg durch den Kontakt mit durch Viruspartikel verunreinigten Oberflächen. Wenn die Viren dann auf die Hand, von dort in Mund oder Augen und schließlich in die Atemwege gelangen, können sie dort zur Infektion führen.
Gegen eine direkte Tröpfcheninfektion hilft vor allem räumlicher Abstand. Schmierinfektionen lassen sich darüber hinaus durch das Befolgen einfacher Hygienetipps vermeiden (Quelle: www.infektionschutz.de ):
- Vermeiden Sie Berührungen (z. B. Händeschütteln oder Umarmungen), wenn Sie andere Menschen begrüßen oder verabschieden.
- Halten Sie die Hände vom Gesicht fern – vermeiden Sie es, mit den Händen Mund, Augen oder Nase zu berühren.
- Waschen Sie regelmäßig und ausreichend lange (mindestens 20 Sekunden) Ihre Hände mit Wasser und Seife – insbesondere nach dem Naseputzen, Niesen oder Husten.
- Niesen oder husten Sie in die Armbeuge oder in ein Taschentuch – und entsorgen Sie das Taschentuch anschließend in einem Mülleimer mit Deckel.
- Halten Sie ausreichend Abstand zu Menschen, die Husten, Schnupfen oder Fieber haben – auch aufgrund der andauernden Grippe- und Erkältungswelle
Die in den Medien und Informationsseiten seit Wochen allgegenwärtige Aufforderung zum Händewaschen entspricht dem, was Infektionsmediziner predigen, seit Ignaz Semmelweis Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals die Bedeutung guter Handhygiene für den Infektionsschutz nachwies.
Was genau geschieht beim Händewaschen? Seife besteht aus langkettigen Molekülen, deren bipolarer Charakter ihre Waschwirkung begründet. Während sich das eine Ende des Moleküls bevorzugt an Fett ansetzt, zieht sein anderes Ende Wasser an. Die Seifenmoleküle spielen so den Vermittler zwischen fettigem Schmutz und Wasser, diese umhüllen die Schmutzpartikel und bringen sie in Lösung. Das gilt auch für Viren und Bakterien mit ihren aus Fettsäuren aufgebauten Hüllen: Seife zerstört diese Hülle und macht es leichter, die Reste von der Haut zu waschen.
Einem Holzhammer gleicht die Wirkung von hochprozentigem Alkohol auf Viren und Bakterien. Das Lösungsmittel denaturiert deren Proteine, die Erreger lösen sich unter Alkoholeinfluss schlich in ihre Bestandteile auf. Weil Seife und Alkohol derart rabiat wirken, können Erreger keine Resistenzen dagegen ausbilden. Das ist bei einigen antimikrobiellen Zusätzen, mit denen Seifenhersteller gerne werben, vermutlich anders. Daher gilt: Reine Seife ist auch ohne Zusatz antimikrobiell genug. Wichtiger ist, dass man sich die Hände oft genug, zum richtigen Zeitpunkt und wirklich gründlich wäscht. Informationen hierzu fasst die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hier zusammen: https://www.infektionsschutz.de/haendewaschen
Dass eine gute Handhygiene mit Seife oder ergänzend auch mit alkoholbasierten Desinfektionsmitteln wirklich hilft, Krankheitserreger aufzuhalten, ist nicht nur plausibel, sondern durch zahlreiche Studien auch gut belegt. So führte die Anweisung, sich mindestens fünfmal am Tag die Hände zu waschen, in einer großen Studie (ca. 20.000 Personen-Jahre) mit amerikanischen Rekruten zu einem Rückgang von Arztbesuchen wegen Atemwegsbeschwerden um 45 Prozent.
Auf eine ähnlich hohe Wirksamkeit gründlicher Handhygiene zum Schutz vor viralen Atemwegsinfektionen kommt auch ein Cochrane Review aus dem Jahr 2011, in den insgesamt (also auch zu andern Hygienemaßnahmen) 67 Studien eingingen.
Dieser Review wird von Autoren gegenwärtig auf den neuesten Stand gebracht (Stand 04.05.2021: Dieser Review wurde am 20.11.2020 aktualisiert). Er ist Teil einer vor kurzem in der Cochrane Library veröffentlichten Sonderkollektion (Special Collection) von Cochrane Reviews, die Evidenz zu den Bereichen Prävention und Infektionskontrolle in Alltag und im Krankenhaus zusammenstellen.
Die momentan neun Reviews dieser Sonderkollektion wollen wir im zweiten Teil dieses Blogbeitrags kurz vorstellen.
Titel und Kurzzusammenfassungen sind in der Cochrane Library auch auf Deutsch verfügbar. Sie werden automatisch angezeigt, wenn man die Sprachauswahl oben rechts auf der Webseite auf „deutsch“ stellt. Angaben zur Vertrauenswürdigkeit der Evidenz zu individuellen Maßnahmen folgen wo möglich dem vierstufigem GRADE-Schema, in dem die Vertrauenswürdigkeit sehr niedrig, niedrig, moderat oder hoch bewertet werden kann (vgl. https://bestpractice.bmj.com/info/toolkit/learn-ebm/what-is-grade/).
Sonderkollektion der Cochrane Library zu Prävention und Infektionskontrolle
Weiterführende Informationen für die breite Öffentlichkeit zur aktuellen Pandemie von SARS-CoV-2 und zu allgemeinen Verhaltensempfehlungen
- Informationsportal des Robert Koch Instituts in Berlin (RKI)
- Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit
- https://www.bag.admin.ch/bag/de/home.html
- Das Informationsportal der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung (BzGA) liefert in Zusammenarbeit mit dem Robert Koch Institut zuverlässige Antworten auf häufig gestellte Fragen und Informationen zum individuellen Infektionsschutz
- Das Science Media Center Germany (SMC) unterstützt deutsche Medien mit ausführlichen Hintergrundinformationen und Einschätzungen von Experten
- Informationen des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC, auf Englisch)
- Beim ECDC gibt es auch aktuelle Fallzahlen aus Europa
- Informationen der Weltgesundheitsorganisation (WHO, auf Englisch)
- Informationen vom Regionalbüro für Europa der WHO (deutsch)
Aktuelle Forschungsergebnisse zu SARS-CoV-2/COVID-19
Mehrere führende Wissenschaftsjournale haben eigene Portale zu SARS-CoV-2/COVID-19 eingerichtet, in denen sie aktuelle Studien zur Verfügung stellen (in der Regel free access).
Text: Andrea Puhl und Georg Rüschemeyer
Anmerkung: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.