Impfausweis mit Spritze - Gürtelrose

Gürtelrose: Wenn das Virus zweimal zuschlägt

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Abgeschlagenheit und Juckreiz, gefolgt von einem schmerzhaften Hautausschlag – das sind die auffälligsten Kennzeichen einer Gürtelrose. Die Erkrankung wird durch das Varizella-Zoster-Virus ausgelöst, denselben Erreger also, der auch Windpocken verursacht. Gegen Gürtelrose gibt es Impfungen, doch wie groß ist deren Nutzen wirklich? Ein Blick in die Cochrane Library hilft bei dieser Frage weiter.

Die schmerzhafte Bekanntschaft mit der Gürtelrose zu machen, ist keine Seltenheit: Rund jede*r Fünfte bekommt sie im Laufe des Lebens, in Deutschland erkranken jährlich mehr als 300.000 Menschen daran. Die auch als Herpes Zoster bekannte Viruserkrankung wird durch das Varizella-Zoster-Virus ausgelöst, dasselbe Virus, das Windpocken (Varizellen) verursacht.

Tatsächlich ist die Gürtelrose eine Spätfolge dieser Kinderkrankheit. Bei der Abwehr der Windpocken gelingt es dem Immunsystem nämlich nicht, das Virus komplett aus dem Körper zu eliminieren. Einige Viren nisten sich in den Nervenwurzeln des Rückenmarks oder auch der Hirnnerven ein, wo sie Jahrzehnte unbemerkt überdauern. Wenn es jedoch später im Leben zu einer Schwächung des Immunsystems kommt, können sie sich erneut vermehren, wandern am Nerv entlang in die Haut und lösen dort den typischen schmerzhaften und juckenden Hautausschlag aus.

Durch die Entzündung des Nervs entstehen oft heftige Schmerzen in dem von ihm versorgten Hautbereich. Diese beginnen oft schon vor Auftreten des Ausschlags und können noch lange danach anhalten. Bei rund jedem 10. Betroffenen halten die Schmerzen länger als drei Monate nach Abklingen des Ausschlags noch an – man spricht dann von einer Post-Zoster-Neuralgie. Ist die Gürtelrose erst einmal da, lässt sich das Auftreten einer solchen Neuralgie kaum noch beeinflussen. Das zeigen auch zwei ältere Cochrane Reviews, die sich mit dem vorbeugenden Einsatz von antiviralen Medikamenten beziehungsweise Kortikosteroiden gegen eine Post-Zoster-Neuralgie beschäftigen.

Typischer Gürtelrose-Ausschlag

Gürtelrose – hübscher Name für eine fiese Krankheit

Die für die Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus verantwortliche „Unachtsamkeit“ des Immunsystems wird durch Stress, andere Erkrankungen oder schlicht durch das Alter begünstigt. Meist erkranken Menschen über 50 Jahre.

Die Gürtelrose klingt zwar in den meisten Fällen von alleine und ohne Folgen ab. Allerdings können die Schmerzen während der akuten Phase erheblich sein und die gelegentlich auftretende Post-Zoster-Neuralgie ist eine gefürchtete Komplikation. Frühzeitig eingenommen (innerhalb von 72 Stunden nach Auftreten des Hautausschlags) sollen antivirale Medikamente helfen, den Verlauf abzumildern.

Schutz zur rechten Zeit: Impfungen gegen Varizellen

Es gibt allerdings auch die Möglichkeit, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen, indem man einer Infektion mit dem Varizella-Zoster-Virus durch eine Impfung vorbeugt. Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut empfiehlt momentan folgende Immunisierungen:

  • Für Kleinkinder im Alter von 11 bis 23 Monaten die zweimalige Varizellen-Schutzimpfung – sie schützt vor den klassischen Windpocken (Empfehlung seit 2004).
  • Für Menschen ab 60 eine Impfung gegen Gürtelrose (seit 2018)
  • Für Menschen mit geschwächtem Immunsystem oder erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge einer Grunderkrankung eine Impfung gegen Gürtelrose ab 50 Jahren (seit 2018).

Zur Impfung Erwachsener gegen Gürtelrose sind in Deutschland zwei Impfstoffe zugelassen. Eine Übersicht über deren wichtigste Merkmale findet sich in folgender Infobox:

beenhere

Tot oder lebendig! Vergleich der beiden verfügbaren Gürtelrose-Impfstoffe

Totimpfstoff Shingrix®
• Zwei Dosen im Abstand von 2 bis 6 Monaten
• Der Totimpfstoff enthält als Antigen das virusspezifische Glykoprotein E sowie den Wirkverstärker AS01B, der die Immunantwort auf das Virus-Antigen erhöht.
• Zugelassen ab 50 Jahre und zusätzlich für Erwachsene ab 18 Jahren mit erhöhtem Risiko für Herpes zoster
• Muss intramuskulär injiziert werden. Bei versehentlicher subkutaner Injektion sind die ohnehin schon sehr häufigen Lokalreaktionen nochmals verstärkt.
• Von STIKO seit 2018 als Standardimpfstoff empfohlen

Lebendimpfstoff Zostavax®
• Einmalige Verabreichung
• Der Lebendimpfstoff enthält infektiöse, aber abgeschwächte Varizella-Zoster-Viren
• Zugelassen zur Immunisierung von Personen ab 50 Jahren
• Kann intramuskulär oder subkutan verabreicht werden
• Von STIKO nicht als Standardimpfstoff empfohlen

Doch wie groß ist die Schutzwirkung dieser Impfstoffe und mit welchen unerwünschten Wirkungen muss man rechnen? Ein kürzlich aktualisierter Cochrane Review ist dieser Frage für die Zielgruppe gesunder Menschen über 60 nachgegangen.

Unsere zweite Infobox liefert einige allgemeine Informationen zu dem Review:

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Die wichtigsten Merkmale des Cochrane Reviews

26 Studien mit gesunden Erwachsenen ab 60 Jahren. Nur drei Studien untersuchten den Schutzeffekt im Vergleich zu einer „Scheinimpfung“
• Mehr als 90.000 Teilnehmende, mittleres Alter knapp 64 Jahre
• Die Studien wurden überwiegend in Europa und Nordamerika durchgeführt.
16 Studien mit Lebendimpfstoff (eine Dosis), 10 Studien mit Totimpfstoff (zwei Dosen)
• Nachbeobachtungszeit (verblindet): 3,1 Jahre
• Einstufung der Vertrauenswürdigkeit der Evidenz nach GRADE: MODERAT (für alle Endpunkte)

Drei Studien lieferten Daten im Vergleich zu einer „Scheinimpfung“. Die übrigen Studien untersuchten verschiedene Anwendungsformen (subkutan, intramuskulär) und verschiedene Dosisschemata oder waren offene (nicht-verblindete) Nachbeobachtungen über längere Zeiträume. Als Maß des Schutzeffektes wurde die „Herpes-Zoster-Inzidenz“ gemessen, also die Zahl der Personen, die in einem bestimmten Zeitraum an Herpes Zoster erkranken.

Diese fällt für beide Impfstoffe im Vergleich zu einer Scheinimpfung deutlich besser aus (moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz, basierend auf einer Studie für den Lebendimpfstoff und zwei Studien für den Totimpfstoff): Während rund 33 bis 34 von 1000 Nicht-Geimpften in den ersten 3 Jahren nach der (Schein-) Impfung an Gürtelrose erkranken, liegen diese Zahlen mit dem Totimpfstoff bei 3 von 1000 Geimpften und mit dem Lebendimpfsoff bei 16 von 1000 Geimpften.

In anderen Worten: Es müssten 50 gesunde ältere Erwachsene mit dem Lebendimpfstoff bzw. 33 mit dem Totimpfstoff geimpft werden, um über den Zeitraum von rund 3 Jahren einen Fall einer Gürtelroseerkrankung zu verhindern.

Häufig leichte Nebenwirkungen

Anders sieht es mit der Verträglichkeit aus. Hier schneidet der Lebendimpfstoff im Vergleich zu einer Scheinimpfung besser ab (ebenfalls moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz): Durch die Impfung mit dem Totimpfstoff haben 684 von 1000 Geimpften innerhalb von 30 Tagen nach der Impfung eine den ganzen Körper betreffende unerwünschte Wirkung (beispielsweise Müdigkeit, Gliederschmerzen oder Fieber), mehr als doppelt so viele wie mit einer Scheinimpfung (291 von 1000). Für den Lebendimpfstoff wurde dagegen kein signifikanter Unterschied zur Placebo-Impfung festgestellt.

Beide Impfstoffe verursachen in der ersten Woche nach der Impfung sehr häufig Beschwerden an der Einstichstelle, etwa Schmerzen oder Schwellungen. Der Totimpfstoff verursacht aber auch diese deutlich häufiger: Der Großteil der mit dem Totimpfstoff Geimpften (807 von 1.000) hat lokale Nebenwirkungen (Scheinimpfung: 117). Mit dem Lebendimpfstoff sind es 480 (Scheinimpfung: 161). Beschwerden an der Einstichstelle sind Zeichen einer normalen Reaktion des Körpers auf den Impfstoff. Allerdings führte die schlechtere Verträglichkeit des Totimpfstoffs dazu, dass 10 von 1000 Geimpften keine zweite Dosis bekamen.

Der Totimpfstoff scheint also besser zu wirken, aber auch etwas stärkere Nebenwirkungen auszulösen. Allerdings fanden die Autor*innen keine Studien, die beide Impfstoffe direkt vergleichen. Deshalb fehlt uns die letzte Sicherheit für solche vergleichenden Aussagen.

Gretchenfrage: Wie lange hält der Impfschutz?

Wie lange der Impfschutz anhält und ob bzw. wann eine Auffrischungsimpfung erforderlich wird, ist noch ungeklärt. Solche Fragen werden im Rahmen der noch laufenden 10-jährigen Langzeitnachbeobachtung der Studienteilnehmenden untersucht.

Die inzwischen vorliegenden Nachbeobachtungsdaten aus den Studien zu dem Totimpfstoff Shingrix® decken Zeiträume von fünf bis sieben Jahre nach der Immunisierung ab und deuten auf eine nur leichte Abnahme der Schutzwirkung hin. Von den ursprünglichen Studienteilnehmenden nimmt an dieser Langzeitbeobachtung etwa die Hälfte teil.

Nach bestem Wissen….

Die im Cochrane Review ausgewerteten Studien zeigen, dass Herpes-Zoster-Impfstoffe das Risiko, an Gürtelrose zu erkranken, für ältere Menschen deutlich verringern. Wie lange dieser Impfschutz anhält, lässt sich noch nicht sicher sagen. Nach der Impfung kommt es häufig zu Nebenwirkungen wie Hautrötungen, Schmerzen oder Schwellungen an der Einstichstelle.

Ein direkter Vergleich der beiden Impfstoffe in einer Studie liegt nicht vor. Wegen des abnehmenden Impfschutzes mit zunehmendem Alter hat sich die Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut gegen eine Empfehlung des Lebendimpfstoffs als Standardimpfung ausgesprochen.

Wie wichtig ist die Impfung nun? Gürtelrose ist nicht lebensbedrohlich, aber auch nicht zu unterschätzen, insbesondere, wenn sich die Schmerzen in einer Post-Zoster-Neuralgie lange hinziehen. Die Impfung gegen das Virus ist effektiv, verursacht aber auch recht häufig unerwünschte Wirkungen (insbesondere lokale Reaktionen an der Einstichstelle). Ob man sich nun für oder gegen eine Impfung entschließt, bleibt natürlich eine persönliche Entscheidung. Aber die sollte man wie immer auf einer möglichst guten Wissensbasis fällen.


Text: Dr. Birgit Schindler

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