Krankenhausbesuch

Frühe Palliativversorgung bei fortgeschrittenem Krebs?

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Bei manchen Krebspatienten ist die Krankheit zum Zeitpunkt der Diagnose schon so weit fortgeschritten, dass Krebstherapien nicht mehr helfen. Diese Patienten können allerdings immer noch von einer Palliativversorgung profitieren. Dies zeigte ein im Juni 2017 aktualisierter Cochrane Review, der die Wirkung von palliativer Versorgung nach der Diagnose einer fortgeschrittenen Krebserkrankung untersuchte.

Wer schon einmal einen Menschen mit fortgeschrittenem Krebs in der letzten Lebensphase begleitet hat, weiß, wie schwierig diese Phase vor allem auf der emotional-psychischen Ebene sein kann. Das gilt sowohl für den Patienten* als auch für die Angehörigen. Die körperlichen Bürden müssen natürlich die Patienten alleine tragen, doch oft werden die emotional-psychischen Lasten von beiden Seiten geteilt, auch wenn sie sich unterschiedlich ausdrücken.

Dies war zumindest meine Erfahrung, als ich meine Tante nach ihrer Knochenkrebsdiagnose bis zum Ende ihres Lebens intensiv begleitete. Drei Monate vor ihrem Tod wurde sie durch einen Wirbelbruch halb gelähmt. Es gab neben der Palliativintervention keine Möglichkeit mehr, sie zu versorgen.

Palliativversorgung mit Herz

Zuerst war meine Tante von der Idee auf eine Palliativstation zu wechseln nicht überzeugt und wollte nicht von zuhause weg, ganz gleich wie stark die Schmerzen waren. Doch als sie erst einmal auf der Station war, sah alles anders aus. Die Ärzte und alle weiteren Gesundheitsfachpersonen waren herzlich und achtsam, und strahlten eine gütige Menschlichkeit und Offenheit aus, die ich bisher in sonst fast keinem Arbeitsbereich in diesem Maße erlebt habe. Sie erhielt „Musiktherapie“, welche ihr sehr gut gefiel und hatte auch einen Psychologen und Priester zur Seite – um nur einige Angebote des Instituts zu nennen. Damals dachte ich mir „eigentlich schade, mit so viel Achtsamkeit und Respekt sollten wir alle während unseres ganzen Lebens miteinander umgehen“. Das nur am Rande. Doch auch war mir bewusst, dass diese Art der Palliativversorgung bei der Diagnose „fortgeschrittener Krebs“ definitiv ein gutes Betreuungs- und Behandlungsangebot ist.

Frühe Palliativversorgung schon zum Zeitpunkt der Diagnose möglich

Die Ergebnisse des im Juni 2017 aktualisierten Cochrane Reviews zu früher Palliativversorgung bei fortgeschrittenem Krebs bekräftigen meine persönliche Meinung mit wissenschaftlichen Daten.

Erstautor Markus Haun vom Universitätsklinikum Heidelberg und sein Autorenteam machen darauf aufmerksam, dass palliative Versorgung bereits früh, also zum Zeitpunkt der Diagnose einer fortgeschrittenen Krebserkrankung oder kurz danach in Anspruch genommen werden kann. Zudem wird sie dann häufig mit einer Standardbehandlung für Krebs kombiniert, z.B. mit einer Chemotherapie oder Bestrahlung. Die Versorgung beinhaltet die einfühlsame Kommunikation mit den Patienten über ihre Prognose, Vorausplanung der Pflege und Versorgung und Symptombeurteilung und -kontrolle. Insgesamt ist Palliativversorgung darauf ausgerichtet, die Lebensqualität von den Patienten und auch die ihrer Familienmitglieder, zu verbessern, indem sie eine sorgfältige Schmerzeinschätzung und -behandlung vornimmt, und auf andere Probleme körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art vollständig eingeht (WHO 2013).

Frühe Palliativversorgung kann Lebensqualität womöglich verbessern

Der Review zeigte, dass eine frühe palliative Versorgung die Lebensqualität bei Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung möglicherweise geringfügig verbessern könnte. Sie könnte außerdem möglicherweise die Symptomintensität etwas verringern. Die Wirkung auf die Überlebensrate und Depressionen sind unklar. Nur eine einzelne im Review eingeschlossene Studie berichtete über Nebenwirkungen, beispielsweise mehr Schmerzen und verminderten Appetit.

Eine weitere Meta-Analyse, die im Juli 2017 von unter anderem Cochrane Deutschland Autoren im BMJ veröffentlicht wurde, zeigte ähnliche Ergebnisse bezüglich einer eventuell geringfügig verbesserten Lebensqualität bei Krebspatienten, die früh mit der Palliativversorgung begannen.

 

Ergebnisse müssen mit Vorsicht interpretiert werden

Haun kommentierte jedoch in Bezug auf seine Studie in einem Podcast, dass

„obwohl der Review darauf hindeutet, dass frühe palliative Versorgungsinterventionen einen größeren Nutzen auf die Lebensqualität und die Symptomintensität bei Patienten mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen haben als die Standard-Krebsversorgung alleine, müssen wir die Ergebnisse mit Vorsicht interpretieren.“

„Insgesamt war die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz niedrig bis sehr niedrig aufgrund der geringen Anzahl von Studien, aufgrund von Problemen bei der Studiendurchführung und Unterschieden zwischen den Studien.“

 

Fazit

Palliative Versorgung könnte möglicherweise eine Wirkung auf eine verbesserte Lebensqualität und verminderte Symptomintensität von Krebspatienten im fortgeschrittenen Stadium haben. Jedoch werden mehr Studien, auch Studien die sich mit Palliativversorgung als solches detaillierter beschäftigen, benötigt, um klarere Aussagen treffen zu können.

Mein persönliches Fazit aus meiner Lebenserfahrung und „Beobachterperspektive“ ist da etwas optimistischer. Vor allem der ganzheitliche Rahmen der Palliativversorgung, der Körper und Psyche einbezieht, kann eine wahrhaftig positive Wirkung auf die Lebensqualität in einer sonst eventuell recht trüben Lebensphase erzielen.

Anlaufstellen und Hilfe

Anlaufstellen für Betroffene/ ihre Angehörigen und Interessierte gibt es unter anderem hier:

Deutschland: 

Österreich:

Schweiz: 

 Text: Andrea Puhl

 

*Es sind immer Patientinnen und Patienten, Autorinnen und Autoren, etc. gemeint.

 

Quellen:

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