Die gesundheitlichen Folgen von Bewegungsmangel zeigen sich oft erst später im Leben. Deshalb sollte man schon in jungen Jahren mit ausreichend Sport und Bewegung für ein gesundes Alter vorsorgen. Wie man Erwachsene jeden Alters am besten dazu motiviert ist das Thema einer Special Collection von Cochrane Reviews.
Im Jahr 2019 gab es zum ersten Mal in der Weltgeschichte mehr Menschen über 65 Jahre als Kinder unter 5 Jahren. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahrzehnten noch verstärken. Er ist auch deutlich in Europa zu erkennen. So rechnet man in Deutschland, Österreich und der Schweiz für das Jahr 2050 mit einem Anstieg des Anteils älterer Menschen von derzeit rund 20 Prozent auf über 25 Prozent der Gesamtbevölkerung. Um auf diesen Wandel in der Altersstruktur und die dafür notwendigen Änderungen aufmerksam zu machen, haben die Vereinten Nationen die UN-Dekade des „Gesunden Alterns“ ins Leben gerufen.
Bewegt altern
Die WHO definiert gesundes Altern als „einen Prozess der Entwicklung und Aufrechterhaltung der funktionellen Fähigkeiten, die das Wohlbefinden im Alter ermöglichen“. Das bedeutet, dass man schon als junger Mensch anfangen sollte, auf ein gesundes Alter hinzuarbeiten. Dabei spielt körperliche Aktivität eine entscheidende Rolle. Regelmäßige Bewegung hat altersunabhängig zahlreiche Vorteile für Gesundheit und Wohlbefinden. Die Leitlinie zu körperlicher Aktivität und Gesundheit der WHO empfiehlt für Erwachsene jeden Alters pro Woche mindestens 150 bis 300 Minuten moderate oder 75 bis 150 Minuten intensive Bewegung – oder einen entsprechenden Mix, der stets den individuellen Möglichkeiten angepasst werden sollte. Zusätzlich empfiehlt die WHO-Leitlinie ein möglichst umfassendes Training der Muskulatur an mindestens zwei Tagen pro Woche.
Möglichkeiten, diese Empfehlungen mit Spaßgewinn umzusetzen, gibt es unzählige: Spazierengehen, Radfahren, Tanzen und andere aktive Hobbys gehören ebenso dazu wie intensiv verfolgte Sportarten. Aber auch der Büroalltag lässt sich bewegter gestalten, etwa durch einen kurzen Spaziergang in der Mittagspause.
Das Leben ist wie Fahrrad fahren. Um die Balance zu halten musst du in Bewegung bleiben.
– Albert Einstein
Cochrane Library Special Collection
Doch wie motiviert man Menschen von jung bis alt dazu, sich mehr zu bewegen? Welchen Effekt haben entsprechende Aufklärungskampagnen und Förderprogramme? Und wie gut lassen sich die günstigen Effekte von mehr Bewegung auf diverse Krankheiten wissenschaftlich belegen? Die Cochrane Campbell Global Ageing Partnership hat zu diesen Fragen eine Special Collection mit dem Titel „Körperliche Bewegung für ein gesundes Altern“ veröffentlicht.
Diese Sammlung bündelt 13 relevante Cochrane Reviews aus zwei übergeordneten Themenbereichen. Ihre Ergebnisse einzeln darzustellen würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Aus diesem Grund geben wir hier nur einen kurzen Überblick über die einzelnen Reviews, deren Zusammenfassungen in einfacher Sprache in der Cochrane Library zumeist auch auf Deutsch zur Verfügung stehen:
Themenbereich 1: Förderung der körperlichen Aktivität für die Allgemeinbevölkerung
- Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene zur Steigerung körperlicher Aktivität
- Strategien zur Verbesserung der Umsetzung (Implementation) arbeitsplatzbezogener Vorgaben oder Praktiken, die auf Tabak, Alkohol, Ernährung, körperliche Aktivität und Adipositas abzielen
- Gezielte Interventionen durch Massenmedien, um das Gesundheitsverhalten von erwachsenen Angehörigen ethnischer Minderheiten zu beeinflussen
- Teilnahme an Aktivitäten zur Verbesserung und zum Schutz der Umwelt für Gesundheit und Wohlbefinden bei Erwachsenen: ein Review quantitativer und qualitativer Evidenz
- Interventionen außerhalb des Arbeitsplatzes zur Verringerung der im Sitzen oder Liegen verbrachten Zeit bei Erwachsenen unter 60 Jahren
Themenbereich 2: Förderung der körperlichen Aktivität bei chronischen Erkrankungen
- Umwelt- und verhaltensbezogene Interventionen, um bei älteren Menschen mit Sehbehinderung die Einschränkungen körperlicher Aktivität zu reduzieren und Stürzen vorzubeugen
- Interventionen zur Förderung der körperlichen Aktivität für Menschen mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD)
- Physical activity interventions for disease‐related physical and mental health during and following treatment in people with non‐advanced colorectal cancer
- Körperliche Aktivität bei Symptomen der unteren Harnwege infolge einer gutartigen Prostataobstruktion
- Aktivitätsmonitore zur Steigerung der körperlichen Aktivität bei Erwachsenen nach überstandenem Schlaganfall
- Körperliche Aktivität oder Übungen mit hoher gegenüber niedriger Intensität für Menschen mit Hüft‐ oder Kniearthrose
- Körperliche Aktivität und Training gegen chronische Schmerzen bei Erwachsenen: eine Übersicht der Cochrane Reviews
- Körperliche Aktivität für Frauen mit Brustkrebs nach adjuvanter Therapie
Leider erlaubt die Evidenz in den Reviews dieser Special Collection nicht immer klare Schlussfolgerungen. Das liegt zum einen an einem Mangel an guten Studien in diesem Bereich, für den es nur relativ wenig Forschungsmittel gibt. Zum anderen bergen manche Themen auch methodische Hürden, die nur schwer zu überwinden sind.
Gesund und aktiv älter werden
Doch auch wenn Studien nicht immer eindeutige Antworten liefern: Über das Ziel „mehr Bewegung für ein gesundes Leben“ herrscht doch große Einigkeit. Tipps und Anregungen dafür gibt es gerade im Internet zuhauf. Nicht zuletzt wegen des Mangels an klarer Evidenz ist es aber nicht einfach, gute und schlechte Tipps aus dem Netz zu unterscheiden. Eine aus unserer Sicht empfehlenswerte Informationsquelle ist das Internetportal „Gesund und aktiv älter werden“ (https://www.gesund-aktiv-aelter-werden.de/) der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Die Seite bietet Informationen zu Projekten, Daten, Fakten und fachlich geprüfte neutrale Gesundheitsinformationen rund um das Thema „Gesundes Alter“. Konkrete Übungsprogramme für ältere Menschen, die zusammen mit Sportverbänden und Wissenschaftler*innen entwickelt wurden, bietet die BZgA auf der Webseite „Älter werden in Balance“ an.
Und sie bewegen sich doch
Mit diesem Beitrag endet unsere Anfang des Jahres gestartete Serie „Gesundes Altern“. Die insgesamt neun Beiträge konnten natürlich immer nur auf einzelne Aspekte dieses großen Themas blicken und beispielhaft Evidenz aus Cochrane Reviews vorstellen. Wir hoffen, damit ein paar praktische Anregungen gegeben und auch ein paar jüngere Leser erreicht zu haben. Denn gesundes Altern fängt schon in jungen Jahren an!
Text: Andrea Puhl und Georg Rüschemeyer
Dies ist der letzte Artikel unserer Serie zur Gesundheit im Alter.
Hier alle verfügbaren Artikel der Serie:
- Gesundes Altern: eine neue Serie auf Wissen Was Wirkt
- Den Kopf im Alter trainieren: Geistige Leistungsfähigkeit erhalten und Demenz verhindern durch kognitives Training?
- Periphere Nervenblockaden: Eine alternative Schmerztherapie bei Hüftfrakturen
- Bluthochdruck: Ist weniger wirklich mehr?
- Wie wirksam ist eine Therapie mit Tieren für ältere Menschen
- Sturzprävention: Bewegung kann Schlimmes verhindern
- Vitamine und Mineralstoffe im Alter: Kapseln für den Kopf
- Weltseniorentag: Bewegt durchs Alter