Im Jahr 2050 wird jeder sechste Mensch auf der Welt über 65 Jahre alt sein, etwa doppelt so viele wie im Jahr 2019. In Europa und Nordamerika soll es sogar jeder vierte sein. Grund genug für die Weltgesundheitsorganisation (WHO), das eben gestartete „Jahrzehnt des gesunden Alterns“ auszurufen. Ziel der WHO ist es, sich zusammen mit vielen internationalen Akteuren für die Gesundheit der immer älter werdenden Bevölkerung einzusetzen: Für uns ist diese neue WHO-Dekade Anlass für eine neue Serie auf Wissen Was Wirkt. In den kommenden Monaten stellen wir Evidenz aus aktuellen Cochrane Reviews zu verschiedenen Aspekten des Alterns vor.
„Selbst in den ärmsten Ländern der Welt leben die meisten Menschen heute länger,“ sagte die damalige Generaldirektorin der WHO, Dr. Margaret Chan, bereits im Jahr 2015. „Aber das ist nicht genug. Wir müssen dafür sorgen, dass diese zusätzlichen Jahre für ältere Menschen gesund, sinnvoll und in Würde geführt werden können. Dies zu erreichen, wird nicht nur gut für ältere Menschen sein, sondern für die Gesellschaft als Ganzes.“
Fünf Jahre später, inmitten der weltweiten COVID-19-Pandemie ist das Thema aktueller denn je. „Die COVID-19-Pandemie verursacht unbeschreibliche Angst und großes Leid für ältere Menschen auf der ganzen Welt. Über ihre unmittelbaren Auswirkungen auf die Gesundheit hinaus setzt die Pandemie ältere Menschen einem größeren Risiko von Armut, Diskriminierung und Isolation aus. Sie wird wahrscheinlich besonders verheerende Auswirkungen auf ältere Menschen in Entwicklungsländern haben,“ sagt der aktuelle UN-Generalsekretär António Guterres. In einem unserer letzten Blog-Artikel haben wir bereits im Detail besprochen, wie sich „räumliche Trennung“ (physical distancing), die auch zum Schutz für ältere Menschen während der COVID-19-Lockdowns eingeführt wurde, auf deren psychisches Wohlbefinden und den Alltag auswirken kann.
Die Pandemie ist allerdings nur das Tüpfelchen auf dem „i“. Denn schon lange zeichnete sich ab, dass der demographische Wandel mit tiefgreifenden sozialen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Folgen für ältere Menschen einhergehen wird. Um diese Herausforderungen proaktiv anzugehen, hat die WHO die Dekade des gesunden Alterns 2021 – 2030 ins Leben gerufen.
Dekade des gesunden Alterns (2021 – 2030)
Alles begann im Jahr 2015, als der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in New-York 17 Ziele definierte. Diese sind Kernstück der UN Agenda 2030: „Transformation unserer Welt: Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“. Eines der Ziele der Agenda fordert z.B. ein „gesundes Leben für alle“ – genauer gesagt Lebensumstände, die „ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern“ können. In der Agenda verpflichten sich Mitgliedstaaten zudem, an einer neuen Welt mitzuwirken, in der niemand zurückgelassen wird und in der jeder Mensch die Möglichkeit erhalten soll, sein Potenzial in Würde zu entfalten.
Die Mitgliedstaaten der WHO führten im Jahr 2016 im Einklang mit der Agenda 2030 die „Strategie und Aktionsplan für gesundes Altern in der Europäischen Region (2012 – 2020)“ ein. Diese soll sicherstellen, dass die globalen Herausforderungen einer alternden Bevölkerung in Angriff genommen werden. Die „Dekade des gesunden Alterns“ – welche im Jahr 2020 eingeläutet wurde – basiert auf diesem Aktionsplan.
Schwerpunkt der Dekade ist es, alle Akteure – wie beispielsweise Regierungen, internationale Organisationen, Experten und Wissenschaftler zusammenzubringen, um das Leben älterer Menschen, ihrer Familien und der Gemeinschaften, in denen sie leben, zu verbessern. „Gesundes Altern“ wird hierbei aus der Perspektive der funktionalen Fähigkeit betrachtet: ein „Prozess der Entwicklung und Aufrechterhaltung der funktionalen Fähigkeit, die Wohlbefinden im Alter ermöglicht“. Diese breitgefächerte Definition, die sowohl ältere Menschen selbst als auch ihr Umfeld in Betracht zieht, ist wichtig. Denn viele Menschen haben wenig Zugang zu den grundlegenden Ressourcen, die für ein Leben mit Sinn und Würde im Alter notwendig sind. Andere sind mit zahlreichen Einschränkungen konfrontiert, die ihre volle Teilhabe an der Gesellschaft erschweren.
Die Dekade beinhaltet zehn Schwerpunkte mit konkreten Handlungsfeldern, unter anderem das Sammeln von Daten zu gesundem Altern in allen Ländern der Erde und die Förderung von Forschung zu den Bedürfnissen von älteren Menschen.
Cochrane Evidenz und ältere Menschen
Cochrane trägt durch seine Cochrane Reviews, die beispielsweise auf Fragen zu Behandlungen bei älteren Menschen eingehen, zu diesem Handlungsfeld bei. Das Cochrane-Feld „Cochrane Global Ageing“ hat sich zum Ziel gesteckt, „globale Schnittstelle für den Austausch von Wissen, Evidenz und Ideen“ zum Thema globales Altern zu werden. Im Einklang mit der Dekade für gesundes Altern fokussiert sich das Feld durch das Sammeln, Erstellen und Verbreiten von Evidenz und durch die Unterstützung von Cochrane-Autoren auf Fragen der Funktionsfähigkeit älterer Menschen sowie auf jene Krankheiten, die ältere Menschen am häufigsten betreffen.
Ältere Menschen und ihre typischen Krankheiten
Viele Erkrankungen treten bei älteren Menschen häufiger als bei Jüngeren auf. Zu den zehn häufigsten Erkrankungen im Alter, auf die sich auch Cochrane Global Ageing fokussiert, zählen:
- Herzkrankheiten
- Schlaganfall
- Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (engl. « chronic obstructive pulmonary disease » kurz COPD)
- Alzheimer und andere Demenz- Krankheiten
- Diabetes mellitus Typ 2
- Tracheal-, Bronchus- und Lungenkrebs
- Kreuzschmerzen
- Infektionen der unteren Atemwege
- Altersbedingter Hörverlust
- Folgeerkrankungen nach Stürzen
Zu den meisten dieser Krankheiten gibt es bereits Blogartikel auf Wissen Was Wirkt. Jedoch sind bis auf einen Artikel zur Sturzprävention (Bewegungsübungen verhindern Stürze bei älteren Menschen – aber gilt dies für alle Übungsarten?) diese nicht speziell auf ältere Menschen zugeschnitten.
Wissen Was Wirkt Serie – Ausblick
Mit dieser neuen Artikelreihe wollen wir einige der wichtigsten Aspekte für das gesunde Altern näher betrachten und auf ausgewählte Themen eingehen. Diese widmen sich zum Beispiel folgenden Fragen: Wie lassen sich kognitive Funktionen erhalten und verbessern? Welche Vitamine oder Mineralstoffe sind wichtig für die kognitive Leistungsfähigkeit im Alter? Welche alternativen Therapien können im Alter zur Gesundheit beitragen? Dabei werden wir die aktuelle Cochrane-Evidenz zu den jeweiligen Themen vorstellen. Abgerundet wird die Serie von einem Portrait der Cochrane Global Ageing Group.
Wir wünschen Ihnen viel Freude und neue Einblicke beim Lesen!
Text: Anne Borchard und Andrea Puhl
Dies ist der fünfte Artikel unserer Serie zur Gesundheit im Alter.
Hier alle verfügbaren Artikel der Serie:
- Gesundes Altern: eine neue Serie auf Wissen Was Wirkt
- Den Kopf im Alter trainieren: Geistige Leistungsfähigkeit erhalten und Demenz verhindern durch kognitives Training?
- Periphere Nervenblockaden: Eine alternative Schmerztherapie bei Hüftfrakturen
- Bluthochdruck: Ist weniger wirklich mehr?
- Wie wirksam ist eine Therapie mit Tieren für ältere Menschen
- Sturzprävention: Bewegung kann Schlimmes verhindern
- Vitamine und Mineralstoffe im Alter: Kapseln für den Kopf
Anmerkung: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.